Quindío ist das kleinste der kolumbianischen Flächen-Departements (kleiner sind nur noch der Hauptstadtbezirk Bogotá und die Inseln in der Karibik) und liegt am Fuß der Zentralkordillere im Cauca-Tal. Die Hauptverbindungsstraße von Bogotá in die drittgrößte kolumbianische Stadt Cali führt durch Quindío; in Calarcá, der zweitgrößten Stadt in Quindío, mündet die Passstraße über die Zentralkordillere ins Tal: Ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt, der in diesen Tagen des Protests durch den Streik von Lastwagenfahrern blockiert wird, ähnlich wie andere wichtige Verbindungsstraßen anderswo im Land auch. An den Tankstellen bildeten sich lange Schlangen, weil Kraftstoff knapp wurde, bzw. zeitweise gar nicht beschafft werden konnte.
Seit dem 28. April kommt es im gesamten Departement zu Protestmärschen und -Kundgebungen, vor allem von jungen Leuten. Die harten Fans des hiesigen Fußballclubs, bisher kaum durch politisches Engagement bekannt, bilden bei Protesten einen geschlossenen Block. Junge Frauen und Männer der Universität von Quindío halten eine Mahnwache für die während der Proteste (im ganzen Land) zu Tode gekommenen.
Besonders in der südlich gelegenen Stadt Cali, die etwa 3 Autostunden entfernt ist, ist es in den letzten Tagen zu Gewaltausbrüchen gekommen, sowohl von Seiten der Protestierenden wie vor allem auch der Polizei. Auch in Quindío werden polizeiliche Übergriffe gemeldet, obwohl die Proteste hier sonst meist friedlich verlaufen. Das Verwaltungsgericht von Quindío gibt der Klage von Bürgern statt, die durch das Agieren der Ordnungskräfte ihre Rechte auf Menschenwürde, friedlichen Protest, bürgerliches Engagement, (das Recht auf) Leben und persönliche Unversehrtheit sowie Meinungsfreiheit verletzt sehen. Am 30. April wurde der "Runde Tisch-Menschenrechte" im Departement eingerichtet.
Die Proteste halten an; dabei ist die Sorge um eine Ansteckung mit dem Corona-Virus anscheinend ziemlich in den Hintergrund getreten. Trotz der schwierigen Gesundheitslage kommen immer wieder viele Menschen zusammen, um ihrem Unwillen und ihrer Wut über die Regierung Ausdruck zu verleihen. Seit dem 18. Mai hat sich die Lage in den Krankenhäusern in Armenia, der Hauptstadt Quindíos, etwas entspannt; es gibt weniger Infektionen und auch die Intensivstationen stehen nicht mehr kurz vor dem Kollaps.
Ebenfalls seit gestern hat ein Runder Tisch zur Koordinierung seine Arbeit aufgenommen. Unter Leitung des Gouverneurs kommen hier neben weiteren Mandatsträgern der Departementsregierung auch VertreterInnen des Büros für Menschenrechte (des Departements), der Polizei und der Ombudsstellen des Volkes mit Delegierten der Protestierenden, der Menschenrechtsorganisationen (der Zivilgesellschaft) und der Kommission für Überwachung und Verifizierung zusammen. Dabei sollen Vermittlungsdienste geleistet und dafür Sorge getragen werden, dass die Proteste friedlich bleiben.
Armenia, 19. Mai 2021
