Ansprache von Christoph Simonsen zum 9. Sonntag im Jahreskreis (B)

Datum:
So. 2. Juni 2024
Von:
Ursula Fabry-Roelofsen

Genau: Darum geht es: Die Sinnhaftigkeit von Geboten zu hinterfragen. In welcher Zeit sind sie entstanden, warum wurden sie damals erhoben? Machen sie heute noch Sinn? Helfen sie, das Zusammenleben der Menschen zu sichern und zu stärken?

 

Darum geht es: den Menschen und das Zusammenleben der Menschen in den Mittelpunkt zu stellen und darauf hin, die Regeln und Gebote abzuklopfen.

 

David damals und seine Begleiter*innen, sie verspürten Hunger; scheinbar waren die Bäckereien geschlossen. Was tun sie? Sie gehen in die Synagoge und essen die Schaubrote, die zu essen den Priestern vorbehalten waren.

 

Sie haben eine Regel, ein Gesetz übertreten, um ihren Hunger, ihre Bedürfnisse zu stillen. Damit haben sie keiner und keinem anderen Schaden zugefügt, beileibe nicht; sie haben nur die Privilegien einer besonderen Kaste, der Priester nämlich, relativiert und heruntergebrochen in die Wirklichkeiten des Lebens. Privilegien, davon ist Jesus wohl überzeugt, wenn sie anderen Menschen nicht mehr verständlich zu machen sind: Privilegien sind nicht lebenswichtig, also können sie auch beiseitegeschoben werden.

 

Gesetze sind relativierbar und sie machen nur so lange Sinn, wie sie dem friedlichen Miteinander der Menschen dienlich sind. Das heißt ja nicht, dass Gesetze per se unsinnig seien; sicherlich nicht. Aber ihr Sinn und ihre Bedeutung gehören reflektierend immer wieder neu auf den Prüfstand, wenn der Verdacht aufkommt, sie verhindern ein gutes Miteinander und einen lebendigen Glauben.

 

„No“ das war die knappe Antwort von Papst Franziskus in der vergangenen Woche auf die Frage, ob er sich vorstellen könne, dass zu seinen Lebzeiten Frauen die Diakoninnenweihe erhalten könnten. Damit bekräftigte er das vor exakt 30 Jahren verkündete Dekret von Johannes Paul II, der damals erklärte, dass für alle Zeiten die Frauenfrage nach Ämtern in der Kirche beantwortet sei. „Für alle Zeiten“. Franziskus beruft sich auf dieses 30 Jahre alte Dekret und fügt hinzu: „Frauen sind großartig im Dienst als Frauen, aber nicht im Dienst mit Weihe." Gesetze, Regeln, Gebote in unserem menschlichen Miteinander sollen also – einmal ausgesprochen – für alle Zeiten bis in Ewigkeit gelten? Wie soll man das heutigen Zeitgenossen verständlich machen?

 

Die Jüngerinnen und Jünger damals haben das geheiligte Sabbatgebot übertreten. Das kritisierten die Rechtgläubigen, die Pharisäer. Dass Jesus diese Engstirnigkeit bloßstellt und feststellt, dass der Sabbat für den Menschen da sei und nicht umgekehrt, das heißt ja nicht, dass Jesus das Sabbatgebot damit aushöhlt. Aber er stellt den Pharisäern und uns heute die Frage, wie wir denn den Sabbat in rechter Weise ehren können.

 

Ja, der Sabbat soll der Ruhe und der Besinnung vorbehalten sein. Es macht Sinn, sich Zeit und Muße zu nehmen, über die Fragen des Lebens grundsätzlicher und existentieller nachdenken zu können, als wir es im Alltag tun. Es macht Sinn, diese Fragen auch im Licht Gottes zu beleuchten. Es macht Sinn, im stillen, aber auch im gemeinsamen Gottesdienst nach dem zu forschen, was wirklich zählt im Leben. Es macht Sinn, einmal nicht mit Hetze und Druck durch den Tag zu hecheln. Es macht Sinn, mit gutem Gewissen dem Nichtstun zu frönen.

 

Aber es macht keinen Sinn, Frauen von Diensten und Ämtern in der Kirche auszuschließen. Und das sage ich nicht in erster Linie, weil es mir helfen würde, den Sabbat, den Sonntag angemessener und würdiger erleben zu dürfen, ohne drei oder viermal Gottesdienst feiern zu müssen. Das sage ich vor allem, weil es nach meiner tiefsten Überzeugung unsinnig, ja sträflich ist, Gott vorschreiben zu wollen, wer in seinem Namen sprechen und die Sakramente spenden darf und wer nicht.