Ehrenamtliche wollen nicht nur „stille Helfer“ sein - Magdalena Bickmann über das Ehrenamt:Um neue Engagierte zu gewinnen, müssen die Strategien an die neue Realität angepasst werden

Frau Bickmann, wie ist es um die Bereitschaft zu einem ehrenamtlichen Engagement bestellt?
Magdalena Bickmann: Das ehrenamtliche Engagement befindet sich seit mehreren Jahren in einem Strukturwandel. Es ist nicht rückläufig, aber es verändert seine Form: Der Trend geht weg vom lebenslangen, kontinuierlichen Engagement in festen Strukturen hin zu zeitlich begrenzten, projektbezogenen und flexibleren Einsätzen. Viele Engagierte möchten sich nicht mehr langfristig binden, sondern ihren Einsatz besser an ihre Lebenssituation anpassen, beispielsweise Beruf und Familie vereinbaren können. Ehrenamtlich Engagierte bringen heute oft spezifisches Fachwissen und Kompetenzen mit und möchten diese gezielt in Projekten einsetzen. Sie wollen nicht nur „stille Helfer“ sein, sondern aktiv mitgestalten und mitentscheiden. Der Ruf nach höherer Wertschätzung und Anerkennung der geleisteten Arbeit ist präsenter geworden und gleichzeitig schauen ehrenamtlich Engagierte vermehrt auf die eigene Motivation für ihr Engagement. Diese individuelle Motivation sollte erfüllt werden.
Wie lassen sich Engagierte finden beziehungsweise gewinnen?
Magdalena Bickmann: Um neue Engagierte zu gewinnen, müssen Organisationen/Gemeinden/Vereine und Initiativen ihre Strategien an die neue Engagement-Realität anpassen. Daher habe ich folgende Tipps:
Bieten Sie kurzfristige, projektbasierte Aufgaben mit klarem Anfang und Ende an, die eine geringe Einstiegshürde haben und sich gut in den Alltag integrieren lassen. Nutzen Sie Online-Plattformen, Freiwilligenagenturen (beispielsweise der regionalen Caritasverbände im Bistum Aachen) und, wenn Sie das Know-How haben, soziale Medien, um die Zielgruppen, insbesondere Jüngere, gezielt anzusprechen. Wichtig dabei: die (digitale) Darstellung muss ansprechend sein, dann kann sie als „Türöffner“ dienen.
Machen Sie den Mehrwert des Engagements für die persönliche Weiterentwicklung der/des einzelnen Engagierten deutlich. Welche Motivation sprechen Sie mit diesem Engagement an? Geht es darum Einsamkeit vorzubeugen, eine gesamtgesellschaftliche Thematik zu bearbeiten oder gemeinsam etwas zu erreichen? Sorgen Sie für eine gute Willkommenskultur und Einarbeitung, damit Interessierte nicht ins kalte Wasser springen müssen. Machen Sie sich klar, dass neue Engagierte auch neue Ideen und Haltungen mitbringen. Sind Sie dafür offen? Wenn neue Engagierte die Erfahrung machen, dass ihre Ideen ständig abgelehnt werden, sind sie schnell wieder weg und kommen nicht wieder.
Viele Menschen engagieren sich bereits seit Jahren und Jahrzehnten, oftmals „im Stillen“. Werden sie schnell vergessen und ihr Engagement als selbstverständlich angesehen?
Magdalena Bickmann: Wir dürfen natürlich nicht die Menschen aus dem Blick verlieren, die sich bereits seit langen Jahren engagieren. Die langfristige Bindung basiert maßgeblich auf Wertschätzung, Einbindung und Entwicklungsmöglichkeiten. Eine gute Anerkennungs- und Wertschätzungskultur sowie eine Grundhaltung der Ermöglichung sind das A und O. Das reicht von einem Dankeschönfest einmal im Jahr über persönliche Worte im Anschluss an eine geleistete Aufgabe, von Geburtstagsgrüßen über eine wertschätzende Verabschiedung aus dem Ehrenamt, von Teamevents für das Gemeinschaftsgefühl bis hin zu Räumen für Austausch, Gemeinschaft und Spaß. Wichtig ist auch die Möglichkeit, eigene Ideen einzubringen und an Entscheidungen teilzuhaben. Ehrenamtliche möchten ihren Talenten und Charismen entsprechend eingesetzt werden und Selbstwirksamkeit erleben. Mehr „Wie geht es dir und was brauchst du?“ anstatt „Du darfst (nicht)“.
Was empfehlen Sie, um Wertschätzung auszudrücken?
Magdalena Bickmann: Eine weitere Form der Wertschätzung sind kostenlose Schulungen und Fortbildungen, um Fähigkeiten zu vertiefen. Dies steigert die Kompetenz, die Freude an der Aufgabe und das Zugehörigkeitsgefühl. Hierfür stehen die Katholischen Foren im Bistum Aachen zur Verfügung, die Bildungsorte für ehrenamtlich Engagierte im Bistum Aachen. Klare Rahmenbedingungen helfen Frust zu vermeiden. Der Versicherungsschutz ist über das Bistum Aachen geregelt. Auch eine transparent kommunizierte Aufgabenbeschreibung sorgt für Klarheit und vermeidet Konflikte um Zuständigkeiten.
Welche Unterstützung bietet das Bistum?
Magdalena Bickmann: Das Engagementmanagement ermöglicht Beratung und Begleitung für haupt- und ehrenamtlich Engagierte zu allen Fragestellungen rund um Engagementförderung, einzeln oder in der Gruppen. Wir stellen unser Netzwerk im Bistum und darüber hinaus zur Verfügung und vermitteln gerne den Kontakt zu den Ansprechpartner*Innen für Pastorale Räume, Fundraising, Stiftungen, Innovation. Wir bieten zusammen mit weiteren Kolleginnen und Kollegen Workshops an, um neue Projekte an den Start zu bekommen, vage Ideen zu konkretisieren oder Ideen für eine lebendige und innovative Kirche vor Ort zu gewinnen. Auch in 2026 gibt es wieder Qualifizierungen zum Thema „Engagieren. Fördern. Gemeinsam mehr erreichen“, eine Fortbildung für ehrenamtlich Engagierte im Bereich Ehrenamtskoordination und Freiwilligenmanagement. Sobald die Termine feststehen, werden sie auf unserer Webseite veröffentlicht.
Weitere Infos im Netz: www.bistum-aachen.de/engagement