Tim Lindfeld zur ökumenischen Vorbereitungsgruppe für die Liturgie

Ökumenischer Gedenkgottesdienst für die Opfer der Flutkatastrophe

Tim Lindfeld, Referent für Ökumene und interreligiösen Dialog (c) Bistum Aachen / Jari Wieschmann
Tim Lindfeld, Referent für Ökumene und interreligiösen Dialog
Datum:
Do. 12. Aug. 2021
Von:
Stabsstelle Kommunikation

Tim Lindfeld ist seit dem 1. Mai 2021 Referent für Ökumene und interreligiösen Dialog im Bistum Aachen und Mitglied der ökumenischen Vorbereitungsgruppe für den Gedenkgottesdienst für die Betroffenen der Flutkatastrophe am 28. August im Hohen Dom zu Aachen.

Wie sah Ihr Aufgabenfeld aus, bevor Sie als Referent für Ökumene und interreligiösen Dialog beim Bistum Aachen angefangen haben?

Beim Bistum Aachen habe ich genau ein Jahr zuvor als theologischer Mitarbeiter in der Beratung für Religions- und Weltanschauungsfragen mit Sitz in Mönchengladbach angefangen. Davor habe ich zwölf Jahre lang in der kirchlichen Erwachsenenbildung im Erzbistum Köln gearbeitet. Ursprünglich komme ich aus dem Erzbistum Paderborn, wo ich nach einer Ausbildung im KFZ-Handwerk Theologie studiert und meinen Schwerpunkt in ökumenischer Theologie gewählt habe. Ich habe am Johann-Adam-Möhler-Institut für Ökumenik für meine Dissertation geforscht und als wissenschaftlicher Assistent gearbeitet. Insofern schließt sich mit meiner jetzigen Aufgabe für mich ein Kreis. Meines Erachtens ist die ökumenische Dimension der Kirche der entscheidende Zugang zu allem, was wir unter dem Stichwort „Reform“ bedenken müssen. Es geht ja um die universale Mission der Kirche. Das kann man heute vielleicht auf die Frage zuspitzen, welchen Beitrag zur Gestaltung einer lebensfreundlichen Gesellschaft wir als Christen unter den Bedingungen religiöser und weltanschaulicher Pluralität leisten und wie wir das auch morgen noch am besten tun können. Ich kann mir das nicht ohne Dialog vorstellen.

Welche Schwerpunkte und Herausforderungen sehen Sie in ihrer neuen Tätigkeit?

Ich würde die ökumenische Herausforderung im Bistum Aachen wie auch in anderen Ortskirchen als eine adventliche Aufgabe beschreiben: „Bahnt den Weg des Herrn“ (Jes 40,3). Wir müssen die Weitergabe des Glaubens über die konfessionell bewährten Bahnen hinaus zugänglich machen. Denn anders können wir nicht „katholisch“ bleiben. Das Attribut meint ja nicht nur, dass wir unser Bekenntnis möglichst gut abzugrenzen wissen. Vielmehr gilt für uns wie für alle: „ein Herr, ein Glaube, eine Taufe“ (Eph 4,5). Die Ökumenische Bewegung hat uns gezeigt, dass das „Leben der Gnade“ (Unitatis redintegratio [= UR] Nr. 3) nicht an den Grenzen unserer konfessionellen Kirchentümer Halt macht. Im ökumenischen Dialog haben wir gelernt, dass zwischen den Christen und ihren Gemeinschaften trotz der konfessionellen Unterschiede theologisch gewichtige Gemeinsamkeiten bestehen, die durch unsere überkommenen Trennungen an ihrer Wirksamkeit gehindert werden. Wenn wir diese Hindernisse zu überwinden suchen, dann geschieht das nicht nur zugunsten friedlicher Nachbarschaft, sondern weil die sichtbare Einheit der Christen das wichtigste Zeugnis für das Evangelium ist. Das dürfen wir als Ziel nicht aus den Augen verlieren, auch wenn der Weg nicht immer absehbar ist. Es geht um unsere Glaubwürdigkeit. Das Zweite Vatikanische Konzil hat sich die ökumenische Aufgabe als eine „Hauptaufgabe“ (UR 1) zu eigen gemacht. Ich möchte dazu beitragen, dass Ökumene im Bistum Aachen nicht als Zusatzaufgabe, sondern als Grunddimension pastoraler Verantwortung wahrgenommen wird. Mit den Worten des Konzils wünsche ich mir, dass im Bistum Aachen alle katholischen Gläubigen, „die Zeichen der Zeit erkennend, mit Eifer an dem ökumenischen Werk teilnehmen“ (UR 4). In der religiös und weltanschaulich pluralen Welt sind wir nicht primär Katholiken neben Protestanten und Orthodoxen, sondern Christen. Auch meine Zuständigkeit für den interreligiösen Dialog möchte ich ökumenisch angehen und bin daher dankbar für die konfessionsübergreifend gute Kooperation in diesem Feld.

Am 28. August findet der ökumenische Gedenkgottesdienst für die Opfer der Flutkatastrophe statt. Welche Anforderungen muss eine ökumenische Liturgie erfüllen, wenn es vor allem darum gehen soll, die Perspektive der Betroffenen einzunehmen?

Meine Erfahrung aus der ökumenischen Vorbereitungsgruppe für die Liturgie ist, dass alle Beteiligten mit hoher Sensibilität an die Aufgabe herangehen. Wir hoffen und tun alles dafür, dass der Gottesdienst Betroffenen eine geistliche Hilfe sein kann. Eine besondere Hilfe bieten die involvierten Notfallseelsorgerinnen und -seelsorger. Aber wir haben auch sehr schnell festgestellt, dass Betroffene nicht nur die unmittelbaren Katastrophenopfer, sondern auf verschiedene Weise wir alle sind. Das Attribut „ökumenisch“ meint ursprünglich nicht etwas, was nur die Kirchen betrifft, sondern das, was alle Welt angeht – natürlich in den Grenzen einer jeweils bestimmten politischen Realität. Es kommt Gott sei Dank nicht oft vor, dass wir hierzulande internationale Anteilnahme und Hilfe aufgrund von Naturkatastrophen erfahren. Wenn man für die liturgische Feier die Betroffenen nicht nach konfessionellen Gesichtspunkten sondieren will, dann ist wohl ein ökumenischer Gottesdienst einem solchen nationalen Gedenken angemessen. Die Einladenden sind die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland, die Deutsche Bischofskonferenz und die Evangelische Kirche in Deutschland. Von ihnen wurde der Dom in Aachen bewusst als Symbol für die grenzüberschreitende Notlage gewählt. So wie beim Gedenkgottesdienst für die Verstorbenen der Covid-Pandemie am 18. April in der Berliner Gedächtniskirche soll es auch im Hohen Dom zu Aachen jüdische und muslimische Klagerezitationen geben. Nichtsdestoweniger handelt es sich um einen christlichen Gottesdienst, denn eine andere Hoffnung als die des Evangeliums können wir nicht teilen. Die Liturgie bietet Raum und Zeit, im Angesicht Gottes Gemeinschaft in Klage und Zuspruch zu erleben. Und das geschieht keineswegs nur durch fromme Worte. Mich fasziniert besonders die Musik. Sie vermag sowohl den Gottesdienst in seiner eigenen Dramaturgie zu begleiten als auch die nötige Abgrenzung und Brücke zur anschließenden Ansprache des Bundespräsidenten zu bilden.