2. Sonntag im Jahreskreis A
Evangelium Joh 1, 29-34
Am Tag darauf sah Johannes der Täufer Jesus auf sich zukommen und sagte: Seht, das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt!30 Er ist es, von dem ich gesagt habe: Nach mir kommt ein Mann, der mir voraus ist, weil er vor mir war.31 Auch ich kannte ihn nicht; aber ich bin gekommen und taufe mit Wasser, damit er Israel offenbart wird.32 Und Johannes bezeugte: Ich sah, dass der Geist vom Himmel herabkam wie eine Taube und auf ihm blieb.33 Auch ich kannte ihn nicht; aber er, der mich gesandt hat, mit Wasser zu taufen, er hat mir gesagt: Auf wen du den Geist herabkommen und auf ihm bleiben siehst, der ist es, der mit dem Heiligen Geist tauft.34 Und ich habe es gesehen und bezeugt: Dieser ist der Sohn Gottes.
Ansprache:
Sünde muss irgendwie etwas mit Geistlosigkeit zu tun haben. Schließlich tat sich über den, der die Sünde der ganzen Welt wegnehmen sollte, der Himmel auf. Und Geist fiel auf ihn herab. Geist scheint also die Grundlage dafür, der Weltsünde habbar werden zu können. Davon jedenfalls ist Johannes überzeugt.
Es tut uns, euch nicht weniger wie mir, also vielleicht mal gut, uns mit der Frage zu konfrontieren, wie viel Geistlosigkeit in uns steckt und wie viel Sünde also wir, ihr und ich, in die Welt hineinwerfen. Sünde scheint mehr zu sein als ein individuelles Vergehen. Eine Sünde, so verstehe ich den Evangelisten, eine Sünde beschmutzt das Ganze, reißt eine Wunde in die Welt. In der Folge dieser Überzeugung ist jedem einzelnen Menschen eine Verantwortung für das Ganze auferlegt. Du, ich, wir sind verantwortlich für diese Welt. Unsere Geistlosigkeit, unsere Gedankenlosigkeit, unsere Gefühlsarmut auch verletzt, was Gott gehört und was uns von ihm überantwortet ist. Die Konsequenz eines sündigen Verhaltens mag für das Subjekt, für euch und mich, ein schlechtes Gewissen nach sich ziehen, das weht tut im Herzen; aber dieser Schmerz steht in keinem Verhältnis zu dem Schmerz, der der Welt, dem Geschenk Gottes an uns, zugefügt wird. Gott kann unsere Begrenztheit gut aushalten, sein Band der Freundschaft ist immer stärker als unsere ganze Brüchigkeit. Aber woran Gott leidet ist die Tatsache, dass wir durch unser Verhalten der Schöpfung, den Menschen, den Tieren, den Pflanzen, Leid zufügen. Im Blick auf unsere Schuld steht nicht unser privates Seelenheil zur Disposition, sondern die Idee Gottes, die sich im Geschenk seiner Schöpfung offenbart.
Die allererste Frage, wenn es um schuldhaftes Verhalten geht, ist nicht, ob ich was Böses getan habe und wie ich wieder heil werde. In einer viel größeren Dimension geht es um das Ganze, um die Welt, um das Geschenk Gottes an uns. Es geht um die Erkenntnis, dass durch mich, durch unser Verhalten die Welt Anlass zum Weinen bekommt, weil ihr wehgetan wird.
Die Ethik Gottes will uns einbinden in die Verantwortung für das Ganze, für seine Schöpfung und uns erinnern, mahnen auch, gewiss einladen und ermutigen, seine Schöpfung, sein Alles zu wahren, zu hüten. Die göttliche Ethik ist kein Verbotskatalog, sondern ein Gestaltungsauftrag. Und immer dann, wenn wir dieser Verantwortung, die uns Gott übertragen hat, nicht gerecht werden, versündigen wir uns an der Welt und also auch an ihm.
Ein Beispiel, das mir in der vergangenen Woche zufällig bewusst geworden ist, weil es in einem Radiobeitrag diskutiert wurde: 320.000 „Coffee to go“ Becher werden stündlich in Deutschland benutzt und anschließend weggeworfen. 7 Millionen und 680 Tausend Pappbecher werden täglich in Deutschland entsorgt. Darüber weint die Erde, weil sie im wahrsten Sinn des Wortes mit Dreck zugemüllt wird und darüber weinen viele Geschöpfe dieser Erde, weil sie ihrer Nahrungsgrundlagen entzogen werden. Wie einfach wäre es, wenn die Kaffeetrinker mit einem wiederverwertbaren Gefäß ihren Kaffee trinken würden und der Erde im wahrsten Sinn des Wortes Raum zum Atmen lassen würden. Das ist ein Beispiel für eine Weltsünde und für eine bodenlose Geistlosigkeit von uns Menschen. Eine Sünde, die der Welt unwiderruflichen Schaden zufügt. Eine Sünde, die in meinen Augen weit mehr der Vergebung bedarf als all die kleinen lässlichen Vergehen, die wir, wenn überhaupt noch in einem Beichtgespräch oder in einem flehenden stillen persönlichen Gebet Gott vortragen. Es ist ein Beispiel für Geistlosigkeit, dem wir noch viele andere hinzufügen könnten. Ein Beispiel, das uns vor Augen führt, wie sehr wir des himmlischen Geistes bedürfen.
Es ist aber auch ein Beispiel dafür, wie schlicht, wie einfach Geist Gottes in uns zur Wirkkraft kommen kann: Wir brauchen nur in unseren Rucksack oder in unsere Arbeitstasche einen wiederverwertbaren Becher hineinlegen, den wir zuhause mit wenig Aufwand und wenig Ressourcen wieder reinigen können und schon ist die Welt von einer Sünde befreit. Gottes Geist verdeutlicht und versichtbart sich im Alltäglichen, nicht im Ausnahmezustand heiligmäßiger Sphären. Gottes Geist will gesehen werden: „Das habe ich gesehen“, bezeugt Johannes. Gottes Geist ist alles andere als ein unfassbares Etwas, Gottes Geist ist ein fassbares Du in mir; ein göttliches Du in mir, das mir die Welt anvertraut.
Christoph Simonsen