Glaube macht das Leben ...

2020_04_20_Roncalli 2015 (c) Chr. Simonsen
Datum:
Mo. 20. Apr. 2020
Von:
Christoph Simonsen

Am vergangenen Samstag wurde es mir wieder bewusst, als ich einkaufen war und vor dem Geschäft ein Clown stand mit einer Sammelbüchse, um für seinen Zirkus eine Spende zu erbeten. Zirkusleute haben es schwer; in unseren Tagen heute noch mehr als sonst schon. Als Kind war ich ein begeisterter Zirkusbesucher und finde es immer noch wahnsinnig faszinierend, diese Zirkuswelt und zu sehen, dass Menschen etwas ganz Besonderes können, was andere nicht können. Da steh ich dann wie ein Kind staunend da und bewundere die Gaben, die anderen zu Eigen ist und ich nicht vermag.

 

Glauben zu können, ist auch eine Kunst. Manche denken ja, sie sei einem in die Wiege gelegt. Der Glaube würde wie selbstverständlich zum Leben dazugehören. Ich bin da anderer Überzeugung. Selbst wenn einem der Glaube geschenkt ist von Eltern, von der Familie, von Freundinnen und Freunden, ja auch von der Kirche. Zu glauben ist und bleibt ein Risiko, ein waghalsiges Risiko. Und es bedarf eines dauerhaften „Trainings“, um der Kunst des Glaubens nicht abhanden zu kommen.

 

In diesen Tagen sind viele von uns noch in der Osterfreude. Aber selbst Weihnachten, Ostern und Pfingsten zusammen machen meinen Glauben nicht beweisbar.

 

Ich kann Gott nicht beweisen. Ich kann nicht unmissverständlich und zweifellos behaupten: Gott ist und Gott trägt mich und Gott wird mir in Zeit und Ewigkeit ein erfülltes Dasein gewähren. Es kann sein, dass ich am Ende meines Lebens enttäuscht dastehe und ich nichts in den Händen halte als ein jähes und unwiderrufliches und genauso endgültiges Ende. Es kann sein, dass ich ein ganzes Leben lang mit Gott gerechnet habe und am Ende meines Lebens feststellen muss, dass alles nur Einbildung und Täuschung gewesen ist.

 

Das kann sein, denn ich kann die Existenz Gottes nicht beweisen. Ich kann sie nur glauben und darauf vertrauen, dass ich nicht enttäuscht werde. Der Glaube an Gott bietet keine absolute Sicherheit, das Leben bleibt ein Wagnis auch für den, der glaubt. Ja noch mehr: für den, der glaubt, ist die Bodenlosigkeit noch haltloser angesichts der Enttäuschung, die entstehen kann, sollte sich der Glaube als Illusion entlarven. An die Macht des Unvorstellbaren zu glauben bedeutet ja nicht, das Faktische im Leben auszublenden. Der Kraft des Unvorstellbaren zu trauen in den Gegebenheiten des Lebens gleicht gerade zu demjenigen, der sich in die Schubkarre eines Artisten setzt, der über ein Drahtseil balanciert. Die Schwerkraft ist ein Faktum, und doch vertraue ich der Kunst und dem Vermögen des Akrobaten.

 

Wer sich für solch ein Leben aus dem Glauben entscheidet, der zeigt zum einen Mut, der wird zum anderen aber auch nicht davor verschont werden, immer wieder Zeiten des Zweifelns und Ringens zu erfahren, so wie es der Hl. Thomas manifestiert in dem Evangelium, das wir gestern in den Gottesdiensten hätten hören können.

 

Glaube macht das Leben nicht einfacher, nicht sicherer. Ich bin sogar der festen Überzeugung, dass es zu unserem Leben dazu gehört, dass wir uns verunsichern lassen, dass wir die Kraft des Zweifels an uns heranlassen müssen.

Glaube, der sich in Sicherheit wägt, der steht in der Gefahr sich zu erheben über die anderen, über die Welt. Glaube, der sich nicht in Frage stellen lässt, der gerät in die Gefahr, fundamentalistisch zu werden, radikal im Sinne von zerstörerisch. Nur ein Glaube, der sich selbst hinterfragen lässt, bleibt eine Kraft, die uns Menschen wirklich dienlich ist. Glaube führt zur Reife einer gesunden und heilsamen Selbsteinschätzung; Glaube ist die Quelle einer ehrlichen Demut und Dankbarkeit. Und wenn ich eines weiß, aus Gesprächen mit Zirkusleuten, die ich dankenswerterweise kenne: Wer diese Demut und Dankbarkeit verliert, der verliert jegliche Motivation, sich in die Manege zu begeben.

 

In dieser Glaubenssehnsucht verbunden

Ihr

Christoph Simonsen