Wenig zu tun! Langeweile

Langeweile, Hund (c) Bild von Pitsch auf Pixabay
Datum:
Mo. 23. März 2020
Von:
Pastoralreferent Dietmar Jordan

Fast schlimmer als zu viel zu tun zu haben, ist es, zu wenig zu tun zu haben. Zu Hause sitzen und einfach Langeweile zu haben. Ja, am Anfang da gibt es das zu tun, was ich schon immer mal machen wollte, wozu ich aber nicht gekommen bin. Mal den Kleiderschrank durchsehen und so einiges rausschmeißen, was ich schon seit drei oder fünf Jahren nicht mehr getragen habe. Oder das Gleiche mit dem Bücherregal tun. Oder endlich mal die Fotos ordnen. 

Gut, das habe ich jetzt getan und vielleicht auch noch anderes. Aber es geht mir nun wie den Kindern in langen Ferien: „Ich weiß nicht, was ich machen soll. Ich habe zu nichts Lust!“ Langeweile stellt sich ein. Je länger sie dauert, umso heftiger. Unlust macht sich breit, nichts lockt mich. Und raus soll ich nicht. Da lauert Corona. Was tun? Wie mit Langeweile umgehen? 

Mein schwerer Ratschlag: Versuchen Sie die Langeweile anzunehmen. Ihr nicht auszuweichen. Nicht vor ihr fortzulaufen. Sich nicht immer neu abzulenken durch das Handy, durch den Fernseher, durch Videospiele usw. Nein, all das steigert innerhalb kurzer Zeit noch den Überdruss und die Langeweile. Denn all das befriedigt nicht wirklich. Es macht nicht froh und bringt nicht den Frieden. 

Wenn ich aber einmal diese Langeweile bewusst aushalte (und das heißt für mich: mich ruhig mit meinem Tagebuch oder einem Zettel, mit einer Kerze und einem Kreuz oder Jesus-Bild hinsetze) und sie nicht durch äußere Reize zudecke, dann fängt mein Inneres an zu sprechen. Ja, aber genau das versuche ich ja immer zu vermeiden. Genau das will ich ja nicht hören, was da aus dem Inneren hochkommt. Denn da steigen alle unangenehmen Dinge auf. Zum Beispiel dass ich schon so lange einen Konflikt mit einem alten Freund habe, und das tut weh. Ich will es gar nicht wissen. Ich weiß in dieser verdrängten Tiefe meines Herzens, ich müsste in vielem anders leben, nicht nur was Essen und Trinken betrifft, nein, auch was so letzte Fragen betrifft. Das meldet sich ja immer wieder. Was soll das alles? Wo gibt es Sinn? Was macht mich froh? Jeder kennt das.

All das meldet sich, wenn ich mal der Langeweile nicht ausweiche, sondern in sie reingehe. Und das ist unangenehm. Es konfrontiert mich mit mir selbst, meinen Versäumnissen, meinen Gefährdungen, meiner Hilflosigkeit und Ohnmacht. Furchtbar. Total uncool. Aber diesmal nicht ausweichen, abhauen und zudecken, sondern dabei bleiben, aushalten und anschauen und beten. Stück für Stück anschauen, vielleicht sogar aufschreiben auf meinen Zettel oder ins Tagebuch und dann ins Gebet nehmen, Gott hinhalten.

Und dabei immer wieder sich selbst sagen: Das ist nicht gut, das war nicht gut, ja, das stimmt, aber es kann wieder gut werden. Es kann heilen und es kann Versöhnung und Annahme finden. Nicht allein durch mich und meine Kraft, sondern durch Gottes Heil- und Versöhnungskraft. Mir hat einmal meine geistliche Begleiterin gesagt: „Das Lamm Gottes ist stark. Dem kannst Du alles aufladen. Es trägt alles weg. Und alles, was Du in Gottes Licht stellst und nicht mehr verdrängst und im Dunkeln lässt, dass kann heil und hell werden.“

Das ist der erste Schritt und das reicht für heute. Aber ich kann Ihnen versprechen – wenn Sie das tun, in die Langeweile hineingehen, wird sich auf Dauer Frieden einstellen. Und gegen die Langeweile fällt Ihnen dann der nächste, mögliche Schritt hin auf Gott und den Nächsten und sich selbst ein.

Thomas Gertler SJ  im Newsletter der Jesuiten „Ignatianische Nachbarschaftshilfe“