Nein, Ostern fällt nicht aus in diesem Jahr. Und es wird auch nicht auf ein nettes Frühlingsfest reduziert, das wir mangels anderer Gelegenheiten diesmal in häuslicher Privatheit begehen. Die Autoritäten der Kirche haben die priesterlichen Zelebrationen an den Kar- und Ostertagen höchst offiziell geregelt. Die überwiegende Mehrheit des Gottesvolkes wird aus guten Gründen von der physischen Anwesenheit suspendiert. Ihr wird die virtuelle Mitfeier und die „geistliche Kommunion“ via social media empfohlen.
In der Fülle der Möglichkeiten wird jede und jeder etwas finden, das sie/ihn anspricht und hilft, dem Osterglauben in virtuell vermittelter Verbundenheit Ausdruck zu verleihen. Andere werden sich zu vereinbarten Zeiten zu Schriftlesung und Gebet und zum persönlichen Nachvollzug der heiligen Geheimnisse verabreden und auch auf diese Weise erfahren: Christus ist mitten unter uns! Das gilt im Dom, in der Pfarrkirche, im Krankenhaus, im Seniorenwohnheim, in den eigenen vier Wänden, am Küchentisch oder im Wohnzimmer. Für die meisten von uns wird es ein ungewohnt anderes Erleben des Osterfestes sein. Vielleicht kommt da eine Ostererfahrung auf uns zu, die nicht ohne Auswirkungen auf unser Christ – und Kirche – Sein verhallen wird.
Die Erfurter Theologin Julia Knop hat dazu auf katholisch.de einige Gedanken veröffentlicht, die heute am Beginn der drei österlichen Tage meine spirituelle Nachdenklichkeit inspirieren. Sie schreibt:
„Die Pandemie verändert die Wahrnehmung jahrelang vertrauter Riten. Kann man, soll man in diesen Tagen genauso Ostern feiern sie sonst? Wo hilft Gewohntes, wo übergeht es die Nöte der Gegenwart? Die alten Texte der Passion wecken aktuelle Bilder: eine letzte Mahlzeit in großer Runde, die Fußwaschung, Veronikas Tuch in Jesu Gesicht, ein unbekannter Helfer, weinende Frauen, der von Krankheit gezeichnete Gottesknecht, Jesu Verlassenheitsschrei am Kreuz, sein Erstickungstod, die hastige Beisetzung, der lange überfordernde Schabbat der Angehörigen in häuslicher Isolation.
Liturgie und Leben interpretieren einander. Schriftlesung, Klage und Bitte angesichts der Passion Jesu und der Passionen heute greifen ineinander. Wir haben inzwischen alle eine Ahnung davon bekommen, was Angst, soziale Distanz, abgebrochene Zukunftsperspektiven und Verluste ohne Abschied bedeuten. Wie entsetzlich der Karfreitag und wie unglaublich das Wunder des Ostermorgens ist – die Kluft, die jede Eucharistiefeier zum Thema macht –, ist viel deutlicher als sonst. Statt "Erschalle laut, Triumphgesang" werden leisere, behutsamere Töne angeschlagen werden. Forsche Gewissheit über ein allgemeines Happy End scheint fehl am Platz. Eher passt die Beklommenheit der Frauen auf dem Weg zum Grab, die nicht ahnen, dass es leer ist. Was in jeder Eucharistie gefeiert wird – die Hineinnahme der Gläubigen in das österliche Geheimnis –, geschieht 2020 in Krankenhäusern und Wohnungen. Eucharistie findet statt – im Leben der Gläubigen. Ostern wird nicht verschoben – doch es ist vom Karsamstag gezeichnet.“