Ansprache von Christoph Simonsen zum 26. Sonntag im Jahreskreis B

Datum:
So. 29. Sept. 2024
Von:
Ursula Fabry-Roelofsen

Ansprache zum 26. Sonntag im Jahreskreis (B)

Lesung aus dem Buch Numeri (Num 11,25-29)

Da kam der HERR hernieder in der Wolke und redete mit ihm und nahm von dem Geist, der auf ihm war, und legte ihn auf die siebzig Ältesten. Und als der Geist auf ihnen ruhte, gerietensieinVerzückungwieProphetenundhörtennichtauf. Eswarenabernochzwei Männer im Lager geblieben; der eine hieß Eldad, der andere Medad. Und der Geist kam über sie, denn sie waren auch aufgeschrieben, jedoch nicht hinausgegangen zu der Stiftshütte, undsiegerieteninVerzückungimLager. DaliefeinjungerMannhinundsagteesMoseund sprach:EldadundMedadsindinVerzückungimLager. DaantworteteJosua,derSohnNuns, der dem Mose diente von seiner Jugend an, und sprach: Mose, mein Herr, wehre ihnen! Aber Mose sprach zu ihm: Eiferst du um meinetwillen? Wollte Gott, dass alle im Volk des HERRN Propheten wären und der HERR seinen Geist über sie kommen ließe!

 

Ansprache:

Wenn ich meinen heutigen Gedanken eine Überschrift geben wollte, dann vielleicht: „Alles Morgen beginnt heute“.

Zweifelsohne trägt unser Glaube immer eine Botschaft in sich, die uns fordert, herausfordert, die eine gestalterische Konsequenz einfordert. Heute mehr denn je angesichts der Tatsache, dass radikale Strömungen mit Lügen und Halbwahrheiten alles daran setzen, zwischen Menschen einen Keil zu treiben, zu spalten, Neid und Missgunst zu schüren. Ja, wir leben in einer herausfordernden Zeit. Das muss uns aufschrecken und wir müssen uns bewusst werden, dass wir als Christinnen und Christen dem nicht taten- und gedankenlos gegenüberstehen bleiben dürfen.

So viele haben sich daran gewöhnt, dass es normal ist, schlecht über Menschen zu reden, ja sogar ihr Lebensrecht in Frage zu stellen. Selbst Verantwortliche in Politik und Gesellschaft, die sich den christlichen Werten verpflichtet sehen, vergessen Selbstverständliches unseres Glaubens, und biedern sich denen an, die die Würde der Geflüchteten z.B. oder der am Rande unserer Gesellschaft stehenden in den Schmutz ziehen. Wir leben in einer Zeit, in der zu viele Anstand und Menschlichkeit über Bord werfen, um die eigene Machtbesessenheit zu festigen.

Aber was tut heute not? Wir hören es im heutigen Evangelium: Menschen das geben, was sie zum Leben benötigen, und wenn es nur ein Schluck Wasser ist. In solch einer Haltung zeigt sich Haltung, zeigt sich ehrliche Gottesfurcht.

Dass sich eine solch lebensbejahende Haltung nicht nur im Binnenkreis unseres eigenen Dunstkreises wiederfindet, dass auch Menschen fernab unserer Gesellschaft und unserer Kirche guten Geist, Gottes Geist, Heiligen Geist in sich tragen, daran erinnern uns die heutigen Text ausdrücklich.

Auf unsere Zeit übertragen heißt das: Wir stehen in der Pflicht, zu hören auf und zu lernen von Menschen, die jenseits unserer kirchlichen Blase leben: Menschenrechtsorganisationen zum Beispiel, Klimaaktivist*innen, Menschen, denen das Tierwohl am Herzen liegt und überhaupt die Natur.

Worauf es ankommt? Woran man erkennt, dass Geist Gottes gegenwärtig ist? Im konkreten Handeln des und der einzelnen. Der Begriff „Gutes tun“ mag abgegriffen sein, und was für einen eine gute Tat ist, mag für andere genau das Gegenteil sein: Grenzen öffnen oder Grenzen verbarrikadieren zum Beispiel. Der eine sagt so, die andere sagt so. Geschwindigkeitsbeschränkungen auf den Autobahnen: ja oder doch nicht? Auch hier scheiden sich die Geister.

