Schon 1957 hatte Papst Pius XII. auf die sich verändernde Situation der Kirche hingewiesen, die sich aufgrund der Bevölkerungsentwicklung um die Jahrtausendwende ergeben werde: Dann werde die Hälfte aller katholischen Christen in Lateinamerika leben; Mitte des 20. Jahrhunderts waren dort aber nur etwa zehn Prozent aller Priester und Ordensleute tätig. Diese Entwicklung verlange eine weltweite Mitsorge in dem Bemühen, in Lateinamerika die geistlichen Berufe zu fördern.
In einer direkten Hilfe für Priesterkandidaten und -ausbildungsstätten in Lateinamerika sah die deutsche Kirche den besten Weg für eine Unterstützung. Die dafür gegründete Bischöfliche Aktion Adveniat sollte die Hilfe organisieren und koordinieren. Zudem entschloss man sich Anfang der 1960er Jahre, jeder westdeutschen Diözese ein Land in Lateinamerika zuzuordnen, für das sie die damals sogenannte „Adveniat-Patenschaft“ übernehmen sollte.
Dem Bistum Aachen wurde (zusammen mit der Diözese Würzburg) Kolumbien zugewiesen. Unter Bischof Johannes Pohlschneider wurde die zunächst „Kolumbienhilfe“ genannte Zusammenarbeit begonnen und unter meinem direkten Vorgänger Bischof Klaus Hemmerle ergänzt und fortgeschrieben. Comunión y participación, Gemeinschaft und Teilhabe, sollten den Weg bestimmen, auf dem das Bistum Aachen zusammen mit der katholischen Kirche in Kolumbien in die Zukunft unterwegs sein wollte.
Die besondere Verbundenheit der Ortskirchen von Aachen und Kolumbien wurde als ein „Modell der Mitverantwortung der Ortskirchen in der Weltkirche“ begonnen. Die von Bischof Hemmerle formulierte Weggemeinschaft Aachen – Kolumbien sollte ein „Ernstfall des Glaubens“ sein, wie es das Zweite Vatikanische Konzil formulierte.
Seit Ende der 1970er Jahre haben neben der Förderung der kolumbianischen Priesterausbildung und der Priester im Weiterstudium weitere Partnerschaftsanliegen an Bedeutung gewonnen. Mittlerweile sind verschiedene Pfarrgemeinden, Verbände, Initiativen und Gruppen im Bistum Aachen für und in Kolumbien tätig. Damit hat sich die Partnerschaft auf viele Bereiche des kirchlichen und gesellschaftlichen Lebens ausgeweitet.
So setzt der Diözesanrat der Katholiken im Bistum Aachen einen gesellschaftspolitischen Akzent in der Partnerschaft mit Kolumbien und entsendet unter anderem junge Erwachsene als Freiwillige, die für jeweils ein Jahr in Kolumbien in sozial-pastoralen Projekten tätig sind. Auf Aachener Diözesanebene aktiv sind in der Partnerschaftsarbeit auch katholische Jugendverbände wie die Deutsche Pfadfinderschaft Sankt Georg und die Katholische Junge Gemeinde. Einige Pfarrgemeinden im Bistum Aachen haben Partnerschaften mit kolumbianischen Pfarrgemeinden aufgebaut oder unterstützen Einzelprojekte in Kolumbien.
Ein nicht nur für mich eminent wichtiges Anliegen ist dabei unsere spirituelle Verbundenheit. Zu deren Stärkung wurde ein gemeinsamer Gebetstag im Bistum Aachen und in Kolumbien initiiert, der seit dem vergangenen Jahr am ersten Sonntag im September begangen wird. Das gemeinsame Gebet mit- und füreinander ist die Basis, auf der die 50-jährige Partnerschaft aufbaut. Der miteinander geteilte Glaube an Jesus Christus, den Herrn von Zeit und Welt, ist das Fundament unserer Freundschaft.
Herzlich lade ich alle Gemeinden unseres Bistums ein, das Partnerschaftsanliegen in diesem Jahr am 4. und 5. September in ihre Gottesdienste einzubeziehen. So sind es auch geistliche Früchte, die wir in den vergangenen fünf Jahrzehnten ernten durften: Neben den bereichernden Erfahrungen aus gegenseitigen Besuchen und Aufenthalten beim jeweiligen Partner, neben vielfältigen materiellen Hilfen, die wir geben durften, sind es die vielen Priester, die heute in Kolumbien tätig sind, sind es die konkret gelebte Freundschaft und Verbundenheit auf so vielen Ebenen, ist es die Erfahrung, als das „eine Volk Gottes“ gemeinsam auf dem Weg zu sein.
Lassen Sie mich angesichts dieses positiven Rückblicks einen kurzen Blick in die Zukunft wagen.
Das schon erwähnte gemeinsame Gebet am ersten Sonntag im September gibt uns allen die Möglichkeit, unsere Verbundenheit stärker als bisher in das Bewusstsein der ganzen Ortskirchen zu tragen. Neben den 130 Bischöfen, den 9000 Priestern und Ständigen Diakonen und den 19000 Ordensleuten in Kolumbien und im Bistum Aachen gibt es weitere Millionen katholische Akteurinnen und Akteure, die unsere Freundschaft in Christus lebendiger werden lassen können.
So hoffe und wünsche ich mir für die Zukunft, dass sich unsere Freundschaft weiter vertieft. Eine Voraussetzung dafür ist, sich noch besser kennen- und verstehenzulernen. Dazu sind persönliche Begegnungen unentbehrlich.
Ich würde es daher begrüßen, wenn es über die bereits bestehenden noch weitere Möglichkeiten von Einsätzen junger Erwachsener als Freiwillige in Projekten in Kolumbien geben kann. Die Erfahrungen der bisherigen Einsätze sind nach meiner Einschätzung für alle Seiten bereichernd. Vielleicht ließen sich auch in Zukunft umgekehrte Einsätze junger Kolumbianerinnen und Kolumbianer in unserem Bistum ermöglichen.
In Aachen verehren wir die Gottesmutter Maria als Patronin unseres Bistums und unseres Domes. Die Marienstatue in der Kathedrale besitzt als Geschenk aus Kolumbien einen kleinen Frosch, gefertigt aus dem Gold des Chocó. Wir alle kennen das Märchen vom Froschkönig, der sich, nachdem er eine goldene Kugel aus einem Brunnen geholt hat, am Ende in den Bräutigam der Königstochter verwandelt.
In diesem Sinne wünsche ich unserer Freundschaft, dass wir noch viele Schätze des Miteinanders heben werden, die unserer Gemeinschaft im Glauben und allen Menschen, mit denen wir zu tun haben, zugute kommt. Möge unsere Freundschaft im Namen Christi mit der Hilfe der Gottesmutter und durch unser aller Einsatz weiterhin reiche Früchte tragen.
Der Autor ist der Bischof des Bistums Aachen.