Bischof Helmut Dieser: „Kirche ist Dialog, der zum Handeln führt“

Rund 150 Teilnehmer diskutieren beim Themenforum in Aachen über die Kirche

Themenforum Aachen (c) Bistum Aachen - Andreas Steindl
Themenforum Aachen
Datum:
Sa. 29. Juni 2019
Von:
Stabsabteilung Kommunikation

Aachen, (iba) – „Samstag, Themenforum, gute Laune“, mit diesen Worten fasste Aachens Bischof, Dr. Helmut Dieser, seine Stimmung zu Beginn des dritten Themenforums zusammen. Dieses stand unter dem Motto „Den Glauben leben“. Er sei begeistert, dass so viele Teilnehmer mit spürbar gespannter Erwartung ins Bischöfliche Pius-Gymnasium in Aachen gekommen seien. „Die Themen des heutigen Tages vermitteln uns den Eindruck, wie wir ganz unmittelbar Kirche erleben.“ Rund 150 Menschen haben über die Zukunft der katholischen Kirche im Bistum Aachen gesprochen. Das Themenforum war Teil des synodalen Gesprächs- und Veränderungsprozesses „Heute bei dir“.

Wo gibt es Bedarf an Veränderung, was sollte bewahrt bleiben? In den vergangenen Monaten haben 13 Teilprozessgruppen – Kleingruppen aus allen gesellschaftlichen Bereichen – Analysen zum Stand ihrer Themen im Bistum Aachen erstellt. Die ersten Erkenntnisse waren bereits auf ähnlichen Großveranstaltungen in Mönchengladbach und Schleiden der Öffentlichkeit vorgestellt worden. In Aachen ging es jetzt um die Themen „Gottesdienst und Gebet“, „Begleitung von Menschen auf ihrem Lebensweg“, „Begleitung in Ehe und Familie“, „Charismenorientierung“ und „Dialog“. Am Themenforum teilnehmen konnten alle Interessierten aus dem Bistum, unabhängig von ihrer Nähe zur Kirche. Außerdem konnten sie anhand der Methode „World Cafe“ die Erkenntnisse der Teilprozessgruppen kommentieren und ergänzen.

Brief von Papst Franziskus die deutschen Katholiken 

Im Rahmen des Themenforums stellte Bischof Helmut Dieser den Brief des Papstes an das pilgernde Volk in Deutschland vor, der am selben Tag in Rom veröffentlicht wurde. „Ich finde das Schreiben von Papst Franziskus sehr ermutigend für uns, denn wir haben in unserem 'Heute bei dir'-Prozess auf den Grundsatz 'Inhalt vor Strukturen' verständigt“, betonte Aachens Bischof. „Der Papst warnt uns davor, alles Heil nur von einem Umbau der Strukturen zu erwarten, ohne über die Glaubensinhalte, die Gründe, weshalb wir Kirche in dieser Weise ausrichten, weshalb wir Gottesdienst, Katechese, Orte von Kirche, Diakonie in dieser Weise durchbuchstabieren. Wenn wir diesen anstrengenden Weg der Vergewisserung über die inhaltliche Ausrichtungen nicht gingen, dann würden wir dieser Gefahr unterliegen, alles umzubauen, ohne zu wissen, was wir mit den umgebauten Strukturen erreichen wollen.“

 

Teilprozessgruppe „Gottesdienst und Gebet“

Die Teilprozessgruppe „Gottesdienst und Gebet“ setzte sich beispielsweise mit Aspekten wie „Was ist Gebet“, „Musik und Kirche“, „Willkommenskultur“ oder überhaupt der Qualität und Würde von Gottesdiensten auseinander. Beten solle „eine personale Beziehung zu Gott ausdrücken und fördern“, es werde sowohl mit „tradierten Gebetstexten“ identifiziert als auch als etwas sehr Privates. Kirchenmusik entwickelt sich nach Ansicht der Gruppe immer weiter, ihre Vielfalt – von Gregorianik bis hin zu zeitgenössischen Ausdrucksformen – sei von großer gesellschaftlicher Bedeutung. Bei der Frage nach der Würde der Liturgie bewegten sich die Gottesdienste in einem gewissen Spannungsfeld zwischen traditionellen und experimentellen Formen. Beim Thema Wortgottesfeiern sehen die Autoren des Zwischenberichts die Gläubigen gespalten zwischen Befürwortern und Kritikern.


Teilprozessgruppe „Begleitung von Menschen auf ihrem Glaubensweg“

Derweil beschäftigte sich die Teilprozessgruppe „Begleitung von Menschen auf ihrem Glaubensweg“ insbesondere mit der Sakramentenkatechese bei Taufe, Erstkommunion und Firmung sowie mit der Begleitung in anderen pastoralen Kontexten: Dazu gehören z.B. Angebote für Menschen ohne Arbeit, für Wiederverheiratete, für Singles ohne Kinder etc. - oder auch geistliche Angebote im Alltag, z.B. Exerzitien oder Gebetsgruppen. Die Teilprozessgruppe nimmt aber auch Projekte der Neuevangelisierung oder besondere Zielgruppen, z.B. Jugend, Familien, Senioren in den Blick. Die Teilprozessgruppe identifizierte im ersten Schritt eine Sehnsucht nach Spiritualität bei vielen Menschen. Dementsprechend ist Aufgabe der Begleitung auf dem Glaubensweg viele verschiedene Wege zu Gott und zu Spiritualität zu eröffnen durch individuelle Ansprache. Dies kann geschehen durch Angebote, die den anderen erreichen, aber seine Autonomie und seine Verantwortung für den eigenen Weg wahren.

