Ein kurzer Gedanke anlässlich des neuen Formats anstatt der Musik zur Marktzeit

2019_Orgel_IMG_9741-aj Kopie (c) A. Jütten
Datum:
Sa. 13. März 2021
Von:
Christoph Simonsen

Heute ein kurzer Gedanke anlässlich des neuen Formates, das wir anstatt der vertrauten „Musik zur Marktzeit“ anbieten, um endlich wieder musizieren zu können. Bis auf Weiteres laden wir am Samstagmittag zu einem „musikalischen Gottesdienst zur Marktzeit“ ein, um so unter Einhaltung aller Vorgaben, die die Corona-Verordnungen vorgeben, endlich wieder Musiker*innen zu einem mittäglichen Konzert einladen zu können. Bis zum Osterfest werden wir vorrangig Orgelmusik hören dürfen. In der Vorbereitung zu diesen Gottesdiensten ergab sich folgendes:

Letztens hatte ich einen kleinen Disput mit einem mir befreundeten Kirchenmusiker. Dieser Disput war meiner musikalischen Unwissenheit und meiner an dieser Stelle doch zu ausgeprägten Selbstsicherheit geschuldet. In einem kurzen Gespräch zwischen uns hat sich nämlich ein dummes Missverständnis eingeschlichen. Es ging, wie so oft, um die berühmte Schere im Kopf, die dazu führt, dass man aneinander vorbei redet. Ich wollte mal in einem Gottesdienst was ganz anderes machen, was Neues ausprobieren; von der Überzeugung geleitet, dass neue Besen besser kehren. Und so habe ich Musiker angesprochen für einen bevorstehenden Gottesdienst, ohne das mit dem Kirchenmusiker abzusprechen. Dumm gelaufen, denn er fühlte sich – zu Recht - zu wenig eingebunden und stellte in einem klärenden Gespräch eines unmissverständlich klar: Dass nämlich mein Vorurteil ihm gegenüber völlig deplatziert ist. Mein Vorurteil: Wer Bach und Haydn und Vivaldi im Gottesdienst aufführe, der würde sich schwer tun, zeitgenössische Musik zu akzeptieren. Da war er also: Der Kampf zwischen alt und neu, zwischen traditionell und modern, den ich immer so gern führe.

Der Kirchenmusiker klärte mich auf, Gott sei Dank! Man sollte seine Bilder im Kopf eben immer wieder neu korrigieren. Sinngemäß fiel in diesem Gespräch ein Gedanke, der mir eigentlich selbst hätte kommen können: Was heute wie gestrig erscheint, war gestern womöglich revolutionär.

Die Musik Johann Sebastian Bachs war revolutionär und sie ist es bis heute. Dem sanften und regelmäßigen Rhythmusfluss der Renaissance setzte die Musik des Barock einen metrischen Rhythmus und viel größere Bewegungen ja nahezu hüpfende Tonsprünge gegenüber. Wenn Falco als der erste weiße Rapper bezeichnet wurde, kann man das von Bach – ohne jetzt despektierlich zu erscheinen – auch sagen: Bach war der Rapper seiner Zeit.

Bach’sche Musik hören wir heute, interpretiert von Klaus Paulsen. Schon jetzt von Herzen Dank an Dich, lieber Klaus. Musik ist Gottesdienst, so hab ich anfangs gesagt. „Musikalischer Gottesdienst“ ist eigentlich eine Tautologie. Gleich, ob von Bach komponiert, oder von Falco gesungen, oder von den Black Fööss. Musik – und Musik ist dann doch noch etwas anderes als ein im Tonstudio in Massenproduktion in Auftrag gegebenes Tralala – Musik ist Bewegung und Be-Geist-erung (wie Klaus Hemmerle einmal sagte), sie trägt Hoffen und Bangen in sich, intoniert Anfang und Ende, Leben und Tod; und Musik ist Gottesdienst, weil nämlich jede Versichtbarung, jede Verhörbarung Gott dient.