Gründung von missio

Die geniale Idee der Pauline Jaricot 

„Mission war sein Leben“, so könnte man das Wirken des Dr. Heinrich Hahn überschreiben.

Als er um das Jahr 1830 einen Krankenbesuch bei seinem Freund Cornelius Thywissen im belgischen Montzen machte, fiel ihm ein Exemplar der Annales aus Lyon in die Hand. Die Lektüre der „Jahrbücher der Glaubensverbreitung“ begeisterten ihn so sehr, dass er mehr über die Idee wissen wollte, die hinter der Zeitschrift stand. Bei seiner Suche stieß er auf den Namen einer jungen Französin: Pauline-Marie Jaricot aus Lyon. 1819 hatte die Zwanzigjährige eine Missionsbewegung ins Leben gerufen hatte, die drei Jahre später zur Gründung des ersten offiziellen Missionsvereins in Frankreich führte, des „Oeuvre de la Propagation de la Foi“ (Werk der Glaubensverbreitung).

Paulines Idee war ebenso einfach wie genial. In einem Brief an den Zentralrat des Missionsvereins in Lyon wundert sie sich, dass „in Anbetracht der Leichtigkeit und Einfachheit dieser Organisation niemand vor mir dieselbe gefunden hatte.“ Der Grundgedanke der bescheidenen Gründerin war: „Kleine Beiträge, aber von vielen; täglich ein kurzes Missionsgebet, aber von Millionen.“ Jeweils zehn Mitglieder fanden sich zu einer Gruppe zusammen, in der das Missionsjahrbuch mit Berichten von Missionaren aus aller Welt gelesen wurde.

Pauline hatte der Missionsbewegung eine Struktur gegeben, die nicht nur zum Modell für das erste offizielle „Werk der Glaubensverbreitung“ in Lyon wurde, sondern für fast alle weiteren Hilfswerke. Die in den Diözesen gesammelten Spenden wurden dem Lyoner Zentralrat übergeben, der weltweit die Gelder an die Missionen verteilte.

Der Franziskus-Xaverius-Missionsverein

Mit ihrer Idee hatte Pauline Jaricot einen Nerv ihrer Zeit getroffen. Seit der Jahrhundertwende waren vor allem in Frankreich neue katholische Missionskongregationen- und gesellschaften gegründet worden. Die Missionsarbeit der Kirche erlebte eine neue Blüte, für die in erster Linie die sogenannten „kleinen Leute“ verantwortlich waren. Es begann große Zeit der katholischen Laienbewegungen.

Auch Heinrich Hahn hatte ein feines Gespür für die Strömungen seiner Zeit und einen wachen Blick für das, was zu tun war. Gott zu den Menschen zu bringen, war eines seiner großen Anliegen. Ein Missionsverein, der nach dem Vorbild des Zentralrats von Lyon organisiert war, schien ihm ein wirksames Instrument, um Menschen für Gott zu gewinnen, das missionarische Bewusstsein in Deutschland zu stärken und dem Laienapostolat eine verantwortungsvolle Aufgabe zu geben.

Heinrich Hahn dachte global und ließ sich auch durch Widerstand gegen sein Anliegen, der zunächst von der Kölner Bistumsleitung und den preußischen Behörden kam, weder in seinem Gottvertrauen erschüttern noch in seiner Überzeugung, dass ein Christ Jesu Auftrag, die Frohe Botschaft zu verbreiten, ernst nehmen solle.

1834 hatte Hahn eine Adresse, die hundert Aachener Bürger unterschrieben hatten, an den Kölner Erzbischof Ferdinand August von Spiegel gesandt. Seine Bitte, einen Verein zur Verbreitung des Glaubens in der Erzdiözese Köln zu gründen, lehnte der Bischof ab, nicht ohne auf die notwendige Genehmigung durch den preußischen Staat zu verweisen und zu fragen, „ob es nicht besser wäre, unsere Sorgen und unsere Almosen zur Vermehrung inländischer Bildungsanstalten zu verwenden?“ Bereits in einem Begleitschreiben an den Erzbischof hatte Hahn versucht, derartige Bedenken auszuräumen und exemplarisch die erfolgreiche Arbeit der Missionare in Nordamerika geschildert: „Wie werden wir uns nun gegen diese Männer verhalten? Werden wir ihnen sagen: In unserem eigenen Lande haben wir Arme zu verpflegen, Unwissende zu belehren, kirchliche Unterrichtsanstalten zu gründen und zu unterhalten; dazu, und nur dazu verwenden wir unsere Gaben? Oder werden wir nicht vielmehr eingestehen müssen, dass die Christen als solche nur einen gemeinschaftlichen Vater haben, der da ist Gott, und eine Mutter, die katholische Kirche, die uns alle aus ihrem Schoß geboren, dass wir also in dem Sinne nur ein gemeinschaftliches Vaterland anerkennen müssen und dass, indem wir unsere Verwandten und Landsleute bei Verteilung unserer Almosen reichlicher bedenken, wir auch entfernt Bedrängte nicht vergessen dürfen? Dergleichen Betrachtungen haben in uns den Wunsch rege gemacht, dem wirksamsten dieser Vereine beizutreten.“

