Weihnachten 2023 im Lesejahr B
Begrüßung:
„Auch Josef stieg von Galiläa, aus der Stadt Nazareth, nach Judäa hinauf zur Stadt Davids, die Bethlehem heißt – er war ja aus Davids Haus und Vaterstamm – um sich aufschreiben zu lassen mit Maria, der ihm Anverlobten. Die war schwanger. Da geschah es“.
Musik: GL 224 Maria durch ein Dornwald ging
Es geschieht, er geschieht, wenn wir uns aufmachen. So gewiss Gott ist, so frag-notwendig ist er auch, oder sollte ich klarer sagen: such-notwendig. Gott schenkt nichts, als sich selbst, aber er schenkt sich als Geheimnis und er schenkt sich als „Zu-Findender“.
Dieser Gottesdienst möchte ein nachdenklicher sein; ein hoffnungsvolles, zuversichtliches, nachdenkliches Hineingehen in die Heilige Nacht.
Einige Worte/ Texte/Gedichte seien uns geschenkt, uns in das Geheimnis der Weihnacht zu vertiefen.
Ja, wir werden beschenkt; Gott schenkt sich. Aber es/ er ist kein Geschenk, das man auspackt, es staunend anschaut und dann in den Schrank zu hängen oder auf die Kommode zu stellen. Das Geschenk „Gott“ vertieft sich, vereint sich mit dem Geschenk „Welt“.
Hören wir dazu einen Gedanken von Klaus Hemmerle:
„Dass sich im Gottesbild etwas wandelt, wenn das Weltbild sich wandelt, das versteht sich beinahe von selbst. Wie wir Gott sehen, was wir von ihm sagen, das hängt zusammen mit den Erfahrungen, die wir machen, mit dem Leben, das wir erleben, mit dem Gang der Welt, in den wir mit unseren Erwartungen und Befürchtungen eingespannt sind….
Dass Gott in den begrenzten Blickwinkel unseres Weltbildes eintreten kann, ist ein Zeichen seiner Größe, und dass wir die Spuren unserer Armseligkeit und Endlichkeit mitbringen, wenn wir vor Gott hintreten und auf ihn blicken, das lässt ihn für uns lebendiger und näher werden. Nur wenn er „mein“ Gott, „unser“ Gott ist, nur wenn er meine endliche und geschichtliche Situation betrifft, erfahre ich die Wucht seiner Bedeutsamkeit.“
Wir können es wirklich erfahren: Die Geburt Jesu geschieht hinein in unsere Welt, in unser Leben. So oder gar nicht.
Musik Instrumental
Tagesgebet:
Gott, du hast mich ins Dasein gerufen,
mir einen Auftrag gegeben für mein Leben,
einen Auftrag, den sonst niemand erfüllen kann.
Ich habe eine Sendung fürs Leben.
Heute, gerade heute an diesem Abend der Weihnacht 2023 wird mir diese Sendung neu, ganz neu zugesprochen: Mensch zu werden, das ist meine Sendung.
Nicht unnütz oder wertlos bin ich ins Dasein gestellt,
sondern als Glied einer langen Kette,
Brücke zwischen Menschen und Generationen.
Gott, mir ist das Gute aufgetragen:
Dein Werk zu vollenden,
Frieden zu bringen,
Gutes zu tun,
der Wahrheit zu dienen,
dein Wort zu leben,
wo immer ich bin, wo immer ich sein werde.
Dein Menschsein soll mir Ansporn sein für meine Menschwerdung.
So wird er gelingen: Der Auftrag, den Du mir, Gott, übertragen hast.
Musik: GL 245 Menschen die ihr ward verloren
Was heißt es, wenn die Engel Gott verherrlichen. Was heißt es überhaupt, Gott zu verherrlichen? Schieben wir ihn dann nicht ab; „abschieben“ ist ja in unseren Tagen überhaupt ein oft benutztes Wort. Verstoßen wir Gott in den Himmel, da wo er herkommt“
Dazu ein Gedanke von Hans Küng:
„Was kann verhindern, dass man einem nur erträumten, einem von uns dogmatisch oder pietistisch, revolutionär oder schwärmerisch manipulierten und inszenierten Christus folgt: Jede Manipulation, Ideologisierung, ja Mythisierung Christi hat ihre Grenze an der Geschichte! Der Christus des Christentums ist nicht einfach eine zeitlose Idee, ein ewig gültiges Prinzip, ein tiefsinniger Mythos…. Der Christus der Christen ist vielmehr eine ganz konkrete, menschliche, geschichtliche Person: Der Christus der Christen ist niemand anderes als Jesus von Nazareth. Und insofern gründet Christentum wesentlich in Geschichte, ist christlicher Glaube wesentlich geschichtlicher Glaube. Nur als geschichtlicher Glaube hat sich das Christentum schon am Anfang gegen alle Mythologien, Philosophien, Mysterienkulte durchsetzen können.“
Musik“ Instrumental
Zu glauben, das ist keine Schwärmerei, keine Nostalgie in weltlicher Zerrissenheit, kein Luxus für weltfremden Rückzug. Glauben ist leben im Hier und Jetzt, ohne der Verzweiflung anheim zu fallen.
