Unabhängige Anlaufstellen für Betroffene von sexualisierter Gewalt in allen acht Bistumsregionen

Multiprofessionell besetzte Arbeitsgruppe stellt Empfehlungen vor

Beratung (c) Nik Macmillan / unsplash
Beratung
Datum:
Fr. 10. Mai 2019
Von:
iba

Aachen, (iba) – Das Bistum Aachen wird zukünftig besonders eng mit unabhängigen Lotsen- und Beratungsstellen für Betroffene von sexualisierter Gewalt arbeiten. Bischof Dr. Helmut Dieser folgt damit der Empfehlung der multiprofessionell besetzten Arbeitsgruppe, die diese vor Sprechern und Vertretern der Diözesanen Räte des Bistums Aachen vorgestellt haben. 

„Ich bin den Mitgliedern der Arbeitsgruppe für dieses umsichtige Konzept dankbar, dass die Perspektiven und Anliegen der Betroffenen in den Mittelpunkt stellt. Mit diesem Konzept werden die Betroffenen in die Lage versetzt, selber Herr des Verfahrens zu sein“, würdigte Bischof Dr. Helmut Dieser das zumeist ehrenamtliche Engagement. Die Arbeitsgruppe setzt sich zusammen aus einer Juristin, einer forensischen Psychiaterin, einer Opferschutzbeauftragten, einem persönlichen von Missbrauch Betroffenen und Vertretern des Bistums.

Die Arbeitsgruppe empfiehlt ein Modell, das aus zwei Säulen besteht. Die erste Säule des Modells bilden zwei überregionale, unabhängige Lotsenstellen für eine erste Orientierung: die Opferschutzbeauftragte NRW in Köln und der Weiße Ring. Für die zweite Säule werden Kooperationen mit externen Beratungsstellen in allen acht Bistumsregionen eingegangen. Die Lotsen- und Beratungsstellen sind unabhängig vom Bistum Aachen und sollen entsprechend eigener bewährter Standards handeln.

  • Die Arbeitsgruppe hat darüber hinaus folgende Auswahlkriterien festgelegt:
    etablierte und anerkannte Einrichtungen mit ausgewiesener Expertise in der Beratung bei sexualisierter Gewalt
  • gute Erreichbarkeit und niederschwellige Kontaktmöglichkeiten
  • garantiert anonymisierte Verfahren

Als Ausschlusskriterien hat die Arbeitsgruppe folgende Punkte benannt:

  • Zugehörigkeit zu einer der beiden großen Kirchen
  • bestehende finanzielle Unterstützung oder Beauftragung durch das Bistum Aachen

Entscheidend ist laut der Empfehlung, dass zwischen dem Bistum Aachen und den Lotsen- beziehungsweise Beratungsstellen weder ein Kooperationsvertrag geschlossen noch eine formelle Beauftragung, verbunden mit einem Pflichtenheft oder Handlungsanweisungen, vereinbart werde. Auf diese Weise soll die Unabhängigkeit der Stellen gewährleistet werden.

Externe Aufarbeitung durch Anwälte und Experten

Neben den unabhängigen Anlaufstellen für Betroffene wird das Bistum Aachen alle Originalaktenbestände zum sexuellen Missbrauch einer externen Aufarbeitung zur Verfügung stellen. Ziel der unabhängigen Untersuchung durch eine Anwaltskanzlei ist, neben der Aufarbeitung von Sachverhalten, auch die Rolle von amtierenden und früheren Verantwortlichen, Personalchefs, Bischöfen und Generalvikaren zu klären. Neben der Untersuchung der Originalaktenbestände werden auch Interviews mit damaligen und heutigen Verantwortungsträgern geführt werden. Welche Personen befragt werden, liegt im Ermessen der externen Gutachter.

Die aus den Akten und Befragungen gewonnenen Ergebnisse werden mit weiteren Fachleuten, etwa aus den Bereichen Prävention und Kirchenrecht diskutiert. Über das Ergebnis wird das Bistum Aachen die Öffentlichkeit informieren.

Um die Unabhängigkeit der externen Untersuchung zu gewährleisten, soll es auf Empfehlung der Gutachter keine laufende Berichterstattung gegenüber dem Bistum Aachen sowie Räten, Gremien oder der Presse geben.

Das Bistum Aachen folgt mit dieser Maßnahme nicht nur den Empfehlungen, die die Forscher der MHG-Studie gegeben haben, sondern steht damit auch im Einklang mit dem, was Papst Franziskus in seinem am 7. Mai veröffentlichten Motu Proprio unter Titel „Vos estis lux mundi“ („Ihr seid das Licht der Welt“) erlassen hat . Der angekündigte Weg von Null-Toleranz und konsequenter Aufarbeitung wird damit weiter verfolgt. „Der Schutz der Institution darf nie wieder Vorrang haben vor dem Schutz der Opfer. Wir wollen im Bistum Aachen schonungslos aufklären, wie individuelle Taten ermöglicht wurden und wie Täter gedeckt wurden. Diese systemischen Ursachen, aber auch persönliche Verantwortlichkeiten sollen die externen Gutachter klar benennen und zudem Handlungsempfehlungen für die Verbesserung von bestehenden Verwaltungsstrukturen geben“, betont Bischof Helmut Dieser.