Die biblische Überzeugung ist da klarer und eindeutiger: „Gutes tun“, heißt, den Menschen Wasser geben. Wasser als Sinnbild für jegliche Lebensgrundlage überhaupt. „Gutes tun“, das heißt also: Lebensgrundlagen schaffen für alle. Die Fragen sind also sehr wohl von Belang, ob wir Menschen ihrem ungewissen Schicksal überlassen, ob wir unsere Welt zukunftsfähig machen. Und Antworten geben eben oft jene, die außerhalb unserer eigenen Denkmuster leben.

Wer im Hier und Jetzt Gutes tut, Gutes sagt, weil er überzeugt ist davon, dass das Leben etwas einmalig Wunderbares, eben ein Gottesgeschenk ist, der trägt Gottes Geist in sich, völlig wurscht, ob er sich als Christ oder Christin sieht, oder nicht. Und der käme nie auf die Idee, anderen Menschen ein solch gleichwertiges Leben aberkennen zu wollen.

Ein zweiter Hinweis schenkt uns die heutige Lesung: Eldad und Medad geraten in Verzückung, so hörten wir eben. Sie sollten Lagerwache halten, während Moses mit den 70 Ältesten mit Gott sozusagen in Konferenz geht. Und wie Gott so ist, er hat immer ein give away in der Tasche, er lässt keinen mit leeren Händen und leeren Herzen nach Hause gehen; Moses wie auch die anderen werden beschenkt mit seinem guten Geist. Schön finde ich die Bemerkung, dass Gott ihnen „etwas von dem Geist, der auf ihm ruhte“ schenkte. Ein bisschen Geist Gottes genügt scheinbar schon, um Menschen glücklich zu machen und sie zu befähigen, weltbewegendes zu entwickeln.

Jetzt sind aber die beiden Lageraufpasser genauso verzückt von diesem guten Geist Gottes, wie Moses und die Ältesten es sind, obwohl sie bei der Begegnung mit Gott nicht dabei waren. „Sie standen in der Liste, waren aber nicht zum Offenbarungszelt hinausgegangen“, so heißt es wörtlich.

Da wird wohl klar, dass Gott nicht nur die beschenkt, die demonstrativ zu ihm hingehen. Nein, auch die Zurückgebliebenen, die Fernstehenden werden beschenkt.

Fromme und Rechtgläubige mögen jetzt denken, das ginge nicht mit rechten Dingen zu. Geist Gottes kann schließlich nur da drin sein, wo der auch überprüfbar von Gott verteilt wurde.

Wer so denkt, der Diener des Moses nämlich, den überrascht Moses dann mit der Bemerkung, er würde sich wünschen, dass alle Menschen, das ganze Volk, zu Propheten würden, zu Geistbegabten also.

Wir heutige Menschen sollten also davon ausgehen, dass Geist Gottes, also die Kraft, die gut sein lässt, auch in denen lebt, bei denen wir es nicht vermuten, vielleicht sogar für ausgeschlossen halten.

Weiter ist in der Lesung die Rede davon, dass da, wo Geist Gottes sich auf Menschen legt, diese in prophetische Verzückung gerieten, die kein Ende nahm.

Wo sind heute die Wagemutigen, die prophetisch zu reden vermögen, die in Verzückung geraten. Und sind wir bereit, mit ihnen in Kontakt zu treten, sie zu hören, von ihnen zu lernen?

Prophetisch reden, das heißt, die Zukunft in den Blick nehmen wollen; und verzückt reden, das kann doch nichts anderes bedeuten, als ganz aus sich heraus zu reden. Nicht unüberlegt nachzuplappern, sondern sich selbst zu spüren und dann zu reden.

Alle verheißungsvolle Zukunft hat immer einen Anfang. Zukunft beginnt heute. Gott schenkt Zukunft, das ist unser Glaube. Zukunft aber beginnt heute. Und das Heute hat Gott in unserer Hand gelegt. Etwas vom guten Geist Gottes ist in jedem von uns und mit dieser Gabe sind wir eingeladen, diesen guten göttlichen Geist auch in den anderen zu entdecken; vielleicht sogar erst freizulegen. Alles Morgen beginnt heute.