Impuls 2015

Ein Brutgebiet für den Heiligen Geist!

Storch beim Brüten (c) Peter Fenge/pixelio.de
Datum:
Fr. 1. Mai 2015
Von:
Georg Lauscher

Ein Brutgebiet für den Heiligen Geist!

„Die brütet gerade über etwas.“ „Der brütet gerade etwas aus.“ Wenn wir so sprechen, dann denken wir in der Regel nicht an brütende Vögel.

Dann meinen wir Menschen. Menschen können über etwas brüten. Menschen können etwas ausbrüten. Wer brütet, sitzt auf etwas. Nimmt etwas unter seine Fittiche. Wärmt es. Wägt es hin und her. Durchdringt es mit seiner eigenen Lebensenergie. Er brütet über etwas, was noch nicht ans Licht, in die Klarheit des Bewusstseins aufgetaucht ist. Worüber jemand brütet, das ist noch unsichtbar, noch nicht zur Welt gekommen. Es ist zwar noch verborgen, aber schon wirklich da. Wie genau dies Noch-nicht-Sichtbare Gestalt werden will, - das ist noch ganz offen. Doch eines ist klar: das, was da ins Leben drängt, bedarf einer gehörigen Portion an Ruhe, Beständigkeit und eigener Lebensenergie. Das kann eine anstehende Lebensentscheidung sein. Das kann ein innerer oder äußerer Konflikt sein. Eine unerwartete Anfrage oder Herausforderung. Ein noch unlösbar erscheinendes Problem. Darüber brüten wir zuerst einmal. Vielleicht reicht ein Brüten von 10 Tagen – wie bei kleineren Singvögeln. Vielleicht braucht es aber – wie bei größeren Arten – 3 Monate. Für uns Menschen ist es gar nicht leicht festzustellen, wann es gut ist, mit dem Brüten aufzuhören. Ein ungeduldiges Abbrechen kann die bebrütete Idee erstarren und für immer sterben lassen. Ein ängstliches, überlanges Bebrüten kann sie ersticken.

Gleich zu Beginn der Bibel ist schon vom Brüten die Rede. Da ist es der Geist Gottes, der wie ein Vogel das Welt-Ei bebrütet. Da ist auch noch nicht klar, was da wie Gestalt werden soll. Alles ist noch wüst und wirr und finster. Bis heute wird der Geist Gottes, der Heilige Geist, in der Gestalt eines Vogels, meist einer Taube dargestellt: bei der Verkündigung der Geburt Jesu an Maria, bei Jesu Taufe im Jordan und bei der Herabkunft des Geistes auf die Jünger an Pfingsten. Wie die Rede von Gott-Vater und Gott-Sohn so ist auch die Taube für den Heiligen Geist nur ein Bild. Aber diese biblischen Bilder haben Bedeutung, deuten auf eine tiefe, unsichtbare Wirklichkeit hin.

Noch ziemlich verstört und ratlos sitzen an Pfingsten die Apostel zusammen mit Maria da. Nicht mehr bei seinem Grab – das ist leer, und sie haben den Auferstandenen real erfahren – aber ganz nahe bei diesem Ort, an dem zuerst einmal alles endete. Die Ereignisse danach, die Begegnungen mit dem auferstandenen Christus waren trotz aller Freude doch auch aufregend und verwirrend. Konnte das wirklich wahr sein? Darüber brüteten sie miteinander. Wie sehr mögen Gedanken und Gefühle in den einzelnen, aber auch in der Gruppe der Apostel hin und her gegangen sein? Mit rationaler Logik allein und auch mit emotional aufgeladenen Fantasien war hier nicht weiterzukommen. Fünfzig Tage seit Ostern ein ständiges Auf und Ab, Hin und Her.
Da hilft jetzt nur noch: sich sammeln, sich versammeln, ruhig werden, sich verorten, verwurzeln und nüchtern unterscheiden zwischen Fantasie und Wirklichkeit. Und vor allem: innerlich frei werden für den größeren Einfall Gottes.

Könnten wir doch in dieser Welt das Brutgebiet des Heiligen Geistes sein!

Georg Lauscher