Nachdem der erste Versuch gescheitert war, überließ Heinrich Hahn die Korrespondenz mit der Erzdiözese seinen geistlichen Freunden. Doch im Stillen arbeitete er weiter an seinem Vorhaben und erreichte schließlich im Jahr 1837 zumindest die Erlaubnis, eine Bruderschaft vom heiligen Franziskus Xaverius zu gründen. Es sollten noch fünf Jahre bis zur endgültigen Anerkennung des Franziskus-Xaverius-Missionsvereins vergehen, in denen die Bruderschaft von der Geheimpolizei bespitzelt wurde. Denn der preußische Staat beargwöhnte Vereinsbildungen jedweder Art und versuchte, besonders  Aktivitäten der katholischen Kirche sowie des „katholischen Milieus“ zu beschneiden.

Vierzig Jahre war Heinrich Hahn Mitglied und Sekretär des fünfköpfigen Verwaltungsrates. Präsident seines Lebenswerks ist er nie geworden. Er blieb lieber im Hintergrund und arbeitete um so effektiver an der Etablierung der Missionsvereine und ihrer Ausdehnung über die Grenzen Deutschlands hinaus. In einer Meditation über die Bedeutung der christlichen Liebe gewährt der ansonsten wortkarge Mann einen Blick auf das, was ihn Zeit seines Lebens angetrieben hat: „So mancherlei Leiden und Widerwärtigkeiten durchkreuzen das menschliche Leben, dass es kaum jemanden geben dürfte, der nicht den Wert wahrer, von Herzen kommender und zum Herzen gehender Tröstungen hätte kennen gelernt. – Die Tröstungen aber, welche die christliche Liebe spendet, sind nicht bloß Worte, es sind Taten.“

Aus einer Idee wurde eine Bewegung, aus Widerständen und Rückschlägen erwuchs Segen. Heute heißt das Lebenswerk des Heinrich Hahn nicht mehr Franziskus-Xaverius-Missionsverein, sondern missio.

Der Aachener Heinrich Hahn vertritt zeitlebens einen universalen Missionsauftrag, macht sich gegen nationalistische Tendenzen stark und betrachtet die deutschen Sektion als Teil einer weltweiten Bewegung. Als Hahn am 11. März 1882 stirbt, verliert der Verein einen charismatischen Führer. Neue missionarische Gemeinschaften und Spenderzirkel machen seinem Werk zunehmend Konkurrenz. Erst beim Katholikentag 1909 in Breslau weckt Alois Fürst zu Löwenstein den Verein mit einer flammenden Missionsrede zu neuem Leben. Engagierte Männer treten an seine Spitze. Ab 1917 erscheint das Vereinsorgan „Die Katholischen Missionen“, mit dessen Hilfe die Mitgliederzahlen schon im ersten Jahr von 200.000 auf eine halbe Million steigen. 1916 wird Aachen offizieller Verwaltungssitz des Xaverius-Vereins. Auf Anordnung von Papst Pius XI. wird er 1922 Päpstliches Missionswerk.

1972 erhält es seine jetzt gültige Gestalt in "missio - Internationales Katholisches Missionswerk e.V." mit Sitz in Aachen und München. Auftrag von missio ist es, die Ortskirchen in Afrika, Asien und Ozeanien zu unterstützen. Schwerpunkte sind dabei Aus- und Weiterbildung von kirchlichem Personal sowie Hilfen zum Lebensunterhalt kirchlicher Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Wir unterstützen Frauen und Männer der Kirche, die ihrem Glauben Leben geben wollen, Laien und Priester, Ordensleute und Bischöfe, die davon überzeugt sind, dass der Glaube die Welt besser macht. Wir tragen zu einem lebendigen Austausch über die Frohe Botschaft bei, um die Welt gerechter und friedvoller zu machen.

 
175 Jahre Geschichte missio - Bild aus der Ausstellung (c) Thomas Hohenschue
175 Jahre Geschichte missio - Bild aus der Ausstellung
Altes Klinikum mit Kapelle - einst Wirkstätte von Heinrich Hahn, heute Sitz von missio
Altes Klinikum mit Kapelle - einst Wirkstätte von Heinrich Hahn, heute Sitz von missio
Kapelle hinter der Skulpturengruppe (c) Thomas Hohenschue
Kapelle hinter der Skulpturengruppe
Kapelle in der Goethestraße 43 - jetzt Sitz ein Teil von missio (c) Thomas Hohenschue
Kapelle in der Goethestraße 43 - jetzt Sitz ein Teil von missio