Ansprache von Christoph Simonsen zum 18. Sonntag im Jahreskreis - Lesejahr B

Datum:
So. 1. Aug. 2021
Von:
Ursula Fabry-Roelofsen

Evangelium nach Johannes (6,24-35)

Als die Leute sahen, dass weder Jesus noch seine Jünger dort waren, stiegen sie in die Boote, fuhren nach Kafarnaum und suchten Jesus. Als sie ihn am anderen Ufer des Sees fanden, fragten sie ihn: Rabbi, wann bist du hierhergekommen? Jesus antwortete ihnen: Amen, amen, ich sage euch: Ihr sucht mich nicht, weil ihr Zeichen gesehen habt, sondern weil ihr von den Broten gegessen habt und satt geworden seid. Müht euch nicht ab für die Speise, die verdirbt, sondern für die Speise, die für das ewige Leben bleibt und die der Menschensohn euch geben wird! Denn ihn hat Gott, der Vater, mit seinem Siegel beglaubigt. Da fragten sie ihn: Was müssen wir tun, um die Werke Gottes zu vollbringen? Jesus antwortete ihnen: Das ist das Werk Gottes, dass ihr an den glaubt, den er gesandt hat. Sie sagten zu ihm: Welches Zeichen tust du denn, damit wir es sehen und dir glauben? Was für ein Werk tust du? Unsere Väter haben das Manna in der Wüste gegessen, wie es in der Schrift heißt: Brot vom Himmel gab er ihnen zu essen. Jesus sagte zu ihnen: Amen, amen, ich sage euch: Nicht Mose hat euch das Brot vom Himmel gegeben, sondern mein Vater gibt euch das wahre Brot vom Himmel. Denn das Brot, das Gott gibt, kommt vom Himmel herab und gibt der Welt das Leben. Da baten sie ihn: Herr, gib uns immer dieses Brot! Jesus antwortete ihnen: Ich bin das Brot des Lebens; wer zu mir kommt, wird nie mehr hungern, und wer an mich glaubt, wird nie mehr Durst haben.

 

Ansprache

Wir müssen so manches schlucken in unserem Leben, was uns nicht schmeckt. Jede und jeder von uns kennt das und keinem bleibt das erspart. Das mag uns ärgern und vielleicht sogar auch wütend machen. Es gibt auch andere Runter-Schluck-Erfahrungen, wenn ich das so nennen darf. Wir schlucken unendlich viel runter und merken es nicht mal mehr, geschweige denn, dass wir es schmecken.  Morgens schlucken wir unseren Tee oder unseren Kaffee zum Beispiel runter und nehmen den Geschmack gar nicht mehr in seiner Eleganz wahr. Das Zeug soll uns wach und fit machen, Geschmack ist nebensächlich. 

 

Und jetzt stelle ich die unverschämte Frage: Schlucken wir auch Gott einfach so runter wie selbstverständlich? Er ist da, er gehört dazu, er wird von Generation zu Generation tradiert. Das ist ok, denn er ist ja ein ähnlicher Kraftspender und Fithalter, wie eben der Tee oder der Kaffee, eben nur nicht im physischen Sinn, sondern im geistigen. Aber schmecken wir Gott eigentlich noch wirklich? Nehmen wir ihn bewusst als Lebensnahrung für uns wahr?

 

Was glauben wir eigentlich, wenn wir - wie gleich auch wieder - die Schale mit Brot einander reichen und das Brot in die Hand nehmen, von dem es heißt, es sei das Brot des Lebens? Was heißt das, dass Gott gegenwärtig ist in dieser kleinen symbolischen Scheibe Brot und wieso soll darin eine Kraft liegen, die so stark ist, dass wir davon erfüllt leben können? Was schmecken wir eigentlich, was fühlen wir, wenn wir dieses Brot des Lebens herunterschlucken? Bei diesen Fragen geht es mir nicht um konfessionelle Spitzfindigkeiten, ob Gott real präsent ist in diesem Brot oder nur symbolisch. Hier geht es um die Frage, was ihr und ich glauben, wenn wir dieses Brot essen und den Wein schmecken. Was schmecken wir, wen schmecken wir? 

 

Sind das blöde Fragen, überflüssige Fragen, sind es vielleicht zu intime, persönliche Fragen? Schmeckt Gott süß oder doch bitter? Ist Gott eher ein Grundnahrungsmittel oder ein Dessert?

