Impuls Dezember 2014

Geburtsschmerzen

Pieta (c) Katharina Wieland Müller/pixelio.de
Datum:
Di. 18. Nov. 2014
Von:
Georg Lauscher

Geburtsschmerzen

Arm an Licht ist diese Jahreszeit, arm an Licht das Leben vieler Menschen. Wir erfahren täglich, wie sehr Menschen leiden an den Zuständen in der Welt, an den Zuständen in der Kirche und nicht zuletzt an ihrem eigenen Zustand.

Auch wir sind selten leidfrei. Jeder leidet auf seine Weise an den Zuständen, an den Anderen. Nicht selten aber liegt die Ursache mehr bei uns selbst als bei  den Anderen. Zumindest lässt sich der Hebel zur Veränderung am besten am eigenen Leben ansetzen. Die Anderen sind wie sie sind. An mir ist es, die rechte Einstellung zu ihnen zu finden, die rechte Antwort zu leben.

Leide ich nicht oft an meinen eigenen Vorstellungen und Erwartungen, die ich in guter Absicht den Anderen überstülpe? Hoffnung lässt Raum. Doch wo die Erwartung anfängt, hört die Liebe auf. Ich merke oft nicht, wie ich aus der Kirche etwas mache, was sie nicht ist: eine „Käseglocke“ aus kirchlichen Vorstellungen und Erwartungen, die ich Anderen überstülpe!

Damit mache ich es mir einerseits zu einfach: Ich erspare mir nämlich die Mühe, von den Anderen her und mit ihnen einen Zugang zum Leben mit Gott zu finden.

Andererseits mache ich es mir so aber auch zu schwer: Die Anderen müssen mich verständlicherweise und notwendigerweise ent-täuschen. Denn sie wollen ernstgenommen werden und sich nicht kirchlich manipulieren und vereinnahmen lassen. Darum ziehen sie sich erst recht von der Kirche zurück. Und das schmerzt uns, nachdem wir uns so bemüht haben, noch mehr. So leiden die Anderen an uns, und wir leiden an den Anderen.

Könnte es sein, dass Gott uns in unserem Leiden und Enttäuscht-sein bedrängt, eine ego-zentrischen und ekklesio(kirchen)-zentrische Enge zu überwinden? Denn in der Kirche geht es nicht um die Kirche. In der Kirche geht es um Gott und die Menschen.

Leg einmal die Hand aufs Herz und frage Dich:

Woran leide ich zurzeit?

Könnten diese Leiden Geburtsschmerzen sein? (Und eben keine Krankheit, mit der die Anderen mich angesteckt haben.)

Wo muss ich mich der Realität stellen, mich anders ein-stellen?

Könnte es sein, dass genau da, wo ich Leid erfahre, Gott durch mich zur Welt kommen und durch die Welt zu mir kommen will?

Geburt ist nie schmerzfrei…

Maria jedenfalls hat sich der schmerzlichen Realität gestellt. Sie hat genau hingehört und auch kritisch nachgefragt, als der Bote Gottes ihren Vorstellungen und Erwartungen querkam! Ihr Weltbild und Selbstbild war plötzlich in Frage gestellt. Doch sie hat schließlich Ja gesagt zum Fremden und Neuen.

Und sie hat gesucht, was ihr hilft: der einsame Weg durch die Gebirgswüste und das freundschaftliche Gespräch mit Elisabeth!

Welche Hilfen könnte ich mir suchen, damit ich freier werde und mir geschehen kann, was Gott will?