"Euer Herz lasse sich nicht verwirren."

2020_05_10_Gravierung Birgelener Pützchen1 (c) Chr. Simonsen
Datum:
So. 10. Mai 2020
Von:
Christoph Simonsen

„Euer Herz lasse sich nicht verwirren“, so beginnt das heutige Evangelium. Jesus lädt seine Freundinnen und Freunde, uns also, ein, uns einzuüben in eine innere Gelassenheit. „Im Haus meines Vaters gibt es viele Wohnungen“, heißt es dann weiter. Und wer von uns hätte diese Worte nicht schon bei Beisetzungsfeierlichkeiten verstorbener Menschen gehört. Das ‚Haus des Vaters‘, damit ist wohl der Himmel gemeint, der Ort, wo wir die in Liebe geborgen wähnen, die uns hier in unserem Leben verlassen haben. „Glaubt an Gott und glaubt an mich“,  so begründet Jesus seinen Wunsch zur Gelassenheit, ja sogar eine gewisse Sorglosigkeit ist wohl mit diesem Zuspruch Jesu verbunden.

 

In diesen Tagen melden sich Fanatiker zu Wort,  wir sollten uns nicht verrückt lassen machen von der Pandemie, die unser aller Leben zur Zeit so durcheinanderwirbelt. Und sie begründen es mit eben dieser Sorglosigkeit, zu der Jesus aufruft und die der Glaubensüberzeugung entspringt, wie wir sie im heutigen Evangelium hören. Zu diesen Wahnsinnsaposteln gehören auch Kardinal Müller und Konsorten, die mit der Übernatürlichkeit Gottes die Natur – die gotteseigene Schöpfung also – zum Gegenpol des Himmels zu machen versuchen. Für sie gilt nicht mehr, was wir im Credo beten: „Wahrer Gott und wahrer Mensch“, für sie ist Gott der Außerirdische, der die Welt zu einem Vorhof des Himmels degradiert.

 

Müller und Co  spielen mit dem Feuer und missbrauchen die wohlmeinenden Worte Jesu für ihre eigenen Machtinteressen. Wer auf Gott vertraut, wer dem Himmel entgegenstrebt, der ist und bleibt hier und jetzt auch Kind dieser Welt mit all ihren Herausforderungen, die sich in ihr stellen. Diejenigen, die die Ernsthaftigkeit dieser pandemischen Herausforderung herunterspielen und ein vermeintliches Gottvertrauen den Fragen der Menschen heute gegenüberstellen, irren und verbreiten einen irrigen Glauben.

 

Die Botschaft des heutigen Evangeliums möchte gegen allen Unsinn verbreitenden Fanatikern eine Ermutigung sein, dem guten Geist Gottes in uns mehr Raum zu geben. Fragen zu stellen, die uns scheinbar überfordern, aber die ganz wesentlich zu uns gehören, ohne die wir verkümmern würden. So alt die Fragen auch sind, so neu können sie jeden Tag werden, wenn wir vor ihnen nicht weglaufen: „Woher komme ich und wo gehe ich hin? Warum bin ich überhaupt? Ist die Welt reicher, weil ich da bin?“ Das sind die Fragen, die uns wirklich herausfordern möchten. Nicht die Angst- und Panik verbreitenden kruden Thesen ewig gestriger alter Herren. Denn in den Worten Jesu zeigt sich eine große Hoffnung: Wir brauchen an den Fragen unseres Lebens nicht zu verzweifeln, weil uns mit der Fähigkeit zu fragen, auch die Gabe geschenkt ist, Antworten zu finden. Philippus, der auf sich im heutigen Evangelium aufmerksam macht, in dem er Jesus mit großen Fragen bombardiert, macht eine wunderschöne Erfahrung: so groß und herausfordernd die Fragen auch sein mögen, sie sind nicht zu groß für uns und sie überfordern uns auch nicht. Im Gegenteil, an ihnen wachsen und reifen wir. Daran erinnert Jesus seinen Freund und auch uns.

 

Ich wünsche uns einen schönen Sonntag,  und den Müttern wünsche ich heute ganz besonders, dass sie an den Fragen ihrer Kinder, gleich, ob groß oder klein, ebenso wachsen können.

Euer

Christoph Simonsen