 

Sich solchen grundsätzlichen Fragen zu stellen, finde ich anstrengend. Solche Fragen halten oft auf und nicht selten verunsichern sie auch und bringen das alltägliche Geschehen des Lebens gehörig durcheinander. 

 

Die Menschen, denen Jesus im heutigen Evangelium begegnet, stellen auch Fragen. Über ihre Absichten mag man zweifeln, ob sie wohlwollend gemeint sind oder eher hinterhältig. Aber dass sie diese Fragen stellen und nicht einfach alles an sich und über sich ergehen lassen, sehe ich zunächst einmal positiv. "Wann bist du hierhergekommen? Welches Zeichen tust du?". Es ist so: Jesus wirft Fragen auf. Die Art und Weise wie er lebt, wie er redet, wie er vor allem von Gott redet. Das übersteigt den Horizont vieler. Wer kann das auch in aller Tiefe verstehen, wenn er sagt: "ich bin das Brot des Lebens, wer zu mir kommt, wird nie mehr hungern."? 

 

Ich erinnere mich einer analytischen Aussage Freuds, dass die Psyche des Menschen niemals zufrieden zu stellen sei.  Der Glaube an Gott ist eine menschliche Überforderung und muss jedem denkenden Menschen eine Herausforderung sein. Jedes Mal, wenn ich dieses Brot des Lebens in der Hand halte, spüre ich diese Herausforderung, darüber nachzusinnen, was Leben für mich ist. Alles im Leben dreht sich doch um Brot. Zwei Drittel der Menschheit hungert, weil es ihnen am Brot fehlt. Das heißt doch, es ist zu wenig Brotsubstanz in der Welt. Wenn ich das im Blick habe, dann wird mir ein wenig klarer, weshalb Jesus das Symbol des Brotes gewählt hat, um mir und uns zu zeigen, dass er sich und sein Leben an diese Welt verschenken möchte. Brot ist etwas Ungeheures. Es verweist auf die tiefste unerfüllte Sehnsucht des Menschen, auf seinen Hunger nämlich. Brot aus sich heraus allein ist schon heilig. Jedes Mal, wenn ich hier dieses Brot in der Hand halte und sehe, wie auch ihr dieses Brot ehrfürchtig in der Handfläche aufbewahrt, wird mir dies offenbar, dass wir alle hungrig sind nach einer letzten Hoffnung, die über alle Hindernisse des Lebens hinweg trägt. Und jedes Mal, wenn ich während der Kommunionfeier in die Runde schaue, wird mir wohltuend bewusst, dass wir alle den Ort gefunden haben, an dem dieser Hunger gestillt werden kann, nämlich in einer Gemeinschaft von Menschen, die es einander gut meinen.

 

Vielleicht geht diese Wahrnehmung manchmal verloren. Vielleicht wird - wie so vieles in unserem Leben - dieses Zeichen des gemeinsamen Mahles zu sehr zur Routine. Vielleicht schlucken wir Gott, wie anfangs behauptet, wirklich manchmal so herunter, ohne uns der Überforderung des Glaubens bewusst zu sein. Dieses Gottesgeschenk des Brotes ist für mich jedes Mal aufs Neue eine Überforderung. Und genau das ist die darin sich offenbarende Herausforderung: Das Brot, das ich in der Hand halte und dann esse, ist ein Gottesgeschenk. Dieser Gedanke fordert mich heraus, hinter die vordergründigen Wahrheiten des Lebens zu schauen, und die überragende Wahrheit dahinter zu suchen, dass nämlich Gott das Leben für alle will. Wenn es Gottes Wunsch ist, meinen Hunger zu stillen und meine Hoffnung zu stärken; wenn es sein Wunsch ist, sich mit mir zu vereinen, dann offenbart sich in dieser den menschlichen Geist überfordernden Wahrheit die Herausforderung, genau dies auch zu versuchen, den Nächsten zu sättigen, seine Hoffnung zu stärken und die Menschen zu vereinen. Mit diesem Wunsch aus dem Gottesdienst herauszugehen in den Alltag, ist für mich eine große Herausforderung, auch wenn es immer eine bedrängende Überforderung bleiben wird. Jedes Mal aufs Neue.

 

--  Christoph Simonsen Leiter der Citykirche Mönchengladbach Kirchplatz 14 41061 Mönchengladbach Telefon: +4921612472414 https://www.citykirche-mg.de