Tag der Arbeit

Tag der Arbeit (c) Bild von Satya Tiwari auf Pixabay
Datum:
Mo. 4. Mai 2020
Von:
Pastoralreferent Dietmar Jordan

Stell dir vor: Es ist 1. Mai und niemand geht demonstrieren! Dass es in diesem Jahr tatsächlich so kam, war nicht die Erfüllung neoliberaler Wunschträume, sondern Ausdruck corona–bedingter Rücksichtnahme auf die geltenden Kontakt–Einschränkungen. Trotzdem hat der Deutsche Gewerkschaftsbund mit kleinen Stellvertreter–Aktionen und in einem eindrucksvollen mehrstündigen Online–Programm auf die auch heute in vieler Hinsicht prekäre Situation von Arbeitnehmer*innen aufmerksam gemacht und gerechtere Arbeitsbedingungen eingefordert.

Dabei galt die Aufmerksamkeit in besonderer Weise denen, die jetzt in sog. „systemrelevanten Berufen“ unverzichtbare Dienste am Gemeinwohl leisten. Nicht nur während der Krise, sondern auch danach muss es v.a. für Menschen in pflegerischen Berufen eine deutlichere Wertschätzung in Form einer substantiell höheren Vergütung geben. Ich hoffe sehr, dass auch Christenmenschen und Kirchen sich demnächst an diese Einsicht erinnern und wirksam für sie einstehen.

Ich erinnere mich noch gut an Zeiten, da waren bei den Maikundgebungen des DGB an manchen Orten unseres Bistums auch Fahnen von KAB und CAJ zu sehen. Manchmal haben Pfarrer, die nah an der Realität der „kleinen Leute“ lebten und arbeiteten, Grußworte an die Teilnehmer*innen solcher Demonstrationen gerichtet. Im Nachgang zur Würzburger Synode und ihrem wichtigen Beschluss „Kirche und Arbeiterschaft“ mühten sich Priester und Pastoralarbeiter*innen, KAB und CAJ, aber auch die damalige Bistumsleitung um Bischof Klaus Hemmerle um eine stärkere Ausrichtung unserer kirchlichen Pastoral an den Lebens- und Arbeitsbedingungen des damals noch ausgeprägter bestehenden Arbeitermilieus. Es kam zur Ausrufung des sog. Schwerpunktes „Kirche und Arbeiterschaft“. Das war ein Projekt, das von nicht wenigen mit heißem Herzen und hohem Engagement gelebt, von der überwiegenden Mehrheit des pastoralen Personals und der milieu-prägenden Gemeindechristen aber gleichgültig links liegen gelassen wurde. Dass es dennoch zu wichtigen Lernerfahrungen, zu mitunter bis heute bestehenden Kontakten und tragenden Allianzen zwischen Menschen der Arbeitswelt und kirchlichen Mitarbeiter*innen, Verbänden und Initiativen gekommen ist, verdankt die Kirche unseres Bistums der Ausrufung dieses Schwerpunktes.

In diesen Kontext gehören die vielen Projekte und Initiativen, in denen langzeitarbeitslose Menschen in den Regionen unseres Bistums Tagesstruktur und Arbeit, menschliche Achtung und Anwaltschaft für ihre persönlichen und politischen Belange finden. Das sind gesellschaftspolitisch und pastoral hoch relevante und anerkennenswerte Engagements, die jährlich mit erheblichen Mitteln des diözesanen Haushalts und der jeweils im Mai stattfindenden Solidaritätsaktion unterstützt werden. Unbedingt zu nennen und zu würdigen ist der große Schatz des Nell–Breuning–Hauses in Herzogenrath. Hier wird in Trägerschaft von KAB und CAJ seit vielen Jahren eine arbeitnehmernahe Bildungsarbeit betrieben, die aus dem Geist des Evangeliums in besonderer Weise die Herausforderungen der Arbeitswelt in den Blick nimmt und sich für die Belange arbeitender Menschen engagiert.