Musik:
Gebet: (Willi Bruners)
Menschwerdung
Niemand zwang ihn
zu kommen
und er fand:
Götter gab es genug
Da zog er sich
in den äußersten
Winkel
zurück
in einen
Stall
an ein
Holz
Seitdem spielt er
nur noch
eine untergeordnete
Rolle
eine
menschliche
Weihnachtsevangelium (Lk 2,1-14)
Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschätzt würde. Und diese Schätzung war die allererste und geschah zur Zeit, da Quirinius Statthalter in Syrien war. Und jedermann ging, dass er sich schätzen ließe, ein jeglicher in seine Stadt. Da machte sich auf auch Josef aus Galiläa, aus der Stadt Nazareth, in das judäische Land zur Stadt Davids, die da heißt Bethlehem, darum dass er von dem Hause und Geschlechte Davids war, auf dass er sich schätzen ließe mit Maria, seinem vertrauten Weibe; die war schwanger. Und als sie daselbst waren, kam die Zeit, dass sie gebären sollte. Und sie gebar ihren ersten Sohn und wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe; denn sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge. Und es waren Hirten in derselben Gegend auf dem Felde bei den Hürden, die hüteten des Nachts ihre Herde. Und des Herrn Engel trat zu ihnen, und die Klarheit des Herrn leuchtete um sie; und sie fürchteten sich sehr. Und der Engel sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids. Und das habt zum Zeichen: Ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen. Und alsbald war da bei dem Engel die Menge der himmlischen Heerscharen, die lobten Gott und sprachen: Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens.
Musik: GL 755 Nun sei uns willkommen
Ansprache:
Ist das nicht pervers: Wir sitzen hier, feiern, singen Lieder, beschenken einander, tischen gutes Essen auf, treffen uns mit der Familie, mit Freundinnen und Freunden – und an anderen Ecken unserer Erde stehen Menschen vor den Trümmern ihrer Häuser, verkriechen sich in Schutzbunker, beklagen Tote und Verletzte, haben nichts mehr, nicht mal mehr eine Zukunft.
Nein, ich will Euch und Ihnen nicht das Weihnachtsfest mies machen. Es ist gut, dass wir feiern; das Leben ist doch etwas so Wunderbares, das möchte gefeiert sein. (Die vielleicht einigen nüchternen erscheinenden Texte, die wir in dieser Feier gehört haben, haben es nach meinem Verständnis so deutlich gesagt, dass wir es nicht überhören können.)
Gott will in dieser Welt zuhause sein, in unserer Welt; und er will alles Schicksalhafte unseres Lebens mit hinein nehmen in seine Göttlichkeit. Nein, das ist nicht richtig: er lebt seine Göttlichkeit in unsere Menschlichkeit hinein.
Nur ist es so traurig und so tragisch, dass wir Menschen einander das Leben nicht gönnen, weil der eine eine andere religiöse Überzeugung hat als ein anderer, weil der andere mehr hat als ich, weil ein dritter jemanden liebt, den er/ sie nicht lieben soll. Es gibt so viele dumme, blöde, unsinnige Gründe, weshalb Menschen nicht gönnen, ihr Leben zu feiern.
Es gibt eine wirkliche Alternative; Weihnachten ist die Alternative. Weihnachten ist die göttliche Alternative gegen jeglicher Art menschlicher Ab- und Ausgrenzung.
Herunterkommen – freiwillig und aus innerer Überzeugung und mit einem guten Willen – Herunterkommen und die einem zustehenden Privilegien hinter sich lassen. Allmachtsgelüste hinter sich lassen. Die Schlichtheit eines Stalles dem Prunk eines Schlosses vorziehen.
Die christlichen Kirchenfürsten, die radikalen Imame oder Rabbiner, die mit ihren fundamentalistischen Hasspredigten Menschen gegeneinander aufwiegeln und auch die Mitläufer, die meinen, sich durch Schweigen ihre Unschuld bewahren zu können: sie wollen nicht herunterkommen, sie wollen oben schwimmen.
Wie viele Kriege, in der Vergangenheit und heute, haben ihre Ursache darin, dass Religionen für sich ein Alleinstellungsmerkmal in Anspruch nehmen, dass andere Überzeugungen ausschließt? Lieber mit einem Ochs und Esel, mit Hirten und Schafen aufwachsen, als mit mächtigen Königen und rechthaberischen Priestern.
Heraustreten – aus Überzeugung- heraustreten aus der Menge der Schwarz-Weiß-Denker, der Abnicker, der Mitläufer. Vom eigenen Weg überzeugt sein und ihn gehen. Wahrnehmen, dass Gott das Leben viel diverser, verschiedenartiger, bunter geschaffen hat, und wir mit unseren Traditionen eingeengt, eingekerkert haben, was Gott doch so großartig verschieden geschaffen hat.
