Evangelium nach Johannes (6,24-35)
Als die Leute sahen, dass weder Jesus noch seine Jünger dort waren, stiegen sie in die Boote, fuhren nach Kafarnaum und suchten Jesus. Als sie ihn am anderen Ufer des Sees fanden, fragten sie ihn: Rabbi, wann bist du hierhergekommen? Jesus antwortete ihnen: Amen, amen, ich sage euch: Ihr sucht mich nicht, weil ihr Zeichen gesehen habt, sondern weil ihr von den Broten gegessen habt und satt geworden seid. Müht euch nicht ab für die Speise, die verdirbt, sondern für die Speise, die für das ewige Leben bleibt und die der Menschensohn euch geben wird! Denn ihn hat Gott, der Vater, mit seinem Siegel beglaubigt. Da fragten sie ihn: Was müssen wir tun, um die Werke Gottes zu vollbringen? Jesus antwortete ihnen: Das ist das Werk Gottes, dass ihr an den glaubt, den er gesandt hat. Sie sagten zu ihm: Welches Zeichen tust du denn, damit wir es sehen und dir glauben? Was für ein Werk tust du? Unsere Väter haben das Manna in der Wüste gegessen, wie es in der Schrift heißt: Brot vom Himmel gab er ihnen zu essen. Jesus sagte zu ihnen: Amen, amen, ich sage euch: Nicht Mose hat euch das Brot vom Himmel gegeben, sondern mein Vater gibt euch das wahre Brot vom Himmel. Denn das Brot, das Gott gibt, kommt vom Himmel herab und gibt der Welt das Leben. Da baten sie ihn: Herr, gib uns immer dieses Brot! Jesus antwortete ihnen: Ich bin das Brot des Lebens; wer zu mir kommt, wird nie mehr hungern, und wer an mich glaubt, wird nie mehr Durst haben.
Ansprache zum 18. Sonntag im Jahreskreis B - 2024
Es geht doch nichts über ein gemütliches Frühstück am Sonntagmorgen, oder? Man hat viel mehr Zeit, den Kaffee oder den Tee zu genießen. Alles um einen herum ist entspannter und weniger hektisch. Es bleibt Zeit, sich zu unterhalten, zu schauen, wie man den Tag gemeinsam gestalten könnte.
Ganz anders, als in der Woche, oder? Der Kaffee oder der Tee ist dann weniger ein Getränk zum Genießen als vielmehr ein Muntermacher, um möglichst rasch wach zu werden und anstatt des frischen Brötchens, das man frohgemut sonntags beim Bäcker holt, schmiert man sich schnell und unachtsam ein Brot, damit der Magen nicht mehr so grummelt.
So kann die Zeit des Frühstücks entweder eine Zeit gelingenden Lebens sein oder eben zur lieblosen Nahrungsaufnahme verkommen. Mal genießen wir und das andere Mal schlucken wir nur herunter.
Und jetzt stelle ich die unverschämte Frage: Schlucken wir manchmal nicht auch Gott einfach so runter? Schmecken wir Gott eigentlich noch wirklich? Nehmen wir ihn bewusst als Lebensnahrung für uns wahr?
Was glauben wir eigentlich, wenn wir - wie gleich auch wieder - das Brot in die Hand nehmen, von dem es heißt, es sei das Brot des Lebens? Was heißt das, dass Gott gegenwärtig ist in dieser kleinen symbolischen Scheibe Brot und wieso soll darin eine Kraft liegen, die so stark ist, dass wir davon erfüllt leben können? Was schmecken wir eigentlich, was fühlen wir, wenn wir dieses Brot des Lebens herunterschlucken?
Sind das blöde Fragen, überflüssige Fragen, sind es vielleicht zu intime, persönliche Fragen? Schmeckt Gott süß oder doch bitter? Ist Gott eher ein Grundnahrungsmittel oder ein Dessert?
