Vor mehr als 200 Priestern und Diakonen aus der Diözese skizzierte er am 29. Mai in der Aachener Citykirche, wie er auf die Situation der Kirche blickt und welche Konsequenzen er daraus zu ziehen bereit ist. Im Zentrum seiner Überlegungen: eine entschlossene, weit reichende, mutige Erneuerung der Pfarreien und der Pastoral.
Am Anfang steht für Bischof Dieser die Erkenntnis: So wie jetzt geht es, wenn man ehrlich ist, nicht mehr weiter. Die Volkskirche mit ihren traditionellen Formen von örtlichen Kirchengemeinden neigt sich ihrem Ende zu. Immer weniger Menschen werden erreicht, immer weniger Menschen machen mit. Mancherorts mag es noch anders aussehen, aber in der Fläche wird die klassische Gemeinde in zehn, spätestens 20 Jahren tot sein. Soweit die glasklare, unbequeme Analyse. Diesem Sterben möchte der Bischof nicht untätig zusehen oder es durch kosmetische Korrekturen verlängern. Vielmehr möchte er den Grundgedanken der Weggemeinschaft in entschiedener Form fortführen und vertiefen. Der Versuch über 71 Gemeinschaften der Gemeinden habe im Ergebnis nicht den richtigen Fokus gehabt, kritisierte Dieser.
Immer noch drehe sich das Denken vielerorts nur um den eigenen Kirchturm und man habe immer noch die Versorgerkirche im Hinterkopf, die alles für alle macht. Dass man durch dieses reine Multiplizieren des Bisherigen alle Beteiligten überfordere, sei offensichtlich – wie auch, dass es nicht allzu erfolgreich dazu beitrage, die Kirche fest als Zeichen und Werkzeug für die Gegenwart Jesu in der Welt zu verankern. Deshalb braucht es aus Sicht von Bischof Dieser neue Formen und neues Denken. Leitend dafür die Positionen des Pastoralpapiers der Deutschen Bischofskonferenz mit dem Titel: „Gemeinsam Kirche sein“.
An diesem Papier hat Helmut Dieser mitgewirkt, als Trierer Weihbischof. Es wirbt für eine Kirche, an der alle aufgrund ihrer gemeinsamen Taufwürde und Sendung mitwirken, jeder mit dem, was er an Charisma einbringt. Es ermutigt, sich von den klassischen hierarchischen Ansätzen im Miteinander zu lösen. Es regt dazu an, ein vielfältiges Wachstum religiösen und spirituellen Lebens vor Ort zuzulassen und aktiv zu fördern. Soweit, so von vielen mitgetragen.
Den größten Zündstoff bergen die Entscheidungen, die mit Analyse und Vision verbunden sein werden. Denn wenn die klassische Volkskirche stirbt, dann stehen die bisherigen Strukturen einer Erneuerung im Geiste des Evangeliums im Wege. Das heißt: In absehbarer Zeit wird es eine weitere Reform der kirchlichen Strukturen im Bistum Aachen geben. Bischof Dieser machte deutlich: Es wird bei dieser Reform nicht um ein bloßes Zusammenlegen von Gemeinden gehen. Vielmehr gelte es, sich von dem traditionellen Kirchenbild zu verabschieden. Es müsse dem Verständnis von „Gemeinsam Kirche sein“ weichen. Es soll „Pfarreien neueren Typs“ geben – größer als bisher, aber ganz anders. Wie groß sie sein werden? Wieviele es geben wird? Hier bittet der Bischof um Geduld. Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen.
Leseempfehlung: „Gemeinsam Kirche sein“ – Wort der deutschen Bischöfe zur Erneuerung der Pastoral. 59 Seiten. Aus der Reihe „Die deutschen Bischöfe“, Nr. 100, Erscheinungstermin: 2015. Zu beziehen im Internet unter www.dbk-shop.de.