Stillstand

Datum:
Do. 26. März 2020
Von:
Pastoralreferent Dietmar Jordan

Ja, es kann einem wirklich „angst und bange werden“. Die Herausforderungen, denen wir derzeit im persönlichen und gesellschaftlichen Leben begegnen, haben das Zeug, uns zu verstören und auch zu überfordern! Für viele von uns haben sie ein Ausmaß, das alles bisher Gekannte übersteigt und das uns in einem kaum gekannten Maße beansprucht. Die meisten sind auf die Enge ihrer eigenen vier Wände verwiesen.

Die gewohnte Berufsarbeit ist zum Erliegen gekommen. Während Menschen in sogenannten „systemrelevanten Berufen“ sich bis an die Grenzen ihrer Kräfte abrackern (auch an dieser Stelle DANKE und allen Respekt!) sind vielerorts Stillstand, Leere und mitunter auch Langeweile eingezogen. Was soll man tun angesichts all der Auflagen und Einschränkungen? Mit dem Rausgehen ist das so eine Sache. Und zu Vielem, was man eigentlich immer schon einmal Zuhause tun oder erledigen wollte, fehlt irgendwie Antrieb und Lust. Wer hat schon Muße, wenn ihm/ihr dauernd Bilder und Nachrichten von Notstands- und Katastrophenlagen ins Haus flattern!? Wer kann sich innerlich und äußerlich frei machen, wenn Sorgen um erkrankte Mitmenschen und Ängste um die eigene berufliche und wirtschaftliche Zukunft an einem nagen!? Die Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft geben sich zwar alle Mühe, noch größeren Schaden von Volk und Gemeinwesen abzuwenden. Aber: Wird das alles reichen? Wie lang wird es dauern? Und wo führt das alles hin?

Ja, es kann einem wirklich „angst und bange werden“ in diesen Krisentagen. Von einer Krisenzeit erzählt auch die Exodus-Geschichte (Ex 32,7-14), die uns die Leseordnung unserer Kirche heute zu Gehör bringt. Nach dem Ausbruch aus der ägyptischen Sklaverei läuft es nicht wirklich rund in den Augen der meisten Israeliten. Vieles hat man sich anders vorgestellt: leichter, unkomplizierter, weniger beanspruchend, weniger dramatisch. Was ist jetzt mit den großen Ankündigungen und Versprechen, die Mose mit dem angeblichen Rückhalt eines befreienden Gottes gemacht hatte?

Zweifel und Unmut stellen sich ein. Unsicherheit und Verstörung greifen immer mehr um sich. Kein Wunder, dass sich in solch zugespitzter Lage der Ruf nach einem handfesten und sichtbaren Gott einstellt: Einen, auf den man sich verlassen, den man sehen, um den herum man tanzen und sich in (wenigstens scheinbarer) Sicherheit wägen kann. Da ist uns das wüstenwandernde Israel sehr ähnlich: Sicherheit und Erfüllung unserer jeweiligen Ansprüche über alles, auch auf die Gefahr hin, dass sie zum „goldenen Kalb“ werden!

Natürlich ist das nachvollziehbar und auch verständlich. Und trotzdem bleibt auch in solcher Lage Angst – wie fast immer im Leben – ein eher schwieriger Antrieb und Ratgeber. Unmut, Verstörung und Angst der Israeliten machen sich Luft im Murren und im Tanz um einen selbstgemachten Götzen. Gut zu lesen, dass sie dort nicht einfach verpuffen oder verhallen. Dass sie gehört, dass sie an- und ernstgenommen werden. Und dass einer für sie eintritt. Mose steht für sein Volk ein und er wirbt vor Gott um Verständnis und um Erbarmen für seine Leute.

So ist das im Leben. Und so ist das auch mit unserem Glauben und Christsein. Es läuft nicht immer rund, so wie wir´s gerade brauchen und wünschen. Manches wird uns einfach aufgebürdet und zugemutet, erst recht in diesen Tagen. Wohl dem, der dann jemanden hat, der für ihn eintritt, jemanden, der um ihn ringt oder wirbt, damit er oder sie den Mut nicht verliert und die Lebenskraft.

Das gilt geistlich (etwa im Beten) und das gilt ganz praktisch (etwa in Nachbarschaftshilfe oder durch Einkaufsdienste). Jetzt kommt es darauf an, in all unserer Verunsicherung füreinander einzustehen – auch vor Gott. Mit Mose wollen wir darauf vertrauen, dass ER/SIE unser Klagen hört und mit uns Erbarmen hat.