Sonne

Tulpen (c) Bild von Alex S. auf Pixabay
Datum:
Mi. 1. Apr. 2020
Von:
Pastoralreferent Dietmar Jordan

Es ist eine seltsame Ungleichzeitigkeit, die unser Leben in diesen Krisentagen prägt und herausfordert. Die einen sind mehr als sonst auf ihre heimischen Wände verwiesen und stehen täglich vor der Aufgabe, die reichlich zur Verfügung stehende Zeit sinnvoll zu gestalten. Die anderen rackern sich oft bis an die Grenzen ihrer Kräfte ab in der Pflege alter und kranker Menschen, in der Versorgung mit lebensnotwendigen Gütern, im Dienst am Gemeinwohl.

Auch bei uns ist es nicht anders. Meine Frau und ich sind im Home – Office und versuchen, das ein oder andere von Zuhause aus zu erledigen. Da pastoraler Dienst ganz wesentlich Kontakt- und Beziehungsarbeit ist, ruht jetzt vieles von dem, was gerade in den Tagen vor Ostern anstehen würde. Eine Tochter arbeitet im Klinikum und hat nach anstrengenden Schichten endlich etwas Luft zum Durchatmen. Und ihr Freund steht seinen Mann in den verschiedenen Diensten der Aachener Berufsfeuerwehr.

Von dort flatterte mir heute ein wunderbares Video auf mein Smartphone. Es kann unter folgendem Link: https://youtu.be/GruM4cQ2VYw (YouTube- Kanal der Stadt Aachen) und bei verschiedenen Musik- Streamingdiensten abgerufen werden. Feuerwehrmänner und -frauen haben es gemeinsam mit Bediensteten der Polizei produziert und online gestellt. In einer Wagenhalle der Aachener Feuerwehr - Hauptwache haben sie gemeinsam den Udo Jürgens – Hit „Immer wieder geht die Sonne auf“ neu eingespielt und ihn mit berührenden Szenen aus dem Alltag ihrer Dienste illustriert. Bei ihren Fahrten durch die Stadt spielen sie das Lied per Lautsprecher auf die Straßen und Plätze, in die Häuser und Wohnungen – als Aufruf zusammenzustehen und aufeinander zu achten und als Ausdruck der Hoffnung, dass in dieser Krise „noch nicht aller Tage Abend ist“, dass in oder nach den dunklen und bedrückenden Erfahrungen dieser Tage die Sonne wieder aufgehen wird. - Eine wunderbare Geste, für die die Frauen und Männer der Feuerwehr, die Polizistinnen und Polizisten und die Verantwortlichen von Stadt und Städteregion, die in diesen Tagen ohnehin meist einen guten Job machen, ein dickes Lob verdienen!

„Denn immer, immer wieder geht die Sonne auf!“ Als ich die Melodie bei meinem täglichen Gang an die frische Luft vor mich her summte ging mir auf: Dieser Refrain besingt nicht nur das metereologische Phänomen der Frühlingssonne, die uns momentan so ungewohnt lange die Tage erhellt. Für Christenmenschen war und ist die Sonne auch ein vertrautes, im Grunde österliches Symbol unseres Glaubens. Nicht von ungefähr erkennen wir seit alters her im Zeichen der unbesiegbaren Sonne ein Urbild Christi. Und nicht von ungefähr begehen wir den Sonn-tag als den Tag seiner und unserer Auferweckung, als Fest-tag, an dem wir das Leben feiern und die Hoffnung besingen.

Ja, mit den Männern und Frauen von Feuerwehr und Polizei und mit vielen anderen wagen wir zu hoffen, dass auch in dieser Krise das Licht stärker ist als alles Dunkel und dass am Ende das Leben über allen Tod siegt. Und mit ihnen singen wir es hinaus auf die Straßen und Plätze, in die Häuser und Wohnungen, in die Köpfe und Herzen: „Ja, immer, immer wieder geht die Sonne auf, denn Dunkelheit für immer gibt es nicht.“

Gern sind wir bereit, jedem, den es interessiert, Auskunft und Rechenschaft vom Grund unserer Hoffnung zu geben. Nicht urwüchsiger Optimismus treibt uns an, nicht blinder Fortschrittsglaube oder naive Selbstüberschätzung. Uns beseelt die Kraft dessen, von dem Paulus bezeugt, dass sich gerade in seiner Schwachheit die Größe und Macht eines treuen und liebenden Gottes zeigt. (2 Kor 12, 9-10 u.a.)

In diesem Jahr werden wir diese Hoffnung nicht gemeinsam und nicht öffentlich feiern können. Trotzdem bin ich gewiss: Sie wird in uns lebendig sein. Sie wird uns über alle jetzt notwendigen Einschränkungen verbinden. Und sie kann Kräfte freisetzen, die in uns und unserer Gesellschaft eine ansteckende Gesundheit fördern.