Sich solchen grundsätzlichen Fragen zu stellen, finde ich anstrengend. Solche Fragen halten auf und nicht selten verunsichern sie auch und bringen das alltägliche Geschehen des Lebens gehörig durcheinander.
Die Menschen, denen Jesus im heutigen Evangelium begegnet, stellen auch Fragen. Über ihre Absichten mag man zweifeln, ob sie wohlwollend gemeint sind oder doch nur hinterhältig. Aber dass sie diese Fragen stellen und nicht einfach alles an sich und über sich ergehen lassen, sehe ich zunächst einmal positiv. "Wann bist du hierhergekommen? Welches Zeichen tust du?".
Ja, es ist so: Jesus wirft Fragen auf. Die Art und Weise wie er lebt, wie er redet, wie er vor allem von Gott redet. Das übersteigt den Horizont vieler. Wer kann das auch in aller Tiefe verstehen, wenn er sagt: "ich bin das Brot des Lebens, wer zu mir kommt, wird nie mehr hungern."?
Ich erinnere mich einer analytischen Aussage Freuds, dass die Psyche des Menschen niemals zufrieden zu stellen sei. Wir Menschen sind so etwas wie eine Raupe „Nimmersatt“. Der Glaube an Gott ist eine menschliche Überforderung und muss jedem denkenden Menschen eine Herausforderung sein. Jedes Mal, wenn ich dieses Brot des Lebens in der Hand halte, spüre ich diese Herausforderung, darüber nachzusinnen, was Leben für mich ist.
Alles im Leben dreht sich doch um Brot. Zwei Drittel der Menschheit hungert, weil es ihnen am Brot fehlt. Das heißt doch, es ist zu wenig Brotsubstanz in der Welt. Wenn ich das im Blick habe, dann wird mir ein wenig klarer, weshalb Jesus das Symbol des Brotes gewählt hat, um mir und uns zu zeigen, dass er sich und sein Leben an diese Welt verschenken möchte. Brot ist etwas Ungeheures. Es verweist auf die tiefste unerfüllte Sehnsucht des Menschen, auf seinen Hunger nämlich. Brot aus sich heraus allein ist schon heilig. Jedes Mal, wenn ich hier dieses Brot in der Hand halte und sehe, wie auch sie dieses Brot ehrfürchtig in der Handfläche aufbewahren, wird mir dies offenbar, dass wir alle hungrig sind nach einer letzten Hoffnung, die über alle Hindernisse des Lebens hinweg trägt
Vielleicht geht diese Wahrnehmung manchmal verloren. Vielleicht wird - wie so vieles in unserem Leben - dieses Zeichen des gemeinsamen Mahles zu sehr zur Routine. Vielleicht schlucken wir Gott, wie anfangs behauptet, wirklich manchmal so herunter, ohne uns der Herausforderung des Glaubens bewusst zu sein.
Dieses Gottesgeschenk des Brotes ist für mich jedes Mal aufs Neue eine Überforderung. Und genau das ist die darin sich offenbarende Herausforderung: Das Brot, das ich in der Hand halte und dann esse, ist ein Gottesgeschenk. Dieser Gedanke fordert mich heraus, hinter die vordergründigen Wahrheiten des Lebens schauen zu wollen, und die überragende Wahrheit dahinter zu suchen, dass nämlich Gott das Leben für alle will. Wenn es Gottes Wunsch ist, meinen Hunger zu stillen und meine Hoffnung zu stärken; wenn es sein Wunsch ist, sich mit mir zu vereinen, dann offenbart sich in dieser den menschlichen Geist überfordernden Wahrheit die Herausforderung, genau dies auch zu versuchen, den Nächsten zu sättigen, seine Hoffnung zu stärken und die Menschen zu vereinen. Mit diesem Wunsch aus dem Gottesdienst herauszugehen in den Alltag, ist für mich die große Herausforderung, auch wenn es immer eine bedrängende Überforderung bleiben wird. Jedes Mal aufs Neue.