Ansprache von Christoph Simonsen zum 16. Sonntag im Jahreskreis (B)

Datum:
So. 21. Juli 2024
Von:
Ursula Fabry-Roelofsen

Evangelium nach Markus (Mk 6,30-34)

Die Apostel versammelten sich wieder bei Jesus und berichteten ihm alles, was sie getan und gelehrt hatten. Da sagte er zu ihnen: Kommt mit an einen einsamen Ort, wo wir allein sind, und ruht ein wenig aus! Denn sie fanden nicht einmal Zeit zum Essen, so zahlreich waren die Leute, die kamen und gingen. Sie fuhren also mit dem Boot in eine einsame Gegend, um allein zu sein. Aber man sah sie abfahren und viele erfuhren davon; sie liefen zu Fuß aus allen Städten dorthin und kamen noch vor ihnen an. Als er ausstieg, sah er die vielen Menschen und hatte Mitleid mit ihnen; denn sie waren wie Schafe, die keinen Hirten haben. Und er lehrte sie lange.

 

Ansprache:

Manchmal mache ich mir den Spaß: Ich geh den Fußweg entlang in der Stadt und beobachte die Menschen, die mir entgegenkommen. Ganz viele schauen gespannt auf ihr Handy. Es belustigt mich dann immer ein wenig, wenn sie mich erst im letzten Augenblick bemerken und schreckhaft versuchen, mir auszuweichen. Ich kann dann innerlich nicht meine Schadenfreude verhehlen darüber, wie irritiert die anderen sind, weil sie plötzlich wahrnehmen, nicht alleine auf der Welt zu sein. Mein Handy und ich: was braucht es sonst noch.

 

Nun muss ich zugeben, ich könnte ohne mein Smartphone auch nicht mehr leben; ich benutze es oft und bei den unterschiedlichsten Gelegenheiten. Ich suche mir wichtige Informationen, ich chatte mit lieben Menschen, natürlich fotografiere ich auch gern mit dem Smartphone. Alle meine Gedanken, die ich festhalte, sind darin gespeichert. Aber es ist kein Ersatz für einen realen Austausch mit anderen Menschen.

 

Ich bedaure, dass seit der Corona Zeit zu viele Begegnungen nur noch digital stattfinden; eine Zoomkonferenz ist für mich kein Ersatz für einen reale Begegnung. Es mag für die Initiatoren – auch in unserem Bistum - einfacher, und vor allem kostensparender sein, Konferenzen via Zoom anzubieten, aber es geht etwas Wichtiges verloren: Der direkte Blick in die Augen des anderen; das Wahrnehmen der Mimik der anderen. In einer digitalen Konferenz sollten die Informationen am besten knapp und gebündelt vorgetragen werden; ein Reden ins Unreine, ein Suchen und Ringen ist schwierig. Und was das Wichtigste ist: Es fehlt das Direkte, das Spontane, so dass im Gespräch auch etwas wachsen kann.

 

Mir scheint, dass es in unserem Miteinander, mag es auf der privaten oder auch auf der arbeitsmäßigen Ebene sein, immer mehr darauf ankommt, den Schwerpunkt auf den Austausch von Informationen zu konzentrieren. Um es etwas salopp zu sagen: wir Menschen entwickeln uns immer mehr zu wandelnden Informationsträgern und -trägerinnen; und dabei fällt eine Frage unter den Teppich, die zwar verbal oft gestellt wird, aber selten wirklich ernst als eine Frage aus wirklichem Interesse gemeint ist: „Wie geht es dir?“

 

In der heutigen Begegnung zwischen Jesus und den Jünger*innen wird es offenbar wie sonst kaum: Glaube wird lebendig in der realen Begegnung. Er bedarf der Bereicherung durch direkten Kontakt und Austausch und auch durch die Bereitschaft zur Selbstreflexion. Wir müssen heute mehr denn je erkennen, wie kalt und lieblos ein Glaube wird, der sich auf einen nackten Informationsaustausch von vermeintlichen Wahrheiten beschränkt. Letztens meinte ein deutscher Bischof, der Glaube würde immer mehr schwinden in unserer Gesellschaft, weil die Kirche ihn zu wenig erklären würde. Da ist dieser lähmende Pferdefuß wieder, denn Glaube will nicht erklärt werden, sondern er möchte sich im Austausch, in der Begegnung finden lassen.

 

Kirche ist ein Ort, auszuruhen, ganz sicher, Kirche ist ein Ort des Gebetes, auch das ist keine Frage. Aber ebenso ist Kirche ein Ort der Auseinandersetzung. Und Auseinandersetzung geht nicht digital, geht nicht verordnet. Auseinandersetzung gelingt nur, wenn Menschen sich aus Interesse und mit einer guten Portion Zeit zusammentun und das gemeinsame Gespräch suchen.

 

Es braucht Orte und Gelegenheiten, wo Glaube und Leben, wo Gott und Welt einander berühren und einander bereichern. Erneuerung, Verlebendigung des Glaubens braucht Begegnung. Glaube wird lebendig im Gegenüber, im Blick aufeinander und im Interesse und der Bereitschaft, voneinander lernen zu können.

 

Die beiden Evangelien vom vergangenen Sonntag und von heute ergänzen sich auf sehr schöne Weise. Am letzten Sonntag hörten wir davon, wie Jesus seine Freunde aussendet in die Fremde. Er gab ihnen mit auf den Weg: ‚Geht! Schenkt die Erfahrungen Eures Lebens den Menschen. Habt keine Scheu. Traut euch unvertraute Wege in die Fremde. Ihr habt so viel gelernt von mir und voneinander; ihr habt so viel Lebendigkeit erfahren mit mir und miteinander. Ihr könnt mit ganz viel Kraft und Phantasie allen und allem begegnen, mag es noch so fremd und unvertraut sein.

 

Und dann heute die Einladung, auszuruhen. Sich Zeit nehmen, das Gehörte und Erfahrene sacken zu lassen, wie man so schön sagt; die Erfahrungen der anderen Menschen, denen man begegnet ist, mit den eigenen Lebens- und Glaubenserfahrungen zu verknüpfen. So kann Neues entstehen, Glaube wachsen, und sich, wenn nötig, auch verändern und erneuern. Denn eines ist gewiss: Leben und Glauben muss immer bedeuten: Fort-Schritt, nie Still-Stand, zu viele warten darauf, ernst genommen zu werden mit ihren Sehnsüchten und Bedürfnissen.