Ansprache von Christoph Simonsen zum 18. Sonntag im Jahreskreis C

18. Sonntag im Jahreskreis C - 2019

Datum:
So. 4. Aug. 2019
Von:
Ursula Fabry-Roelofsen

Evangelium Lk 12,13-21

In jener Zeit bat einer aus der Volksmenge Jesus: Meister, sag meinem Bruder, er soll das Erbe mit mir teilen! Er erwiderte ihm: Mensch, wer hat mich zum Richter oder Erbteiler bei euch eingesetzt? Dann sagte er zu den Leuten: Gebt Acht, hütet euch vor jeder Art von Habgier! Denn das Leben eines Menschen besteht nicht darin, dass einer im Überfluss seines Besitzes lebt. Und er erzählte ihnen folgendes Gleichnis: Auf den Feldern eines reichen Mannes stand eine gute Ernte. Da überlegte er bei sich selbst: Was soll ich tun? Ich habe keinen Platz, wo ich meine Ernte unterbringen könnte. Schließlich sagte er: So will ich es machen: Ich werde meine Scheunen abreißen und größere bauen; dort werde ich mein ganzes Getreide und meine Vorräte unterbringen. Dann werde ich zu meiner Seele sagen: Seele, nun hast du einen großen Vorrat, der für viele Jahre reicht. Ruh dich aus, iss und trink und freue dich! Da sprach Gott zu ihm: Du Narr! Noch in dieser Nacht wird man dein Leben von dir zurückfordern. Wem wird dann das gehören, was du angehäuft hast? So geht es einem, der nur für sich selbst Schätze sammelt, aber bei Gott nicht reich ist.

 

Ansprache

Ich habe Ihnen da mal was mitgebracht; und lachen Sie jetzt bitte nicht, ich hab nicht vor, Sie mit einer Kinderkatechese zu erfreuen heute. Aber an meine eigene Kindheit wurde ich die Tage mal wieder unfreiwillig erinnert, als ich in den Keller gegangen bin bei mir zuhause und in drei Umzugskartons etwas wieder entdeckt habe, was mir als Kind unabdingbar wichtig gewesen ist. Als Kind habe ich einer Sammelleidenschaft gefrönt, die sich dann im Laufe der Jahre doch etwas minimiert hat. Wann immer ich mir etwas wünschen durfte, habe ich mir ein Steiff-Tier gewünscht; ganz egal, welches, da war ich nicht wählerisch. Und da lagen sie dann alle aufeinander in den Kartons: Der Löwe namens Leo, die Giraffe, die Graffi hieß, der Boxer, der wie unser Hund zuhause natürlich ‚Bulli‘ hieß und der namenslose Pinguin eben. Irgendwann habe ich aufgehört zu sammeln und meine Wünsche gingen in andere Richtungen. Und als ich meinen ganzen Zoo da liegen sah, kam irgendwie die Idee, ich könnte doch meine gesammelten Kindheitserinnerungen bei „Bares für Rares‘ verhökern zugunsten eines guten Zwecks. Aber bei dem Gedanken war mir nicht wohl, nicht wegen des Gewinnes für einen guten Zweck; meinen lieben verstaubten Zoo wegzugeben, das bereitete mir Unbehagen. Jetzt liegen sie immer noch im Keller.

Sich von lieb gewonnener Vergangenheit zu verabschieden, fällt halt schwer. Und auch, wenn ich wohl noch nicht in der Lage bin, mich zu verabschieden von diesem wichtigen Teil meiner Kindheit, so entlastet mich doch die Tatsache, dass ich mich innerlich frei gefühlt habe, zumindest einmal darüber nachzudenken. Ja das ist schon viel wert, darüber nachzudenken, was einen im Leben trägt, was wichtig, und was weniger wichtig ist.  Zweifelsohne sind Erinnerungen wichtig im Leben, vor allem die, die einen lächeln lassen, die einen dankbar werden lassen ob der eigenen Geschichte; viel zu oft, so habe ich manchmal den Eindruck, erinnern wir uns an das Schwere, an all das, was uns belastet und Narben hinterlassen hat. Das Schöne wird viel zu oft und viel zu schnell als selbstverständlich verbucht, während das Schwere als Lebenslast in Erinnerung bleibt. 

Jesu Botschaft zielt natürlich, das ist offensichtlich, auf materielles Hab und Gut ab. Und ich denke, darüber müssen wir nicht viel nachsinnen. Zu viel Besitz liegt in wenigen Händen und viele Hände haben zu wenig zu leben. Die Welt ist in vielen Bereichen ungerecht und die Verursacher so mancher Ungerechtigkeit haben ganz konkrete Namen, die ich hier gar nicht zu nennen brauche. Aber Jesu heutige Botschaft ist nicht in erster Linie als Sozialkritik zu verstehen. 

Seine Intention, wie ich ihn verstehe, ist eine andere. Er möchte, wie eben den reichen Gutsbesitzer, den einzelnen Menschen sich selbst näher bringen. Wohltätig kann ich sein, und trotzdem ein egoistischer Schmierlappen bleiben. Nicht wenige Superreiche waschen ihre Hände in Unschuld mit spendablen Gaben und dünken sich eines reinen Gewissens. Ja, Jesus möchte wohl heute einzelnen Menschen ein schlechtes Gewissen bereiten, indem er ihnen vor Augen führt, was zuletzt bleibt. Nämlich nichts, was man in Händen halten könnte. Wohl aber anderes bleibt bis zum letzten Atemzug: Erinnerungen. 

Jesu Wunsch ist es, dass wir mit einer inneren Freiheit hinübergehen, und die erlange ich nur, wenn ich im Blick zurück auf mein Leben so etwas wie Gelassenheit und Dankbarkeit in mir verspüre. Ich glaube, dass uns Menschen – wie immer zwischendurch auch mal im Alltag-, im letzten Lebensmoment ganz viele Erinnerungen nahe kommen. Wenn diese uns ein Lächeln aufs Gesicht legen, uns „Danke“ sagen lassen können im Blick auf das eigene Leben, dann ist zu gehen, wohl leichter als mit Schwerem, was uns auf der Seele liegt. 

So hart die Worte Jesu auch klingen, die wir heute hören, sie möchten guttun, zum Leben ermutigen; sie möchten behilflich sein, die mich im Innern reichmachenden Lebensgeschenke in guter Erinnerung zu behalten und mir die Freiheit geben, den Reichtum, der ausschließlich meinem Ego dienlich ist, als Ballast abzuwerfen.

Darüber mal wieder nachzudenken, dazu haben mich meine Stofftiere verleitet; und definitiv gehören sie zu den Erinnerungen, die mir ein Lächeln aufs Gesicht zaubern. Ich glaube, ich werde sie nicht bei ‚Bares für Rares‘ zum Verkauf anbieten; Gutsein, solidarisch sein, dazu braucht es nicht das Geld aus diesem Erlös. Ich bin mir aber sicher, dass ich jetzt, wo ich einmal angefangen habe, darüber nachzudenken, was mich gut schlafen – auch gut sterben lässt –, sehr bald anderes in den Sinn kommt, wovon ich mich durchaus trennen könnte.

 

 

Christoph Simonsen