Impuls August 2016

Wem diene ich?

Bettlerin (c) Bild: Friedbert Simon In: Pfarrbriefservice.de
Datum:
Mo. 1. Aug. 2016
Von:
Georg Lauscher

Wem diene ich?

Diakon, Diener bin ich. Doch wem diene ich? Um wen geht es mir beim Dienen? Hand aufs Herz! Es ist alles andere als selbstverständlich, dass ich anderen diene. Geht es mir tatsächlich um den oder die andere(n)?

Oder geht es  mir insgeheim um mich, mein Ansehen, mein Ich-Ideal, für das ich alles Erdenkliche zu opfern bereit bin?

„Seid vollkommen (griech. teleios), wie euer himmlischer Vater vollkommen ist!“ (Mt 5,48) Wie leicht verstehen wir dieses Wort Jesu im Sinn des Perfektionismus, und sei er angeblich geistlich. Hinter dem griechischen teleios verbirgt sich das hebräische tamim. Tamim aber bedeutet nicht vollkommen im Sinne von perfekt, sondern im Sinne von: ganz, ungeteilt, vollständig, heil. Ganz im Sinne des göttlichen Zuspruchs an Abraham: „Wandle vor mir und sei ganz (tamim).“ (Gen 17,1)

Die neutestamentliche Kontrastgeschichte hierzu ist die des reichen Jünglings (Mt 19,16-30). Ihm fehlt die Ungeteiltheit des Herzens, auch wenn er vorbildlich Gottes Gebote erfüllt. „Ungeteilt und bis in die Wurzeln seiner Existenz hinein würde er die Thora erst leben, wenn er alles verkaufte, den Erlös den Armen gäbe und Jesus nachfolgte …

In Dtn 6,5 heißt es, Israel solle Gott lieben `aus ganzer Kraft´. `Kraft´ (me´od) in Dtn 6,5 wird aber vom Judentum der Zeit Jesu als `Vermögen´, `Kapital´, `Geld´ verstanden. … Wenn der reiche Mann die Gebote erfüllte, dabei aber sein Vermögen aus dem Spiel ließ, so liebte er Gott noch gar nicht `mit ganzer Kraft´, nämlich `mit seinem ganzen Kapital´.“ (Gerhard Lohfink, Wem gilt die Bergpredigt? Zur Glaubwürdigkeit des Christlichen, Freiburg 1993, 72)

Christlich vollkommen sein wie Gott vollkommen ist, bedeutet: voll und ganz da sein – nicht perfekt, sondern möglichst bewusst meines Vermögens (auch materiell) und meines Unvermögens (auch existenziell).

Wenn ich diene, gleiche ich meist dem von Unkraut durchwachsenen Getreidefeld. Dies klar zu erkennen, macht bodenständig, realistisch, demütig. So diene ich nie mehr von oben herab. Nur wenn ich demütig diene, diene ich wirklich und demütige ich den anderen nicht.