Im Griff des Behördendschungels?

Standpunkt: Solidarität mit Langzeitarbeitslosen darf sich nicht auf bloße Hilfeleistung beschränken

Solidaritätskollekte (c) Bistum Aachen/Anja Klingbeil
Datum:
Mi. 27. Apr. 2016
Von:
Wilfried Hammers
Als wir kürzlich noch mal den wunderbaren Stummfilm „Modern Times“ zeigten, war es bei mir wieder da: das seltsam zwiespältige Gefühl des Menschen im Räderwerk einer scheinbar modernen Technik der damaligen Zeit und die Komik dieser einzigartigen, von Charlie Chaplin dargestellten Tramp-Figur.

Diese versucht, den inneren gezeigten Konflikt dieser menschenverachtenden Produktion sogleich mit Lachen zu therapieren. Eine geniale Tragikomödie eben!
Ob der Begriff Tragik allerdings dem gerecht wird, was Millionen von Menschen heute in Minijobs und prekären Arbeitsverhältnissen erleben und was Langzeiterwerbsarbeitlosen an Leid durch gesellschaftlich Ausgrenzung nicht nur vom Arbeitsmarkt zugefügt wird, scheint mir indes fraglich. Der in der Literatur davon abgeleitete Begriff der Tragödie würde hier wohl deutlich besser passen.

Gerade auch jetzt im von Papst Franziskus ausgerufenen Jahr der Barmherzigkeit müssen wir uns doch fragen und befragen lassen, wo und wie wir als Christenmenschen auch gesellschaftspolitisch Stellung beziehen, dass das um der Menschen und um Gottes willen so nicht weitergehen darf, damit nicht die unvergessene Szene aus „Modern Times“ nur anders Wirklichkeit wird, dass nämlich die arbeitslosen Menschen von einer gigantischen Maschine eines Behördendschungels wie im Film fast verschlungen werden, ohne dass es ihnen essenziell auch nur einen Deut besser geht. Dabei dürfen wir uns gerade auch im Bistum Aachen und in all den tollen Projekten durchaus selbstbewusst mit dem zeigen, was wir für, noch viel wichtiger aber mit arbeitslosen Menschen tun, damit sie selbst wieder Akteure ihres eigenen Lebens werden können und nicht noch dadurch entmündigt werden, dass man ihnen ihre Selbstermächtigung verwehrt. Denn ich staune in der praktischen Arbeitslosenarbeit immer wieder, dass und wie diese von einem unbarmherzigen System geschundenen Menschen Kompetenzen in sich tragen, die sich unter der Brille „Ach ja, arbeitslos“ noch nie jemand zu heben bemüht hat.

Aber genau hier setzt unsere Aufgabe an: Wir müssen erstens ein auf die Zielgruppe der vor allem Langzeiterwerbsarbeitlosen gnadenloses Regelwerk demaskieren und politisch im Sinne von Gerechtigkeit zu verändern suchen und müssen zweitens diese Menschen stärken, dass sie und nicht andere stellvertretend ihre Rechte wahrzunehmen und sich als Gruppe selbst organisieren und auch auf die Straße gehen.

Dann wird sich zeigen, ob und wie auch wir an ihrer Seite stehen, so wie es bei all den großen sozialen Bewegungen immer einen Schulterschluss gab, oder ob wir nur die Tragik von außen bedauern und die unter die Räuber Gefallenen allenfalls zur nächsten Herberge bringen, statt das System der menschenverachtenden Räuberei trocken zu legen.

Der Autor ist Vorsitzender des Fördervereins Arbeit, Umwelt und Kultur in der Region Aachen e.V.

 

Solidaritätskollekte

Das Bistum Aachen koordiniert und unterstützt mehr als 50 Arbeitslosenprojekte, getragen von Vereinen, Verbänden und Pfarreien. In den Initiativen finden täglich über 2500 Menchen Beratung, Begleitung, Bildung und Arbeit und damit die Chance auf Gemeinschaft und eigenständiges Leben.Die traditionelle Solidaritätskollekte in den Gotteshäusern der Diözese Aachen findet in diesem Jahr am 7. und 8. Mai statt. Die Kollektengelder leisten einen Beitrag zur Finanzierung der kirchlichen Arbeitslosenarbeit, neben Spenden und Kirchensteuermitteln. Mehr unter www.solidaritaetskollekte.de.