4. Sonntag in der Fastenzeit (B)
Aus dem Evangelium nach Johannes (3,14-21):
Und wie Mose die Schlange in der Wüste erhöht hat, so muss der
Menschensohn erhöht werden, damit jeder, der glaubt, in ihm ewiges Leben
hat. Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen
Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren geht,
sondern ewiges Leben hat. Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt
gesandt, damit er die Welt richtet, sondern damit die Welt durch ihn
gerettet wird. Wer an ihn glaubt, wird nicht gerichtet; wer nicht
glaubt, ist schon gerichtet, weil er nicht an den Namen des einzigen
Sohnes Gottes geglaubt hat. Denn darin besteht das Gericht: Das Licht
kam in die Welt, doch die Menschen liebten die Finsternis mehr als das
Licht; denn ihre Taten waren böse. Jeder, der Böses tut, hasst das Licht
und kommt nicht zum Licht, damit seine Taten nicht aufgedeckt werden.
Wer aber die Wahrheit tut, kommt zum Licht, damit offenbar wird, dass
seine Taten in Gott vollbracht sind.
Ansprache:
Es ist offensichtlich: Wir leben in wankelmütigen Zeiten. Nein, ich
meine jetzt nicht all das Problematische, was in der Gesellschaft und in
der Kirche geschieht. Ich rede vom Wetter: Da hatten wir in den letzten
Tagen schon mal eine Vorahnung von dem, was der Frühling so mit sich
bringt, und tags drauf war es am Morgen schon wieder bitter kalt und
Raureif lag auf der Windschutzscheibe des Autos.
Krokusse und Osterglocken im Garten lassen erahnen, dass der Winter sich
verabschiedet, aber kalt ist es dennoch noch.
Nach den dunklen Wintertagen wieder eine Ahnung von Wärme und Licht zu
bekommen, das puscht die Glückshormone hoch. Ich hab sogar schon die
ersten mutigen Jungs gesehen mit kurzen Hosen. Aber der Nebel wabert
dennoch noch früh morgens über den Feldern und so wirklich hell will es
noch nicht werden.
Es ist offensichtlich: Licht und Wärme sind und bleiben nur die eine
Seite des Lebens. Kälte und Dunkelheit lassen sich nicht so einfach
ausblenden. Und das ist auch gut so. Besser schlafen tut man, wenn’s
dunkel ist und nicht so brühend heiß. Das Licht mag beliebter sein als
die Dunkelheit, die Wärme behaglicher als die Kälte, und doch hat auch
die Dunkelheit und auch die Kälte ihren Sinn und ihre Bedeutung, die
Sorgen, die der Klimawandel uns macht, bezeugen es eindringlich.
Dunkelheit und Kälte: Nicht nur im wörtlichen, sondern auch in einem
übertragenen Sinn haben sie ihre Bedeutung, ihren Sinn und Wert.
Ich bin zum Beispiel ganz froh, dass ich so manches in meinem Leben ins
Dunkle der Unwissenheit wegschieben kann: Manches Traurige, auch manches
Unvollkommene. Haben wir nicht alle unsere Geheimnisse, die wir keinem
anvertrauen möchten aus Angst, ansonsten nicht mehr geliebt zu werden?
Es mag nachvollziehbar sein, dass wir die Sonnenseiten unseres Lebens
lieber zeigen, aber genauso wie diese gehören auch die dunklen Seiten
zum Leben. Wer einigermaßen ehrlich sich selbst gegenüber ist, der muss
sich eingestehen, dass auch in ihm/ in ihr ein Schweinehund lebt. Ja, es
ist feige, unredlich vielleicht sogar, unmenschlich im schlimmsten Fall,
und doch bin ich froh, dass ich manche Wirklichkeit meines Lebens ins
Dunkle verbannen kann, so dass es die anderen nicht sehen.
Das ist ganz gewiss kein schöner menschlicher Schachzug; andererseits
ist es eben doch menschlich. Und ihr mögt mich für verrückt erklären:
Ich glaube, dass auch und gerade in diesen dunkelsten Verließen meines
Lebens Gott gegenwärtig ist.
Wir leben in einer Welt, in der Perfektionismus und der Schein der
Vollkommenheit mehr zählt als die Gabe und die Fähigkeit, sich
ungeschützt und ungeschminkt den anderen zuzumuten. Dieses Denken zieht
sich ja hinein bis in unsere Glaubenswelt, wo es seelsorgende Priester
gibt, die immer noch behaupten, nur die und der wären der Sakramente
würdig, die ohne Sünde vor Gott dastehen würden. Das ist doch Heuchelei!
Nicht nur, dass es schier unmöglich ist, ohne schuldiges Verhalten
durchs Leben zu gehen; dass Priester sich aneignen zu behaupten, sie
hätten das Recht darüber zu entscheiden, wer würdig und wer unwürdig
ist, grenzt an Blasphemie.
Dann preist die Kirche die Möglichkeit der Beichte an, in der alle
Sünden vergeben werden. Die Schuld Gott anvertrauen und dann wie
reingewaschen den Beichtstuhl wieder verlassen; im Wissen darum dass wir
uns Augenblick später wieder als Menschen menschlich und das heißt eben:
unvollkommen verhalten.
Das Leben ist ein Ganzes und wird nicht dadurch wertvoller, dass wir es
aufteilen in zwei Hälften: in eine vorzeigbare und in eine, die wir
verstecken. Wir Menschen brauchen nicht zu retten und wir brauchen auch
nicht zu richten. Wir bräuchten uns nur daran erinnern, dass Gott allein
es ist, der das Leben – also auch das Unsrige – zu retten vermag, dann
könnten wir aufhören uns zu Richtern zu erheben und über uns selbst oder
über andere Gericht zu halten. Wenn dies allen klarer wäre, bräuchten
wir uns auch vor unseren Fehlern und Schwächen nicht zu ängstigen und
die Schwachstellen der anderen missbrauchen.
Wir sind längst erlöst, und zwar von Gott. Wir könnten uns dieses
Geschenk bewusster machen, und aufgrund dessen beginnen – wie es im
heutigen Evangelium heißt – die Wahrheit zu tun. Und die Wahrheit ist,
dass wir Menschen sind, unvollkommene, beschränkte Menschen. Nicht so
tun, als sei alles nur licht und hell in unserem Leben. Zu dem auch
mutig, ehrlich die Schattenseiten unseres Lebens zu verantworten, das
ist wahrhaftig. Und es wäre möglich, denn niemand muss sich behaupten
vor den anderen. Das Leben müsste nicht glatt gebügelt werden, wir
könnten aufhören uns als Schöpfer eines utopischen, heilen Lebens zu
gebären und wir dürften beginnen, uns in und mit unserer Begrenztheit
ins Licht Gottes zu stellen.
Unser Leben, und eben das Leben als Ganzes vollzieht sich im Licht und
in der Dunkelheit. Je ehrlicher wir diese Wirklichkeit zulassen, je mehr
wir uns eingestehen, Geschöpfe und nicht Schöpfer zu sein, umso mehr
werden wir erfahren dürfen, in der Gnade Gottes zu stehen.
Also: Die Sache mit dem Licht und mit der Dunkelheit ist etwas
komplexer, als wir vielleicht zuvor dachten. Wir könnten und dürften
ehrlicher zugeben, dass beides zu unserem Leben dazu gehört. So schön
der Frühling ist, auch der Winter hat Seiten, die unabdingbar, ja
lebensnotwendig sind.