Kirche im Außendienst

Die Polizeiseelsorger des Bistums begleiten Polizeibeamte in und nach schwierigen Situationen

Sind für Polizistinnen und Polizisten da (c) Andrea Thomas
Datum:
Di. 23. Aug. 2016
Von:
Andrea Thomas
Ein schwerer Unfall, bei dem Menschen lebensgefährlich verletzt wurden, ein Familienstreit, der tödlich eskaliert, eine Demo, bei der plötzlich Steine fliegen, oder die Meldung über Funk, dass irgendwo Schüsse gefallen sind:
Polizeiseelsorger (c) Andrea Thomas

 In ihrem Arbeitsalltag geraten Polizeibeamte immer wieder in Situationen, die sie an Grenzen führen. Brauchen die Helfer jemanden zum Reden, sind Rolf Hannig, Manfred Kappertz und Michael Hennen für sie da.

Sie sind als Polizeiseelsorger im Bistum Aachen tätig. Polizeidekan Rolf Hannig koordiniert den Bereich und ist seit Ende 2015 für die Seelsorge im Bereich des Polizeipräsidiums Mönchengladbach und ab September in der Kreispolizeibehörde Heinsberg zuständig. Diakon Manfred Kappertz betreut seit April den Bereich des Polizeipräsidiums Aachen sowie ab
September der Kreispolizeibehörde Düren, Pfarrer Michael Hennen seit 2003 den Bereich der Kreispolizeibehörde Viersen und des Polizeipräsidiums Krefeld.

Sie versehen als „Seelsorger im Außendienst" ihren Dienst überall dort, wo es auch die Polizistinnen und Polizisten tun: in den Polizeiwachen, Bezirksdienststellen, Kommissariaten und an den jeweiligen Einsatzorten. „Wir sind als Kirche in einem völlig profanen Umfeld präsent", sagt Polizeidekan Hannig. Das ist die Herausforderung, aber auch der Reiz ihres
Einsatzgebietes.

Im Zwiespalt zwischen Vorschriften und den eigenen Emotionen

Sie begleiten und betreuen Polizisten, die im Einsatz mit belastenden Situationen konfrontiert werden, Unglücken und menschlichen Tragödien, Gewalt und Übergriffen gegenüber anderen, aber auch gegenüber Kollegen oder der eigenen Person. „Wenn man als Erster an eine Unfallstelle oder einen Tatort kommt, dann sind das oft schreckliche Bilder, die nur
schwer zu verarbeiten sind", sagt Rolf Hannig. Auch das Überbringen einer Todesnachricht kann Polizisten in einen Zwiespalt bringen, zwischen dem vorgeschriebenen Handeln und den eigenen Emotionen. „Da helfen wir im Gespräch dabei, das aufzudröseln und damit umzugehen", sagt Michael Hennen. Gleiches gilt bei Gewissenskonflikten, beispielsweise, wenn ein Polizeibeamter von der Schusswaffe Gebrauch machen musste. „Dann wird immer ein Verfahren eingeleitet, was sehr belastend sein kann. Außerdem sind wir im Gegensatz zu ihren Kollegen nicht verpflichtet, etwas zu melden, was uns dann oft zum Einzigen macht, mit dem sie offen reden können", sagt Rolf Hannig.

Für Manfred Kappertz, dessen Kinder beide im Polizeidienst sind, ist vor allem die Gewalt gegen Polizisten ein Thema. „Seit Beginn meiner Tätigkeit schaue ich täglich, was es an Einsätzen gegeben hat, und wenn dabei ein Polizist oder eine Polizistin verletzt wurde, melde ich mich zeitnah bei ihnen." Die Beamten der Bereitschaftspolizei seien oft Zielscheibe
einer Wut auf den Staat, würden von Demonstranten übel beleidigt, mit Steinen, Flaschen und Feuerwerkskörpern beworfen oder bei ihren Einsätzen angegriffen. Ein Bericht des Landeskriminalamtes in Nordrhein-Westfalen aus dem Jahr 2015 belege, dass in NRW alle 67 Minuten ein Polizeibeamter angegriffen werde.

Wie Jesus für die Emmausjünger: da sein, mitgehen und zuhören

Mit der veränderten Sicherheitslage in Deutschland hat sich der Druck noch einmal verstärkt. Nicht zuletzt Ereignisse wie der Amoklauf in München machen deutlich: Polizeibeamte müssen jederzeit damit rechnen in gefährliche Situationen zu geraten, in denen sie reagieren müssen, um Menschenleben, inklusive ihres eigenen, mit allen Mitteln zu schützen. Die
ständige Umstellung der „inneren Uhr" durch zeitlich unterschiedliche Wach- und Wechseldienste erhöht die Belastung noch.

Was können sie als Polizeiseelsorger tun? Manfred Kappertz zieht Parallelen zur Emmausgeschichte: „Nach dem, was sie erlebt und mitangesehen hatten, waren die Jünger traumatisiert und völlig durch den Wind. Aber da war dann einer, der ihnen zugehört hat, der mit ihnen gegangen ist." Diesen „schweigenden Jesus, der überall dabei ist", der zuhört
und Schweres mitträgt, repräsentierten sie in ihrer Arbeit.

Seit er als Polizeiseelsorger tätig sei, erzählt Rolf Hannig, begegne ihm immer wieder der Wunsch nach „Segen von oben", auch von Kollegen, die sonst eher weit weg vom Glauben sind. Deshalb gehören zu ihrer Arbeit auch spirituelle Angebote wie Exerzitien, Wallfahrten oder besondere Gottesdienste. „In Krefeld und Viersen feiern wir regelmäßig einen Gottesdienst für alle Einsatzkräfte als Dank und als Ermutigung", erzählt Pfarrer Michael Hennen. Auch für persönliche Gottesdienste wie Trauungen, Taufen und Beerdigungen werden sie angefragt. Diakon Kappertz hat von seinem Vorgänger das Ritual übernommen, an einer geschützten Stelle im Garten eine Kerze brennen zu lassen „für die Polizeibeamten, die Tag und Nacht für uns alle im Einsatz sind".

ROLF HANNIG: Viele haben den Wunsch nach einem ,Segen von oben'.

Als „Schutzengel" ließen sie Einkaufswagenchips mit dem Logo der Polizeiseelsorge anfertigen, die sie gesegnet haben und in ihren Behörden verschenken. Das Logo, angelehnt an den Polizeistern, zeigt einen Stern mit sieben großen und sieben kleinen Sternen und greift Psalm 84 auf: „Der Herr ist Sonne und Schild".