Ebenfalls in diesen Kontext gehören die Einsätze der sog. Betriebsseelsorger*innen, die meist auf der Ebene der Regionen Menschen und Entwicklungen in der Arbeitswelt im Blick behalten und Brücken zur Pastoral bauen. Schon viel länger bestand und besteht die Bewegung der Arbeiterpriester, heute Bewegung der „Arbeitergeschwister“, in der sich auch einzelne Priester und Laien unserer Diözese engagieren. Darüber hinaus ermöglichte Bischof Hemmerle einigen Priestern eine mitunter bis heute bestehende Beauftragung zum Leben und Arbeiten in sog. „entkirchlichten Milieus“. 

Gerne erinnere ich mich an prägende Erfahrungen während der ersten Jahre meines pastoralen Dienstes in einer vom Industriearbeitermilieu noch stark geprägten Pfarrei im Krefelder Norden. Damals war es noch möglich, während der Berufseinführung eine Schwerpunktausbildung „Kirche und Arbeiterschaft“ zu machen. Dazu gehörten auch sog. Betriebspraktika, bei denen wir als Hilfsarbeiter*innen mehrmals in Industriebetrieben arbeiteten und dabei Menschen und Realitäten an den realen Orten der Arbeit kennenlernten.

Politisch wache und spirituell tief gründende Priester lehrten mich den „fortwirkenden Skandal“ der Entfremdung von Kirche und Arbeiterschaft verstehen. Und sie prägten in mir die Überzeugung, dass wir als Kirche allen Menschen die Hoffnungsbotschaft des Evangeliums schulden, aber eben nicht in gleicher Weise, sondern vorrangig und besonders den Armen und arm Gemachten unserer Gesellschaft. Namen wie Edmund Erlemann, Bruno Lelieveld, Josef Höckels, Herbert Rogmann, Toni Jansen oder Karlheinz Laurier haben deshalb einen bleibenden Platz in meinem Herzen.

An all diese Menschen und Projekte musste ich an diesem „demo-freien“ 1. Mai denken. Sie waren und sind ein großer Schatz für die Kirche unseres Bistums, für den ich sehr dankbar bin. In diesen Umbruchzeiten erinnern sie mich daran, dass Pastoral nicht erst mit dem Läuten der Sakristeiglocke beginnt und sich keineswegs in der Feier der Sakramente erschöpft. Während wir derzeit versucht sind, uns in der Sicherung corona–kompatibler öffentlicher Gottesdienste zu verschleißen, braucht die Welt unser solidarisches Weg - Geleit mit ihren realen Sorgen und Hoffnungen, ihren alltäglichen Freuden und Nöten. Ein solches Weggeleit hat immer eine diakonisch-praktische und eine geistliche Seite. Es lebt, wenn man so will, in der Doppelstruktur von Mystik und Politik.

Von meinem verstorbenen Vater, der in vielen Jahren seines Berufslebens auch als Betriebsrat tätig war, habe ich als ganz junger Theologiestudent das noch aus den Zeiten Joseph Cardijns stammende Gebet von KAB und CAJ gelernt. Es gehört bis heute zur „eisernen Reserve“ meines Gebetsschatzes. Mit Blick auf die Welt der Arbeit übt es mich ein in die mir von meinem Lehrer J.B. Metz angetragene „Mystik der offenen Augen“.

Herr Jesus Christus,
wir opfern Dir unseren Tag, unsere Arbeit,
unsere Kämpfe, unsere Freuden und Leiden.

Lass uns, wie auch alle unsere Schwestern
und Brüder in der Welt der Arbeit
denken wie Du, arbeiten mit Dir, leben in Dir.

Gib uns die Gnade, Dich mit ganzem Herzen zu lieben
und Dir mit allen Kräften zu dienen.

Dein Reich komme in die Fabriken,
die Werkstätten, die Büros und in unsere Häuser.

Gib, dass alle, die heute in Gefahr sind,
in Deiner Gnade bleiben
und schenke den Verstorbenen Deinen Frieden.

Besonders bitten wir Dich …

Herr Jesus Christus, heilige uns und unsere Familien.

Herr Jesus Christus, Dein Reich komme
durch uns und unsere Arbeit.

Maria, Königin der Apostel, bitte für uns. 

Amen.