Ansprache von Christoph Simonsen zum 1. Fastensonntag im Jahreskreis - Lesejahr C

Datum:
So. 6. März 2022
Von:
Ursula Fabry-Roelofsen

Evangelium nach Lukas (4,1-13)

Erfüllt vom Heiligen Geist, kehrte Jesus vom Jordan zurück. Er wurde vom Geist in der Wüste umhergeführt, vierzig Tage lang, und er wurde vom Teufel versucht. In jenen Tagen aß er nichts; als sie aber vorüber waren, hungerte ihn. Da sagte der Teufel zu ihm: Wenn du Gottes Sohn bist, so befiehl diesem Stein, zu Brot zu werden. Jesus antwortete ihm: Es steht geschrieben: Der Mensch lebt nicht vom Brot allein. Da führte ihn der Teufel hinauf und zeigte ihm in einem Augenblick alle Reiche des Erdkreises. Und er sagte zu ihm: All die Macht und Herrlichkeit dieser Reiche will ich dir geben; denn sie sind mir überlassen und ich gebe sie, wem ich will. Wenn du dich vor mir niederwirfst und mich anbetest, wird dir alles gehören. Jesus antwortete ihm: Es steht geschrieben: Vor dem Herrn, deinem Gott, sollst du dich niederwerfen und ihm allein dienen. Darauf führte ihn der Teufel nach Jerusalem, stellte ihn oben auf den Tempel und sagte zu ihm: Wenn du Gottes Sohn bist, so stürz dich von hier hinab; denn es steht geschrieben: Seinen Engeln befiehlt er deinetwegen, dich zu behüten; und: Sie werden dich auf ihren Händen tragen, damit dein Fuß nicht an einen Stein stößt. Da antwortete ihm Jesus: Es ist gesagt: Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht auf die Probe stellen. Nach diesen Versuchungen ließ der Teufel bis zur bestimmten Zeit von ihm ab.

Ansprache

Was wäre eigentlich aus der Welt geworden, wenn Jesus auf die Vorschläge des Teufels eingegangen wäre? Ich finde nämlich, dass die gar nicht so dumm sind. 

 

Stellen wir uns doch einmal vor, Steine würden wirklich in Brot verwandelt: Der Hunger auf der Welt hätte ein Ende, die Menschen in der Ukraine stünden nicht vor leeren Regalen, die verschiedensten Formen unwürdiger Sozialhilfen wären überflüssig. Kurz: Die Menschen könnten in Würde leben, denn wer nicht mehr zu hungern braucht, dem wäre eine der größten Sorgen des Lebens genommen. 

 

Was wäre, wenn wir in einem Blick die ganze Welt anschauen könnten? Wir könnten viel eher Zusammenhänge erkennen, begreifen, dass wirklich alles mit allem verwoben ist. Und wenn Jesus auf dem Herrscherthron sitzen würde,, dann wären alle Putin's, Erdogan's oder Kim Jong’s  obsolet. Mit Jesus als Weltenherrscher könnten alle Menschen frei und ohne Angst leben und wir Menschen könnten die Welt entdecken mit all ihren göttlichen Geschenken. Wie wohl wäre mir dabei. 

 

Und schlussendlich: Wenn Jesus dem Teufel sein Vertrauen in die Hoheit Gottes hätte vermitteln können: Was könnte besseres geschehen als dass das Böse vom Guten überzeugt wird? 

 

Die Frage ist wirklich berechtigt: Warum erfüllt Jesus seinem Gegenüber die Wünsche eigentlich nicht? Damit wären doch die Wesentlichen Probleme der Welt gelöst. 

 

Kurze Antwort: Weil Jesus sehr schnell erkennt, dass den Teufel die Hungernden einen Dreck interessieren, dass ihm im Letzten Wurscht ist, wer auf welchem Thron sitzt und weil Jesus spürt, dass sein Gegenüber mit Gottvertrauen nichts am Hut hat. 

 

Das Gespräch ist von Anfang an von Unehrlichkeit geprägt. Der eine stellt die Bedingungen, und der andere soll liefern. Jesus hätte liefern können, aber er verweigert sich. 

