Masken prägen immer mehr unseren Alltag. Gerade noch habe ich eine Kollegin getroffen, die das zunehmend nervte. – Anna Hennersperger, Leiterin des Seelsorgeamtes der Diözese Gurk-Klagenfurt, verknüpft diese neue Erfahrung mit der Botschaft von Ostern. Ich möchte Ihre Gedanken, die bereits am 15.4. mitten in der Osterwoche im Theologischen Feuilleton feinschwarz erschienen sind, ganz bewusst gegen Ende der Osterzeit ihrer Nachdenklichkeit empfehlen. Sie können eine Brücke schlagen zwischen unserem corona–geprägten Alltag und der innersten Mitte unseres Glaubens, die wir in den vergangenen Wochen in besonderer Weise bedacht und gefeiert haben und aus deren Quelle wir hoffentlich jeden Tag leben können.
„Sie sollen ein Gefühl von Sicherheit vermitteln. Man schützt dabei mehr andere als sich selbst. Das kann man allenthalben lesen und es stimmt vermutlich auch. Aber ich werde mich dennoch nicht an den Anblick gewöhnen und ich will es auch nicht. Natürlich akzeptiere ich die derzeitige Anordnung der Bundesregierung, dass in öffentlichen Verkehrsmitteln in Einkaufzentren und Supermärkten Mund- und Nasenschutzmasken zu tragen sind. Dass diese Vorsichtsmaßnahme – und das ja im Normalfall – im medizinischen und Pflegebereich unerlässlich ist, das steht ohnehin außer Frage.
Dennoch: Ich will mich nicht an das Tragen von Masken gewöhnen. Ich will Menschen ins Gesicht schauen und nicht nur ihre Augen sehen. Ich will jemanden freundlich oder aufmunternd zulächeln können, will die Stimmung von Menschen wahrnehmen, die sich in ihrer Mimik zeigt, will Lippenbewegungen sehen, verschiedene Charakterköpfe von weitem erkennen und frei atmen. Ich will mein Gesicht zeigen dürfen in Freude, Nachdenklichkeit, Ernst und Skepsis, in Zugewandtheit, Aufmerksamkeit und Spannung, so, wie wir einander eben von Angesicht zu Angesicht begegnen.
Jetzt hat er oder sie sein wahres Gesicht gezeigt. So heißt es manchmal, wenn jemand eine Seite seiner Persönlichkeit offenbart, mit der man bisher nicht alltäglich vertraut war. Es ist nicht immer eine gute Aussage, wenn sie in dieser Weise über jemand getroffen wird. Denn die Nagelprobe für das „wahre Gesicht“ sind erfahrungsgemäß vor allem Krisensituationen. Da gibt es gute Beispiele von Personen die politische Verantwortung tragen, die an der Spitze von großen Firmen oder auch von Religionsgemeinschaften stehen. Menschen, die sich durch Tatkraft, Klarheit, Besonnenheit, Weitsicht und Umsicht auszeichnen. Menschen, die das Wohl aller im Blick haben, die Orientierung ermöglichen und wie ein Fels in der Brandung nicht wanken. Aber es gibt auch das Gegenteil. Auch derzeit.
Das wahre Gesicht zeigen. In den Tagen um den 13. Nisan des Jahres 30 oder 31 in
Jerusalem, zur Zeit des Passahfestes, hat ein Mensch namens Jesus der Welt das wahre Gesicht Gottes gezeigt. Er hat gezeigt, dass die Liebe das Festkleid ablegt, sich eine Schürze umbindet und sich tief hinabbückt. Als maßgebendes Beispiel für den Dienst an den anderen. Er hat gezeigt, dass sich im Fragment des Teilens das Ganze vermehrt. Er hat gezeigt, dass ihm die Angst nicht fremd ist, dass ihm der Gedanke an den bevorstehenden Tod den Angstschweiß wie Blut aus den Poren treibt. Er hat gezeigt, dass man seine Sendung um des Davonkommen Willens nicht verraten darf, auch wenn man dafür verraten wird.
In diesen Tagen hat Gott in Jesus der Welt sein wahres Gesicht gezeigt. Er hat ihn in all seiner Erfahrung der Einsamkeit und der äußersten Verlassenheit wider allen Augenschein gehalten. Er ist tief in das Leid, den Schmerz und die Sterblichkeit der Menschen eingetaucht und hat all das am eigenen Leib verspürt. So ist er ist auch in dieser Weise einer von uns geworden. Ein Wundenerfahrener, ein Toderfahrener, einer der um das Grauen weiß, aus der Endlichkeit womöglich ins Nichts zu fallen. Gott hat in Jesus der Welt sein wahres Gesicht gezeigt: Im aufstrahlenden Licht des Ostermorgens, als die Frauen in aller Frühe zum Grab gingen und lange nicht begreifen konnten, welch unglaubliche und ungeheuerliche Botschaft ihnen dort offenbar wurde.“