Kolibripiano und Papageiengeige

Die vielfältigen Botschaften kolumbianischer Wandbilder

Vogelkonzert aus San Fernando, Cali (c) privat
Vogelkonzert aus San Fernando, Cali
Datum:
Do. 21. März 2024
Von:
Carina Delheit

Wer in kolumbianischen Metropolen unterwegs ist, wird von ihnen auf Schritt und Tritt verfolgt: Wandbilder, die dort murales heißen, gehören zum Kernbestand der Populärkultur des Landes, noch viel mehr als inzwischen Graffiti in deutschen Großstädten. Anders als in Deutschland stehen bei der Wandkunst Kolumbiens Bildmotive im Vordergrund. Schriftelemente spielen eine untergeordnete Rolle. Die Vielfalt der Motive ist überwältigend und reicht von dekorativen Mustern, manchmal mit indigenen Anklängen, über Bildszenen bis zu Portraits. Nicht selten stehen die Bildbotschaften in Zusammenhang mit Protestbewegungen oder/und (gesellschafts)politischen Forderungen. Das gilt insbesondere für den dringenden Wunsch nach einem Ende des seit Jahrzehnten andauernden bewaffneten Konflikts. Die Grenzen zwischen unterhaltsam und ernst, zwischen real und phantastisch, zwischen harmlos und agitativ sind oft fließend. 
Auch bei dem hier abgebildeten Vogelkonzert aus dem Stadtteil San Fernando in Cali fließen verschiedene Elemente ineinander. Die Musizierenden haben sowohl Instrumente der klassischen als auch der Populärmusik, die in Cali als Hauptstadt des Salsa eine zentrale Rolle spielt. Auch die Vögel sind eine bunte Versammlung aus mehr und weniger exotischen Artgenossen. Die Mischung aus Mensch und Vogel erinnert an den uralten Traum des Menschen vom Fliegen, wie er z. B. im deutschen Volkslied "Wenn ich ein Vöglein wär" zum Ausdruck kommt. Singen und Musizieren sind in ihren Ursprüngen auch menschliche Versuche, Vogelstimmen oder andere Tiergeräusche zu imitieren.
Die surrealen Figuren des Vogelkonzerts deuten außerdem die Grenzen des Menschenmöglichen an, auch wenn wir immer wieder bestrebt sind, als Schöpfer:innen der Welt aufzutreten und alles zu beherrschen - mit fatalen Folgen für Mensch und Mitwelt.