Ansprache von Christoph Simonsen zum 16. Sonntag im Jahreskreis C

16. Sonntag im Jahreskreis C - 2019

Datum:
So. 21. Juli 2019
Von:
Ursula Fabry-Roelofsen

Evangelium Lk 10,38-42

In jener Zeit kam Jesus in ein Dorf. Eine Frau namens Marta nahm ihn gastlich auf. Sie hatte eine Schwester, die Maria hieß. Maria setzte sich dem Herrn zu Füßen und hörte seinen Worten zu. Marta aber war ganz davon in Anspruch genommen zu dienen. Sie kam zu ihm und sagte: Herr, kümmert es dich nicht, dass meine Schwester die Arbeit mir allein überlässt? Sag ihr doch, sie soll mir helfen! Der Herr antwortete: Marta, Marta, du machst dir viele Sorgen und Mühen. Aber nur eines ist notwendig. Maria hat den guten Teil gewählt, der wird ihr nicht genommen werden.

 

Ansprache

Ich finde das nicht fair, wie Jesus in dem eben gehörten Text Maria und Martha gegeneinander ausspielt. Hat nicht der Heilige Benedikt schon erkannt: ora et labora; beten und arbeiten. Beides ist uns Christinnen und Christen doch Auftrag.

Zurzeit herrscht in unserer Kirche auch hehre Aufregung. Man kann fast schon von einem Synodenmarathon in der kath. Kirche sprechen. Der Kirche laufen die Leute weg. Es ist nicht mehr zu übersehen, dass die Menschen die Schnauze voll haben davon, für dumme Schafe gehalten zu werden. So lange haben sie die Füße still gehalten; die Skandale von Missbrauch und Machtstreben hat das Fass zum Überlaufen gebracht. Und was tut die Kirche? Sie ruft zum Dialog auf. Ist das jetzt Ausdruck von Einsicht und Mut oder doch nur ein Aufflackern inflationärer Hilflosigkeit? 

 

Synodaler Prozess in unserem Bistum; synodaler Prozess auch auf bundesdeutscher Ebene, initiiert von den deutschen Bischöfen gemeinsam mit dem Zentralrat der Katholiken; Amazonassynode in Rom angesichts pastoraler Hilflosigkeit in Lateinamerika und dann auch noch angekündigt von Papst Franziskus eine Mittelmeersynode zum Ende diesen Jahres, die die weltweite Fluchtbewegung so vieler Menschen und die Hartherzigkeit einiger Verantwortlichen in Politik und Gesellschaft analysieren möchte. 

Synoden zeichnen sich unter anderem aus durch zwei Wesenheiten: Es geschieht etwas gemeinsam und irgendwie ist allen klar, dass der bestehende Ist-Zustand notwendig hinterfragt werden muss. 

Zweifelsohne ist es zu begrüßen, dass die Kirche vor Ort, wie auch die weltweit vernetzte Kirche gesellschaftspolitisch Einfluss zu nehmen versucht auf die schleichende Unmenschlichkeit, die sich all überall breit macht. Menschen in Not, ja in Todesnot Hilfe zu verweigern ist nicht nur moralisch eine Schande; darüber hinaus ist auch politisch zu klären, ob diese Art der unterlassenen Hilfeleistung ein Straftatbestand ist. Dass die Kirchen hier ihren Einfluss geltend machen und deutliche – nicht nur symbolische – Signale setzen, wie z.B. wir in der Citykirche Mönchengladbach durch eine erfreuliche Zusammenarbeit mit Amnesty International – ist begrüßenswert und benötigt jegliche Unterstützung. Aber ist das genug? In diesen Tagen, wo an vielen Orten der Christopher Street Day begangen wird in Erinnerung an den polizeilichen Überfall in New York in einer Schwulen Kneipe, wo wahllos Menschen zusammengeschlagen wurden mit höchster polizeilicher Genehmigung, da muss doch erinnert werden daran, dass in 70 Staaten Homosexualität bestraft wird mit Gefängnis, in 12 Ländern sogar bis heute mit der Todesstrafe. Und selbst in einem unserer direkten Nachbarländer – in Polen – hat die Kirche aufgerufen, sich zu wehren gegen den – wie sie es nennen – Genderismus und sie tut nichts, wenn jüngst in einer kleinen Stadt wie Bialytostok vermeintlich gottesfürchtige Männer und Frauen im Namen Gottes Queer-Menschen verprügeln. Wenn die kath. Kirche auf die Einhaltung der Menschenrechte pocht, genügt es da, mit blumigen Worten daran zu erinnern, dass Queer Menschen mit Achtung zu begegnen ist, gleichzeitig aber das konkrete Leben dieser Menschen mit Missachtung gestraft wird? Wenn auch in Europa Rechte und Pflichten queerer Menschen gesetzlich festgeschrieben sind, so ist es leider doch ein Faktum, dass sie aufgrund kirchlicher Stigmatisierung nicht selten in seelische Nöte gedrängt und ihnen Schuld-, Scham- und Minderwertigkeitsgefühle aufgenötigt werden.