 

Weil er nämlich sehr schnell erkennt, dass den Teufel die Hungernden einen Dreck interessieren, dass ihm im Letzten Wurscht ist, wer auf welchem Thron sitzt und er spürt, dass sein Gegenüber mit Gottvertrauen nichts am Hut hat. 

 

Ich habe mich gefragt, woran Jesus so schnell die Verlogenheit des Gegenübers erkannt hat. Und eigentlich habe ich nur eine Antwort für mich gefunden: An seiner Fratze. Seine Haltung, sein Gesichtsausdruck, seine Augen, die Art und Weise, wie er gesprochen hat, muss den Teufel verraten haben in seinen unlauteren Absichten. Und ein weiteres verräterisches Indiz ist seine Frechheit und Unverfrorenheit, Jesus Bedingungen zu stellen. Wer Bedingungen stellt, um zu erzielen, dass es anderen besser geht, der zeigt offensichtlich, dass es ihm nicht um die besseren Lebensverhältnisse geht, sondern darum, ein Herrschaftsprinzip klarzustellen: ‚Ich stelle die Bedingung und du folgst‘. 

 

Dem Teufel geht es nur um sich selbst. Mögen die von ihm ausgesprochenen Erwartungen noch so edel sein, im Letzten geht es ihm nur darum, Jesus zu überrumpeln und sich selbst als unverzichtbaren Alleinherrscher hinzustellen. 

Irgendwie erinnert mich das an den Gewaltherrscher in Russland. Es geht ihm nicht um bessere Lebensbedingungen für die Menschen in der Ukraine, es geht ihm nicht darum die Menschen zu befreien, wie er behauptet; es geht ihm einzig darum seinen Herrschaftsanspruch auszuweiten. Putin ist für mich das heute das menschliche Gesicht des Teufels. Unter dem Vorwand, der Welt und den Menschen Gutes zu tun, sie zu befreien, versklavt er sie und führt sie in eine Diktatur, in der er alleine der Herrscher ist. 

 

Was hat das alles mit uns zu tun? Sehr viel, finde ich. In den letzten Tagen habe ich viele Gespräche geführt mit Menschen, die die Citykirche besucht haben, aber auch privat und zuhause. Vielen älteren Menschen kamen Bilder aus eigenen Kriegserfahrungen in den Sinn. „Das, was wir da heute im Fernsehen sehen, das haben wir auch am eigenen Leib erfahren müssen.“ Und in dem, was mir dort anvertraut wurde, war sehr viel Traurigkeit und Hilflosigkeit zu spüren. Ein Gesicht sagt so viel mehr als Worte. Bange Augen, ein zitternder Mund und Tränen die die Wangen runterfließen. Die Frage, die dann zumeist auf dem Fuß folgte, war hörbar, bevor sie ausgesprochen wurden: „Haben die Menschen denn nichts gelernt?“

 

Ich bin sehr dankbar, dass mir die Gräueltaten des Zweiten Weltkrieges erspart geblieben sind. Aber mir geht es doch ähnlich: Warum sind wir so lernresistent, wenn es um die Fragen von Macht und Einfluss geht? Warum stimmen unsere Worte so selten überein, was wir mit unserem Körper ohne Worte sagen? Wie oft sagen wir „Frieden“ und haben gleichgültige Augen dabei? Sagen Freiheit und verschränken die Arme, weil wir nur die eigene Freiheit meinen. 

 

Jesus konnte sich widersetzen damals in der Wüste, weil er offenen Auges und offenen Herzens dem Widersacher begegnet ist. Worte allein können trügerisch sein. Es braucht eine wache und ungeschönte Sensibilität im Blick auf das Ganze. Jesu Wachsamkeit hat erkannt, dass die Worte des Teufels und sein Wesen nicht übereinstimmten. Was es heute braucht: Mehr Achtsamkeit und Gespür, um zu erkennen, was wahr ist und was trügerisch. Es braucht auch Zeit, die wir uns nehmen sollten, um zu erkennen, ob das, was unseren Mund verlässt auch aus unserem Herzen kommt.