 

Teilprozessgruppe „Begleitung in Ehe und Familie“

Die Teilprozessgruppe „Begleitung in Ehe und Familie“ zog eine positive Bilanz beim Angebot der „Ehevorbereitung“ im Bistum Aachen. Es gebe viele unterschiedliche Angebote, die oft attraktiv und modern gestaltet seien – sogar Kochseminare und eine Hochzeits-App. Ähnlich sei die Situation bei der „Begleitung von Familien“ mit Freizeitangeboten, Antworten zu Erziehungsfragen oder Wallfahrten. Dagegen würden nach Meinung der Teilprozessgruppe in den Gemeinden kaum Angebote für „Paare ohne Kinder“ gemacht. Beim Gesichtspunkt „Scheidung/Wiederverheiratet Geschiedene“ setzte sich die Gruppe mit der Betroffenheit von Menschen in einer Scheidungsphase und ihrer Wahrnehmung in der Kirche auseinander.

 

Teilprozessgruppe „Charismenorientierung“

Ein Ansatzpunkt der Teilprozessgruppe „Charismenorientierung“ war, den Begriff theologisch – als die Gaben Gottes an jeden Getauften – und soziologisch – als Ausstrahlung und Fähigkeiten eines Menschen – zu betrachten. Nach Meinung der Teilnehmer werde an vielen Stellen im kirchlichen Raum entweder nur wenig charismenorientiert gearbeitet oder es sei zumindest oft nicht nach außen sichtbar. Der Weg von der „HelferInnensuche“ zum „Verwirklichungsraum von Charismen“ sei noch weit. Eine Charismenorientierung sei in der Arbeit der Kirche aber zwingend notwendig und brauche unter anderem folgende Perspektiven: Sehnsucht wecken, Veränderungen zulassen, Zusammenarbeit auf Augenhöhe, Gemeinschaft in der Spiritualität stärken, mehr soziale Medien nutzen, Anerkennungskultur fördern, Netzwerke bilden.“


Teilprozessgruppe „Dialog“

In der Teilprozessgruppe „Dialog“ wurde festgestellt, dass einer „Vielzahl der Christinnen und Christen in unserem Bistum an einem Dialog untereinander gelegen“ sei. Es gebe gerade bei einigen neueren Gottesdienstmodellen besondere Dialogformen. Grundsätzlich hält die Gruppe eine „Intensivierung der Dialogkultur“ aber für unerlässlich. Neben der Ökumene mit den evangelischen und orthodoxen Christen untersuchte die Gruppe auch den interreligiösen Dialog im Bistum – im Hinblick auf den christlich-jüdischen sowie den christlich-islamischen Austausch.

 

Fazit

Das Fazit der Teilnehmer fiel nach dem lebhaften Austausch positiv aus. Die Vielfalt der Kirche habe sich auch in den Diskussionen in den World Cafes gezeigt. Die Gespräche dort seien wertschätzend, tiefgehend und ehrlich gewesen, die neben ermutigender Zustimmung auch wichtige Ergänzungen und Vorschläge mit sich brachten. Diese würden in die Arbeit der Teilprozessgruppen einfließen. Der Tag mit den vielen gemeinsamen Gesprächen hätte die Teilnehmer in dem Gefühl bestärkt, dass alle aufgerufen seien, an der Zukunft der Kirche mitzuarbeiten. Die Vernetzung der einzelnen Teilprozessgruppen könne zu wertvollen Synergien führen. Betont wurde auch, dass der Veränderungsprozess „Heute bei dir“ zur Gestaltung der Kirche von morgen weitergehen müsse.

„Ich gehe heute zuversichtlich nach Hause“, freute sich Bischof Helmut Dieser über die engagierte Beteiligung. „Ich habe sehr deutlich die Freude bei Ihnen allen gespürt, sich miteinander auszutauschen. Heute habe ich gespürt, dass Kirche Dialog ist, der zum Handeln führt. Es ist wichtig, dass wir gemeinsam im Gespräch sind. Wir müssen neue Konzepte schmieden, von denen wir alle überzeugt sind.“

Info:

„Heute bei dir“ ist der synodale Gesprächs- und Veränderungsprozess im Bistum Aachen, den Bischof Dr. Helmut Dieser in seiner Silvesterpredigt 2017 ausgerufen hat und der Ideen für die Zukunft der Kirche sucht. Bei den Themenforen in der Bischöflichen Marienschule Mönchengladbach (18. Mai, Handlungsfeld 2 „Den Menschen dienen“), der Bischöflichen Clara-Fey-Schule Schleiden (15. Juni, Handlungsfeld 3 „Jesus überall begegnen“) oder im Bischöflichen Pius-Gymnasium Aachen (29. Juni, Handlungsfeld 1 „Den Glauben leben“) wurden die Erkenntnisse der 13 Teilprozessgruppen diskutiert und der Öffentlichkeit vorgestellt. Jeder Interessierte konnte daran teilnehmen, ob er der katholischen Kirche nahesteht oder auch nicht. Alle Infos unter: www.heute-bei-dir.de  (iba/Na 049)

Themenforum II "Den Glauben leben"

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