 

Und wie sieht das aus bei den innerkirchlich anberaumten Synoden. Hier braucht es noch dringlicher einen großen Schub an Unterstützung, dass nicht am Ende herauskommt: „Gut, dass wir mal über alles offen geredet haben“. Mit minimalen strukturellen Veränderungen ist es nicht getan. Eine Hauptabteilungsleiterin zum Beispiel in einer bischöflichen Behörde kann nicht überzeugen, Frauen an der Gestaltung der Kirche genügend beteiligt zu haben. Ob es nun die Professoren der theologischen Fakultät in Münster, Seewald und Wolf sind, oder andere: eine fundierte Theologie kann und darf von Lehr- und Hirtenamt nicht überhört werden. Traditionen sind nicht das non plus ultra des Glaubens, um unweigerlich eine starre Dogmatik nach sich zu ziehen. Glaube ist etwas Lebendiges, der sich nicht in einer beruhigenden Spiritualität erschöpft; Glaube – christlicher Glaube – möchte Leben, Welt, Schöpfung durchdringen durch Menschen, die Verantwortung zu übernehmen bereit sind, um heute Gott spürbar werden zu lassen. Türen zu öffnen, dazu sind wir berufen, nicht sie verschlossen zu halten, um den Mief der Vergangenheit zu bewahren. 

Auch wenn das Evangelium heute eine andere Intention nahe legt und Maria als Vorbild hinstellt, die Jesus zu Füßen liegt und ihm zuhört; jetzt ist, davon bin ich überzeugt, die Eigenschaft Martas dringend vonnöten, die aktiv ist, die in Bewegung ist, die kreativ ist, die schlicht arbeitet, um anderen ein gutes Leben zu ermöglichen, denn was ist zu kochen anderes. Alles zu seiner Zeit, gewiss. Hören, hinhören, wie Maria es uns vorlebt, ist sicherlich eine wesentliche Eigenschaft in einem synodalen Prozess. Aber das Handeln muss eine unabdingbare Folge sein. Und zwar ein radikales, umwälzendes Handeln. Die vielen Mahnungen derer, die am liebsten wieder in die Zeit zurück kriechen wollen, wo die Welt scheinbar doch so in Ordnung war und die Kirche unantastbar, die vor dem sogenannten Zeitgeist warnen, die haben, das behaupte ich jetzt einfach einmal, nichts anderes im Sinn, als ihre Stellung zu festigen.

„Habt Mut“, ist ein biblischer Aufruf. Ob die innerkirchlichen synodalen Prozesse, wirklich von einem mutigen Handeln durchzogen werden, das liegt auch an uns. Mein Kollege Burkhard Hose aus Würzburg hat letztens ein Buch veröffentlicht mit dem Titel: „Seid laut“. Ich bin mir sicher, er fordert uns damit heraus, nicht abwartend, resignierend oder frustriert sogar die Hände in den Schoß zu legen, sondern uns einzubringen. 

Heute ist das Bessere, Jesus möge mir verzeihen, sich in die Küche des Glaubens zu begeben und die Kochtöpfe gehörig durchzurühren und den Teig mit aller Kraft zu kneten, damit endlich ein neuer Geschmack die Abgestandenheit unserer Kirche ablöst und nicht irgendwann das Verfallsdatum dazu führt, dass der ganze Verein nicht nur geschmacklos wird sondern auch zu Durchfall und Erbrechen führt. 

„Wenn nicht jetzt, wann dann? Wenn nicht hier, sag mir wo und wann“, so heißt es in einem neuen geistlichen Lied, das eigentlich gar nicht so neu ist aber aktueller denn je. 

Christoph Simonsen