Ansprache von Christoph Simonsen zum 3. Sonntag in der Osterzeit

Datum:
So. 14. Apr. 2024
Von:
Ursula Fabry-Roelofsen

Evangelium: Lukas, 24, 35-48

Da erzählten auch sie, was sie unterwegs erlebt und wie sie ihn erkannt hatten, als er das Brot brach. Während sie noch darüber redeten, trat er selbst in ihre Mitte und sagte zu ihnen: Friede sei mit euch! Sie erschraken und hatten große Angst, denn sie meinten, einen Geist zu sehen. Da sagte er zu ihnen: Was seid ihr so bestürzt? Warum lasst ihr in eurem Herzen Zweifel aufkommen? Seht meine Hände und meine Füße an: Ich bin es selbst. Fasst mich doch an und begreift: Kein Geist hat Fleisch und Knochen, wie ihr es bei mir seht. Bei diesen Worten zeigte er ihnen seine Hände und Füße. Als sie es aber vor Freude immer noch nicht glauben konnten und sich verwunderten, sagte er zu ihnen: Habt ihr etwas zu essen hier? Sie gaben ihm ein Stück gebratenen Fisch; er nahm es und aß es vor ihren Augen. Dann sagte er zu ihnen: Das sind meine Worte, die ich zu euch gesprochen habe, als ich noch bei euch war: Alles muss in Erfüllung gehen, was im Gesetz des Mose, bei den Propheten und in den Psalmen über mich geschrieben steht. Darauf öffnete er ihren Sinn für das Verständnis der Schriften. Er sagte zu ihnen: So steht es geschrieben: Der Christus wird leiden und am dritten Tag von den Toten auferstehen und in seinem Namen wird man allen Völkern Umkehr verkünden, damit ihre Sünden vergeben werden. Angefangen in Jerusalem, seid ihr Zeugen dafür.

Ansprache:

Für mich ist diese Einladung Jesu an seine Jüngerinnen und Jünger ein Schlüsselgedanke für meinen Glauben: „Fasst mich doch an. Begreift doch, kein Geist hat Fleisch und Knochen, wie ihr es bei mir seht“. Glaube lebt, wenn Menschen einander nahe kommen. Glaube möchte berühren – im doppelten Sinn des Wortes. Einem rein vergeistigtem Glauben, einem nur verinnerlichtem Glauben fehlt etwas Wesentliches: Nähe. Nähe zu Gott versichtbart sich in der würdevollen und achtsamen Nähe zu den Menschen. Glaube, das ist versichtbarte Menschlichkeit.

Am vergangenen Samstag durfte ich im Kleinen Michel in Hamburg Alva taufen. Alva ist die Tochter von Charlotte und Martin, die ich in meiner Zeit als Hochschulpfarrer in Aachen kennenlernen und ein Stück ihres Weges während des Studiums begleiten durfte. An der Feier nahmen natürlich die Familien der Eltern mit teil und einige Freundinnen und Freunde – und eben auch eine große Kinderschar, Neffen und Nichten der Eltern von Alva. Das war so eine schöne Feier. Die Kinder tollten durch die Kirche, fühlten sich sichtbar wohl und verzauberten den heiligen Raum in einen menschlichen Wohlfühlort. Kirche: Ein Ort, wo Menschen, klein und groß, sich wohlfühlen; das ist alles andere als selbstverständlich.

Und natürlich war das große Taufbecken am Eingang der Kirche, das mit dem Weihwasser gefüllt war, für die Kleinen ein besonderer Anziehungspunkt.

Weihwasser? Gesegnetes Wasser? Was soll das sein? Ich muss dazu sagen, dass ein Teil der Mitfeiernden in der ehemaligen DDR groß geworden war. Und deren Kinder sind nicht getauft. Was für eine Bedeutung soll so ein Steinkessel in einer Kirche haben, der mit Wasser gefüllt ist? Wo Wasser ist, so habe ich versucht, zu erklären, wo Wasser ist, da kann Leben gedeihen. Diesen Gedanken versteht jede und jeder, mag er oder sie getauft sein oder nicht. Und nun soll also Alva mit diesem Wasser getauft werden. Spannend! Besonders für die Kleinen. Und selbst sie verstehen diesen übertragenen Gedanken: Alva soll wachsen, groß werden, stark werden und ihr Leben möge aufblühen, unter Gottes Schutz. Nachdem ich Alva mit dem Wasser getauft habe, kam unweigerlich die Frage bei den Kindern auf: Dürfen wir auch? Dürfen wir Alva auch segnen? Aber klar. 

Später am Nachmittag dann bei der Familie zuhause habe ich für alle eine große Portion Eis geholt, schließlich war es der erste schöne sonnige Frühlingstag dort in Hamburg, dass wir sogar draußen im Garten sitzen und spielen konnten. Als ich dann gehen musste, um meinen Zug nach Hause wieder zu bekommen, da hat Martin seine Nichten und Neffen gefragt, was denn der Schönste Moment an diesem Festtag für sie gewesen sei. Ich dachte natürlich, sie würden jetzt sagen, das gemeinsame Eisschlecken. Aber Lennart, der Älteste der Kinder sagte, wie aus der Pistole geschossen: Als ich Alva mit dem Wasser aus dem Taufbecken berühren durfte.

Das hat mich sehr berührt. Lennart mag neun oder zehn Jahre jung sein. Er hat etwas ganz Wesentliches verstanden, was Glauben ausmacht: Nahe kommen und etwas tun, was anderen hilft, ihr Leben meistern zu können. Anderen etwas schenken, das sie groß macht. Andere achtsam berühren, und dann selbst berührt werden im Herzen. 

„Fasst mich doch an“, so bittet Jesus seine Freundinnen und Freunde. Vielleicht können wir diesen Gedanken mitnehmen: Wenn wir Menschen einander achtsam und mit Respekt voreinander berühren, einander schützen und so Raum geben, wachsen zu können, dann werden wir zu Zeuginnen und Zeugen der Auferstehung.