Dass Weihnachten kein Traum ist, auch keine Vertröstung, sondern voller Kraft und Lebendigkeit ist, das haben mir in diesen Tagen des Advent drei Erfahrungen geschenkt.
Gilad, ein guter Freund von mir, der in Tel Aviv als Arzt lebt und arbeitet, zündet mit seinem Sohn die Kerzen am Chanukka Leuchter an und erinnert in einem Post im Internet daran, dass in Israel doch so viele Menschen verschiedener Herkunft in Frieden zusammenleben und auch in Zukunft zusammenleben wollen. In einer aufgewühlten Gesellschaft erinnert er daran, dass Frieden keine Utopie ist
Murad, ein palästinensischer Freund aus Aachen lädt gemeinsam mit seiner Frau Nur ein zu einer öffentlichen friedlichen Begegnung mitten in der Stadt am Elisenbrunnen und wirbt um ein friedliches Miteinander der Religionen. Weit weg von Krieg und Terror erinnert er mich und uns hier in unserer beschaulichen Weihnachtszeit daran, dass wir eine Mitverantwortung tragen dazu, dass Frieden keine Utopie ist.
Ja, und hier in der Citykirche zeigen wir unsere Verbundenheit mit den Menschen in den Kriegsgebieten im Gaza und in der Ukraine und schenken mit den gesammelten Kuscheltieren und den verschiedenen Spielzeugen ein Stück unserer Kindheit weiter an jene in den Kriegsgebieten, denen verwehrt wird, Kind sein zu dürfen. Frieden ist immer konkret, konkret menschlich, und eröffnet einen Raum, in dem Menschen auch fröhlich sein können.
Gott ist seine Menschlichkeit wichtiger als seine Göttlichkeit. Für mich sind die gerade erwähnten kleinen Beispiele ein Symbol dafür, dass es auch heute Menschen gibt, die der Menschlichkeit ein Gesicht geben – in aller Trostlosigkeit und Bedrängnis, in die Menschen einander hineinstoßen. Heute, an diesem Weihnachtsfest bleibt die Frage: Warum? Warum gönnen wir einander das Leben nicht und die Freiheit? Gott gönnt sie uns doch so sehr. Alles Wichtige bündelt sich in dem einen – vielen von uns bekannten – Sprichwort: „Machs wie Gott, werde Mensch“.
Musik: Instrumental
Fürbitten:
Kind Gottes,
wir wollen mit dir neu aufwachsen.
Kind Gottes,
wir wollen mit dir und mit allen Kindern
behutsam umgehen.
Kind Gottes,
wir werden dich nicht
in Armut
und auch nicht
in unserem Reichtum verkommen lassen.
Kind Gottes,
wir werden
Zeit für dich haben,
dass du unsere Sprache lernst,
und wir werden von dir lernen
das Wort
das ganz neue Wort:
Frieden.
Kind Gottes,
wir werden von heute ab sehen lernen,
dass jeder Mensch der Schönste ist,
weil jeder Mensch
auf einmalige Weise
Gottes Spiegel ist.
Kind Gottes,
wir werden von dir lernen
auf Stroh glücklich zu sein
und mit dem Herzen zu singen:
Gott, schenke uns eine neue Lebendigkeit. Lass uns wirklich Mensch werden. Wir bitten dich: Mache den Stall der Welt zu einem Menschenhaus, in der der Mensch dem Menschen Schwester, Bruder, Freundin und Freund ist.
Lass einen guten Stern über uns allen aufgehen. Mache uns untereinander geistesverwandt. Mache das Klima der Welt menschlich, so dass Jesus hier und in uns allen niemals abstirbt. Amen!
Musik: GL 753 Heiligste Nacht
Schlussgebet:
Gott, du bist als Licht in unsere Welt und in unser Leben gekommen. Du hast uns Hoffnung und die ewige Ahnung von heilem Leben ins Herz gelegt. Lass uns nun dein Licht in das Leben anderer Menschen tragen, damit für alle Weihnachten werden kann. So bitten wir…
Musik: GL 249 Stille Nacht
Segen:
Gott lasse dich ein gesegnetes Weihnachtsfest erleben.
Gott schenke dir die nötige Ruhe, damit du dich auf
Weihnachten und die frohe Botschaft einlassen kannst.
Gott nehme dir Sorgen und Angst
und schenke dir neue Hoffnung.
Gott bereite dir den Raum, den du brauchst
und an dem du so sein kannst, wie du bist.
Gott schenke dir die Fähigkeit zum Staunen
über das Wunder der Geburt im Stall von Bethlehem.
Gott mache heil, was du zerbrochen hast
und führe dich zur Versöhnung.
Gott gebe dir Entschlossenheit, Phantasie und Mut,
damit du auch anderen Weihnachten bereiten kannst.
Gott bleibe bei dir mit dem Licht der Heiligen Nacht,
wenn dunkle Tage kommen.
Gott segne dich und schenke dir seinen Frieden.