Man lernt nie aus.

20190707_153350 (2) (c) Chr. Simonsen
Datum:
Fr. 3. Juli 2020
Von:
Christoph Simonsen

Man lernt nie aus. Wusstet ihr, dass es eine katholische Lehre von der „Nichtexistenz der Transsexualität“ gibt. Seit gestern weiß ich es, da doch der Bischof von Indianapolis einen Erlass unterschrieben hat, dass transsexuelle Menschen nicht an den Schulen des Bistums unterrichtet werden dürfen.

Nur mal rein logisch: Wenn es etwas nicht gibt, dann kann man dem, das ja nicht existiert, eine Teilnahme von irgendetwas nicht verweigern, weil es das ja gar nicht gibt.

Ihr fragt jetzt womöglich, was diese Nachricht auf der Homepage der Citykirche zu suchen hat und dann auch noch dort, wo Nachdenkliches Raum finden soll, Geist und Seele zu stärken.

Mir erschließt sich dieser Bogen darin, dass ich unser Augenmerk richten möchte auf eine kleine Gruppe von Menschen (und es gibt sie wirklich, ich selbst kenne einige), die in der unendlich schwierigen Situation stehen, seelisch und psychisch anders wahrzunehmen und zu empfinden als sie für Außenstehende biologisch erkennbar sind. Die Wissenschaft unterscheidet zwischen Transsexualität und Intersexualität. „Inter* Personen sind Menschen, die im Hinblick auf ihr Geschlecht nicht eindeutig einer der medizinischen „Normkategorien“ eines entweder „männlichen“ oder „weiblichen“ Körpers zugeordnet werden können.“ Transsexuell sind Menschen, die ihrem biologischen Geschlecht gegenüber entgegengesetzt fühlen, wahrnehmen und auch so leben wollen.

Nun lehrt die Kirche die Bipolarität, also dass es nur Frau und Mann gibt. Wenn sich die Kirche also auf eine Lehre stützt, die die Nichtexistenz von Trans*Personen ausschließt, so mag sie sich auf die Naturrechtslehre und die Genesisgeschichte berufen, die ausschließlich das Gegenüber von Frau und Mann kennt, darf aber bitte nicht übersehen, dass die Schöpfung Gottes weit vielfältiger ist, und immer schon war, denn diese Vielfalt ist kein Produkt des bösen Genderismus, es ist eine natürliche Gegebenheit, die wissenschaftlich nirgendwo in Frage gestellt wird.

Als Glaubende stehen wir also in der Verantwortung, die Botschaft der Heiligen Schrift in einen fruchtbaren und konstruktiven Dialog mit den Wirklichkeiten der Schöpfung Gottes zu bringen. Das ist in jedem Zeitalter eine immer wieder neue Aufgabe: Das zeitlos gültige Wort Gottes hinein zu buchstabieren in die sich entwickelnde Wirklichkeit unserer Zeit. Das ist unsere Aufgabe als Kirche. Sicher nicht immer einfach, aber immer verbunden mit der Ahnung, etwas mehr dem Geheimnis Gottes entlocken zu dürfen.

Nun stattet das Kirchenrecht jeden Bischof mit ziemlich uneingeschränkten Weisungsbefugnissen aus. Aber welcher Bischof hat das Recht, Menschen auszuschließen von Bildung, von Freundschaft und dem Recht auf die Möglichkeit einer personalen Subjektivitätsentwicklung – und das mit göttlicher Vollmacht? Haben wir nicht die Pflicht, Verantwortlichen der Kirche in solchen Situationen die rote Karte zu zeigen?

Heute wurde das neue Schloss vorgestellt, mit dem im nächsten Jahr der Marienschrein im Aachener Dom zum Ende der Heiligtumsfahrt wieder verschlossen wird. Dargestellt ist ein Regenbogen und die Friedenstaube, die an die Arche Noah erinnern möchten.  Entworfen hat es unser Altbischof Heinrich und er schreibt dazu: „Der Regenbogen kennzeichnet die Schönheit und den Wert, zusammen zu leben, ohne die eigenen Farben zu leugnen, die eigenen Schattierungen und Besonderheiten.“ (Kirchenzeitung des Bistums Aachen, 4./5. Juli 2020)

Ich finde, das ist eine ganz besonders schöne und wertvolle Verantwortung, die unserem christlichen Glauben entspringt: die vielen verschiedenen Schattierungen und Besonderheiten lieb zu gewinnen, gerade die der anderen.

Das Bild zum heutigen Text zeigt übrigens ein Tuch mit den Nationalflaggen der Länder, in denen Homo- Bi- und Transexualität unter Strafe gestellt ist bis heute.

Euer

Christoph Simonsen

Ob der noch schmeckt? Auf meinem Schreibtisch steht immer noch der Osterhase mit dem goldenen Glöckchen um den Hals. Ihr erinnert euch? Ostern: Dieses ausgefallene Fest, wo alle zuhause bleiben mussten. Kein Glockengeläut, kein Orgelgetöse, überhaupt kein Fest. Der Osterhase auf meinem Schreibtisch hat’s überlebt, das Marzipanei auch.

Wie komm ich jetzt darauf? Zufall! Ich sitz gerade am Schreibtisch und stiere auf das lustige Dreigestirn auf meinem Schreibtisch mit dem Glasschweinchen in der Mitte. Es ist angenehm ruhig in der Citykirche, sind ja auch Ferien. Der Übergang vom Alltag in die Ferienzeit ist dank Corona schon anders als sonst, denn vorher war es auch schon ruhig.

Gestern hörte ich im Radio einen Beitrag über die ersten Feriengäste auf Malle. Selbst da ist es ruhig, fast totenstill, wie ein Tourist in dem Beitrag feststellte.

Ein ruhiges Osterfest, eine ruhige Arbeitszeit in der Citykirche, außergewöhnlich ruhige Ferien. Aber Stille muss doch nicht gleich an Tod erinnern. Es gibt doch auch eine lebendige Stille. Ein Spaziergang im Wald, ein ruhiger Abend auf der Couch mit einem guten Buch und einem schönen Glas Wein, ein entspannter Nachmittag im Garten oder ein spontaner Besuch bei Freund*innen, die man schon ewig nicht mehr gesehen hat.

Ostern war auch nicht laut – ursprünglich. Ostern feiern wir doch das Leben; das Leben, das sich nicht kaputtkriegen lässt, von nichts und niemandem. Ostern ist doch der Anfang einer unerwarteten Ahnung, dass das Leben gehalten, getragen ist, über alles Unzugängliche hinweg.

Ich überlege, ob ich nicht einfach heute Ostern feiern soll, also: das Leben heute feiern soll. Nicht laut, nicht mit Glockengeläut und Orgelgetöse, sondern einfach nur so mit guter Laune, die ich mir nicht nehmen lasse, heute nicht, und morgen auch nicht. Und den Osterhasen, den lass ich auch leben, der lächelt mich so nett an.

Schöne Ferien

Euer Christoph