Ansprache von Christoph Simonsen zum 19. Sonntag im Jahreskreis B

Datum:
So. 11. Aug. 2024
Von:
Ursula Fabry-Roelofsen

Evangelium nach Johannes (6,41-51)

Da murrten die Juden gegen ihn, weil er gesagt hatte: Ich bin das Brot, das vom Himmel herabgekommen ist. Und sie sagten: Ist das nicht Jesus, der Sohn Josefs, dessen Vater und Mutter wir kennen? Wie kann er jetzt sagen: Ich bin vom Himmel herabgekommen? Jesus sagte zu ihnen: Murrt nicht! Niemand kann zu mir kommen, wenn nicht der Vater, der mich gesandt hat, ihn zieht; und ich werde ihn auferwecken am Jüngsten Tag. Bei den Propheten steht geschrieben: Und alle werden Schüler Gottes sein. Jeder, der auf den Vater hört und seine Lehre annimmt, wird zu mir kommen. Niemand hat den Vater gesehen außer dem, der von Gott ist; nur er hat den Vater gesehen. Amen, amen, ich sage euch: Wer glaubt, hat das ewige Leben. Ich bin das Brot des Lebens. Eure Väter haben in der Wüste das Manna gegessen und sind gestorben. So aber ist es mit dem Brot, das vom Himmel herabkommt: Wenn jemand davon isst, wird er nicht sterben. Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel herabgekommen ist. Wer von diesem Brot isst, wird in Ewigkeit leben. Das Brot, das ich geben werde, ist mein Fleisch für das Leben der Welt.

 

Ansprache zum 19. Sonntag im Jahreskreis B-2024

Jetzt hören wir heute an diesem Sonntag schon zum dritten Mal von der

Lebensquelle „Brot“.

 

Ein Mangel an Brot ist und bleibt ein Indiz dafür, dass unsere Welt gerechter und solidarischer werden muss. Dass Menschen hungern müssen, ist und bleibt ein Skandal, den wir womöglich nie ganz aus der Welt schaffen können. Aber wir können an diesem Unrecht zumindest mit leiden und uns immer wieder fragen, ob und was wir dem entgegensetzen können, dass Menschen das Lebensnotwendigste fehlt.

 

Am vergangenen Sonntag haben wir uns miteinander daran erinnert: Gott schenkt sich als Brot, er möchte unserem Leben Kraft einverleiben, damit wir eben stark bzw. stärker werden, uns der Sorgen und Nöte der Menschen annehmen zu können. Unsere Feier hier dient schließlich nicht unserem eigenen Seelenheil; vielmehr möchte sie Kraftquelle sein, auf dass wir uns unserer Verantwortung bewusst bleiben, die Welt gerechter zu machen und dem Hunger so vieler etwas entgegensetzen.

 

Heute nun hören wir im Evangelium, dass Jesus von sich sagt, er sei das lebendige Brot, das in Ewigkeit leben ließe. Wieder ist also vom Brot die Rede; und wieder geht es um’s überleben, dieses Mal allerdings weniger im sprichwörtlichen als im übertragenen Sinn.

 

Überleben alleine ist kein Leben. Leben ist dann lebenswert, wenn ich für mich die Frage des „Warum“ in einem guten Sinn zu beantworten vermag. „Warum lebe ich?“ Ich lebe nicht, um satt zu werden. Vielmehr suche ich doch Sättigung, damit ich frei und selbstbestimmt dem Sinn meines Lebens auf die Spur kommen kann.

 

Jesus spricht dann im heutigen Evangelium von etwas, was mich, und ich denke auch Sie und Euch mit vielen Fragen zurücklässt. Jesus spricht von Ewigkeit.

 

„Ewigkeit“: Was verbirgt sich hinter diesem Wort? Beschreibt es eine Zeit, oder einen Ort? Auf jeden Fall weckt es Phantasien, davon bin ich überzeugt. Es weckt auch Erwartungen und Hoffnungen. „Ewigkeit“ ist ein Hoffnungswort. Es umschreibt die Hoffnung, nicht vergessen zu werden. Denn eine große Angst durchzieht das Leben des Menschen: „Wer denkt an mich, wer liebt mich, wenn ich nicht mehr bin?“ Ich bin mir fast sicher, dass diese Angst, so etwas wie eine Urangst in unserem Dasein ist: „Für wen bin ich noch, wenn ich nicht mehr bin?“

 

Am kommenden Dienstag darf ich einen Menschen auf dem Hauptfriedhof auf seinem letzten Weg begleiten. Seine sterblichen Überreste werden nicht in ein Grab gelegt, sondern verstreut auf einer Wiese. Es wird keinen Gedenkort geben und es wird wohl auch keinen Festtag geben, an dem Blumen an den Verstorbenen erinnern werden. Aber dieser Mensch ist nicht vergessen, er ist und er bleibt geliebt in seiner Einzigartigkeit, von seinen Kindern, Enkeln und Urenkeln – und von Gott. Liebe braucht keinen Ort und keine Zeit.

 

Der menschlichen Urangst, in ein unwiderrufliches Vergessen zu fallen, stellt Jesus das Hoffnungswort „Ewigkeit“ gegenüber.

 

Wenn Jesus von „Ewigkeit“ spricht, dann spricht er nicht von einem Ort oder einer Zeit. Er spricht von einer Lebensquelle, aus der heraus ich heute leben darf und von der ich glauben darf, dass sie nie versiegen wird. Und diese Quelle heißt: „Du bist geliebt. Bedingungslos geliebt, zeitlos geliebt.“

 

Die Frage, die wir aus uns alleine nicht beantworten können, wird beantwortet von denen, die uns lieben. „Wer bin ich, wenn ich nicht mehr bin?“ „Ich bin geliebt“. Diese Antwort kann uns alle Angst vor den Überforderungen des Lebens nehmen und uns innerlich befreien - in aller Begrenztheit natürlich – uns mit ganzer Kraft einzubringen als Brot für die Welt.