Zum Inhalt springen

Unabhängiges Gutachten zur Aufarbeitung sexualisierter Gewalt

Bischof Helmut Dieser hat im Jahr 2019 ein unabhängiges Gutachten zur Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs im Bistum Aachen beauftragt. Unabhängige Forscher der Universitäten Mannheim, Heidelberg und Gießen (MHG) hatten im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) untersucht, in welchem Ausmaß es zwischen 1946 und 2014 zu sexuellem Missbrauch an Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und Ordensangehörige im Gebiet der Deutschen Bischofskonferenz gekommen war.

Im Anschluss an die MHG-Studie hat sich das Bistum Aachen nach sorgfältigem Abwägen entschieden, unabhängige Juristen mit der externen Aufklärung von Verantwortlichkeiten zu beauftragen.

Die Studie der Münchener Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl - heute Westpfahl Spilker - umfasst den Zeitraum von 1965 bis 2019 und erschien im November 2020. 

Auftrag und Ziel

Das externe Gutachten war ein Schritt zur Aufarbeitung der Vergangenheit im Bistum Aachen. Es sollte dazu beitragen, Prävention und Intervention weiter zu verbessern. Ziel war die nachhaltige Verhinderung von sexualisierter Gewalt, ihrer Verharmlosung und Vertuschung.

Die Kanzlei Westpfahl Spilker hatte den Auftrag

  • systemische Ursachen betreffend sexualisierter Gewalt durch Kleriker herauszuarbeiten;
  • Verantwortlichkeiten auf Ebene der Bistumsleitung im Hinblick auf den Umgang mit Fällen sexualisierter Gewalt zu prüfen;
  • soweit möglich Verantwortliche zu benennen;
  • und aus ihrer Sicht bestehende Optimierungsvorschläge im Hinblick auf den Umgang mit Fällen sexualisierter Gewalt zu unterbreiten.

Empfehlungen

In 13 Themenfeldern geben die Gutachter Empfehlungen zum Umgang mit Fällen sexualisierter Gewalt.

Das Bistum Aachen orientiert sich an den Empfehlungen des Gutachtens, um seine Maßnahmen in den Bereichen Prävention, Intervention und Aufarbeitung nachhaltig zu verbessern.

Soweit die Empfehlungen in den Kompetenzbereich des Bistums Aachen fallen, hat es sie größtenteils umgesetzt. Die Interventionsordnung sichert die Position des Interventionsbeauftragten und gibt klare Vorgaben zum Verhalten bei Meldungen und zum Umgang mit Beschuldigten. Die Stabsabteilung PIA (Prävention, Intervention, Ansprechperson) gibt der Arbeit einen professionellen Rahmen. Betroffenenrat, Aufarbeitungskommission und Beraterstab bereichern die Arbeit mit unabhängiger Expertise und bringen die Perspektive von Externen und vor allem Betroffenen zur Geltung. Die priesterliche Aus- und Fortbildung wird – gerade in Bezug auf die psychologische Begleitung und die Reflexion des Verhältnisses zur eigenen Sexualität – kritisch analysiert und weiterentwickelt. Auch auf überdiözesaner Ebene setzt sich das Bistum Aachen für die Umsetzung der Empfehlungen ein.

Bischof Helmut Dieser ist seit 2022 Beauftragter der Deutschen Bischofskonferenz für Fragen des sexuellen Missbrauchs im kirchlichen Bereich und für Fragen des Kinder- und Jugendschutzes.

  • Kirchliche Verantwortungsträger sollen stärker mit Betroffenen in Kontakt treten.
  • Die Stelle des/der Interventionsbeauftragten soll rechtlich gesichert unabhängig sein und die Tätigkeit der Öffentlichkeit korrekt dargestellt werden.
  • Auch Fürsorge für die Beschuldigten sexueller Gewalt könnte, wenn wohlverstanden, den präventiven Opferschutz verbessern. Täter sollten nicht mehr in der Seelsorge tätig und vielmehr in ein Umfeld mit bestmöglicher Sozialkontrolle eingebettet sein. Hierfür soll ein Hilfs- und Schutzsystem entwickelt werden. 
  • In hohem Maß wirksam wäre den Autoren zufolge eine Stärkung der Rolle der Frauen in kirchlichen Leitungsfunktionen.
  • Kirchliche Möglichkeiten sollten genutzt werden, um die Entwicklung von Kindern frühestmöglich aktiv zu unterstützen, dass sie dem Versuch einer sexuellen Annäherung durch Erwachsene selbstbewusst entgegentreten können.
  • Etablierung eines Gutachterpools und Evaluierung der Gutachtertätigkeit.
  • Kritische Reflexion des priesterlichen Selbstverständnisses.
  • Kritische Überprüfung der priesterlichen Aus- und Fortbildung.
  • Ausgestaltung des Betroffenenbeirats.
  • Vertiefende, auch interdisziplinäre Forschung sowie institutionalisierter Austausch von Wissen und Erfahrungen auf internationaler Ebene.
  • Eine Reform sowohl des kirchlichen Sexualstrafrechts als auch des kirchlichen Strafverfahrensrechts.
  • Optimierung der Verwaltungsstrukturen und -abläufe durch Standardprozesse, Professionalisierung, verbesserte Aktenführung sowie Begrenzung der Amtszeiten von Verantwortungsträgern.

Das Bistum Aachen hat die meisten der Empfehlungen umgesetzt. Weitere Informationen erhalten Sie hier