Der 16. Juli ist in der kolumbianischen Volksfrömmigkeit einer der wichtigsten Tage im Jahr. Unsere Liebe Frau vom Berg Karmel, derer an diesem Tag im liturgischen Kalender gedacht wird, ist nicht nur Kolumbiens beliebtestes Marienfest. Kein anderer Name hat sich so sehr in Brauchtum und Alltag der Menschen im Partnerland eingeschrieben.
Auch wenn der Gedenktag in diesem Jahr offiziell in der Liturgie durch einen Sonntag verdrängt wird, ändert das nichts an den vielen Prozessionen und Feiern zu Ehren der Muttergottes, die auch 2023 in diesen Tagen Hunderttausende in Kolumbien auf die Beine bringen.
La Virgen del Carmen (die Jungfrau vom Karmel), wie sie in Kolumbien meist heißt, ist im Partnerland dementsprechend das beliebteste Patronat für Kirchen und Kapellen: für insgesamt etwa 250 - neben ca. 1200 weiteren Gotteshäusern mit anderen Marienpatronaten.
Die Popularität zeigt sich auch bei Eigennamen. Carmen ist ein gängiger Vorname für Frauen und taucht in zahlreichen kolumbianischen Ortsnamen auf, wie in El Carmen, Carmen de Atrato, Carmen de Bolívar, Carmen de Chucurí, Carmen del Darién, Carmen de Viboral oder Pijiño del Carmen.
Eine der häufigsten Erklärungen für diese Beliebtheit geht den Umweg über ein anderes Marienpatronat. Der am Meer gelegene Berg Karmel im Heiligen Land, Gründungszelle des Karmeliterordens und des Karmelfestes, wird auch mit dem Marienpatronat Stella Maris (Stern der Meere) in Verbindung gebracht, weil er der Seefahrt als Navigationshilfe diente. Unsere Liebe Frau vom Berg Karmel wurde daraufhin, so die Theorie, in einigen Kulturräumen zur Wegbegleiterin aller Reisenden und Transporteure, und damit auch zur Patronin der Auto- und Kraftfahrenden. In den Küsten- und Waldregionen Kolumbiens, wo Meere und Flüsse bis heute die Hauptverkehrsadern sind, ist die Virgen del Carmen unverändert Schutzpatronin der Seeleute, Schiff- und Bootfahrenden.
Mit ihrem "Mobilitäts-Patronat" übernahm Carmencita (Koseform von Carmen - entspricht der in Kolumbien für alles und jedes benutzten Verkleinerungsform) in Lateinamerika eine ähnliche Rolle wie im mittelalterlichen Europa der hl. Christophorus, dessen gut sichtbare Darstellung in keiner vielbesuchten Kirche fehlen durfte. Wie seine Karmel-Schwester in Kolumbien ist Christophorus (wenn auch weniger intensiv) bei uns als Reisebegleiter bis in die Tage des Massentourismus präsent: durch Plaketten auf Armaturenbrettern und bei Fahrzeugsegnungen rund um seinen ferienkonformen Gedenktag am 24. Juli.
