Evangelium nach Johannes (Joh 15,1-8)
Ich bin der wahre Weinstock und mein Vater ist der Winzer. Jede Rebe an mir, die keine Frucht bringt, schneidet er ab und jede Rebe, die Frucht bringt, reinigt er, damit sie mehr Frucht bringt. Ihr seid schon rein kraft des Wortes, das ich zu euch gesagt habe. Bleibt in mir und ich bleibe in euch. Wie die Rebe aus sich keine Frucht bringen kann, sondern nur, wenn sie am Weinstock bleibt, so auch ihr, wenn ihr nicht in mir bleibt. Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und in wem ich bleibe, der bringt reiche Frucht; denn getrennt von mir könnt ihr nichts vollbringen. Wer nicht in mir bleibt, wird wie die Rebe weggeworfen und er verdorrt. Man sammelt die Reben, wirft sie ins Feuer und sie verbrennen. Wenn ihr in mir bleibt und meine Worte in euch bleiben, dann bittet um alles, was ihr wollt: Ihr werdet es erhalten. Mein Vater wird dadurch verherrlicht, dass ihr reiche Frucht bringt und meine Jünger werdet.
Ansprache
„Die letzten Paradiese werden angepriesen und angeflogen:
Wasser, das noch nicht gechlort ist;
Auf Bali eine Palme, die nicht im Kübel steht;
Im Ruhrgebiet verkauft man Stille und Luft, garantiert nicht aus Leverkusen;
Im Rhein soll man bei St. Augustin einen Fisch gesehen haben.
Die Leute werden immer anspruchsvoller: Jetzt wollen sie sogar Frieden haben und miteinander Brot essen.“
Dieses Gedicht aus den 70iger Jahren von Lothar Zenetti, einem Frankfurter Gemeindepfarrer, ist eine böse Persiflage auf eine bittere und tragische Wirklichkeit. Unsere Welt ist wirklich gefährdet und wir alle wissen das oder könnten es zumindest wissen. Die Frage des Umweltschutzes ist in aller Munde; aber genügt das, dass wir alle darüber diskutieren, was zu tun sei, um unsere Welt, die Schöpfung Gottes, zu retten? Indirekt verknüpft Zenetti die Frage nach einer gesunden Welt mit der Frage nach einem tragfähigen Frieden in der Welt.
Sie, lieber Herr Elahi. wollen mit ihrer Bereitschaft als Christ zu leben, der scheinbar ausweglosen Situation unseres Welt-Dilemmas einen Traum gegenüberstellen; Sie und wir alle.
Wir, die wir heute Abend hier sind, wollen nicht in eine depressive Aussichtslosigkeit verfallen; wir glauben, dass dieser Traum nach Frieden und einer bewohnbaren Welt Wirklichkeit wird. Die Botschaft des heutigen Evangelium – und damit möchte ich uns heute Abend in Berührung bringen – die Botschaft des heutigen Evangeliums hilft uns, aus guten Vorsätzen Wirklichkeit werden zu lassen.
Die Worte Jesu heute – vielleicht mehr als sonst, wo wir einem gütigen, nachsichtigen, verzeihenden Gott begegnen – erscheinen radikal, unmissverständlich und lassen wenig Deutungsspielraum. Die Verben verraten es: „Verdorren“ und „verbrennen“ werden die, die nicht mit ihm verbunden bleiben. Das alles mutet wenig einfühlsam an.
Und da wundert es nicht, dass vielen Menschen solche Drohungen Angst machen; die Vorstellung, sein Leben zu vertun, muss in Panik versetzen, und wer in Panik handelt, der verliert die Kontrolle über sein Leben, redet und handelt unkontrolliert, irrational. Ein Glaube, der eine solche Angst zur Folge hat, kann in keinen Frieden führen; weder in einen inneren Frieden noch in einen Frieden mit anderen Menschen. Ein solcher Glaube führt in die Isolation, grenzt ab von den Menschen, von der Welt, weil nämlich die Angst, das eigene zu verlieren, alles andere zu Störfaktoren macht. Ein solcher Glaube verändert nichts, vielmehr bleibt er im depressiven Leiden und Verharren stecken.
Dazu kommt noch etwas anderes: Von der Angst besessene Menschen, Menschen, die glauben, sie könnten vor Gott nicht bestehen, sind sehr leicht anfällig für autoritäre Konstrukte und Systeme und so liegt es nahe, dass es andererseits immer auch Menschen gibt, die diese Angst missbrauchen. Ein Glaube, der Angst macht, ein Glaube, der mit der Angst spielt, ein Glaube, der sich machterfüllt zeigt, kann nur Unheil, Unfrieden, Zerrissenheit und Unglück nach sich ziehen.
Und leider leider bietet gerade dieses Evangelium, das wir heute gehört haben, dazu einen unheilen Nährboden. Es ist also an der Zeit, sich noch einmal mit diesen Worten Jesu auseinanderzusetzen.
Ja, Jesus erwartet von seinen Freund*innen, dass sie sich positionieren; nur wer von sich weiß, wohin er gehört, wo er herkommt, was ihn auszeichnet, ist in der Lage, sich selbst zu erkennen und zu unterscheiden zwischen Gut und Böse, zwischen Wahrheit und Lüge. Das Kriterium aber, dieser Aufgabe gerecht zu werden, ist kein Katalog, kein Gesetzbuch, sondern die Persönlichkeit Jesu selbst. Sein Geist ermöglicht diesen Erkenntnisstand. Sie, lieber Herr Elahi, sind kein Mensch der Angst, keiner der sich Bange machen lässt vor dem Leben. Sie schenken uns heute die Zuversicht durch ihre Bereitschaft zum Christsein, dass Ihnen eben nicht Vorgegebenheiten und Gesetze wichtig sind, sondern vielmehr die Person Jesus Christus.
Jesu Geist, seine Persönlichkeit, sein Wesen weisen Weg und Ort auf, von wo aus ein freies und erfülltes Leben gelingen kann. Es ist den Weg der Verwundbarkeit. Es gilt, an Jesu Maßstab zu erinnern. So lange auf dem Weg die Frage nach Gott lebendig ist, nach dem Gott, der einlädt und nicht ausgrenzt, nach dem Gott, der Leben verheißt und nicht Tod, so lange ist der Weg ein Friedensweg. Frieden fängt im Kleinen an, aber mit Kleinem alleine sollten wir uns als österliche Menschen nicht zufrieden geben. So dürfen wir von nun mit Ihnen, lieber Herr Elahi gemeinsam Wege des Friedens gehen.
-- Christoph Simonsen Leiter der Citykirche Mönchengladbach Kirchplatz 14 41061 Mönchengladbach Telefon: +4921612472414 https://www.citykirche-mg.de