Lieferkettengesetz – zwischen Baum und Borke

Ein Kommentar von Andris Gulbins, AK-Madagaskar der KAB Aachen

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Datum:
Mo. 7. Juni 2021
Von:
Andris Gulbins

Mit großer Hoffnung war das Engagement zahlreicher Verantwortlicher der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung, KAB der Diözese Aachen verbunden, nun endlich das auch von der KAB geforderte Lieferkettengesetz auf den Weg zu bringen, welches hiesige Firmen verpflichten soll, die Menschenrechte der Arbeiterinnen und Arbeiter in ihren ausländischen Zulieferfabriken und die Umwelt zu schützen. Schließlich gründet dieses Engagement auf den Erfahrungen der internationalen Partner der KAB.

Von der Notwendigkeit eines solchen Gesetzes konnte sich die Bundesregierung in einem langjährigen Berichtsprozess in den letzten Jahren selbst überzeugen: deutsche Unternehmen haben sich an diesem Prozess in großen Teilen erst gar nicht beteiligt oder konnten nur bedingt ihre Sorgfaltspflicht in ihren Lieferketten nachweisen – zugleich torpedierten Wirtschaftsverbände und der Wirtschaftsrat der Union die geplante Verabschiedung des Lieferkettengesetzes im Bundestag. Jetzt soll der Bundestag in seiner letzten Plenarwoche im Juni die Sache auf die Kette kriegen.

Bei drei zentralen Kernbereichen des Lieferkettengesetzes haben die Unternehmerverbände und die Wirtschaftslobby in der Union dem Gesetzgeber jedoch die Löschtaste geführt: die mittelbaren Zulieferer wurden aus dem Blick genommen, die zivilrechtliche Haftung gestrichen, die Umweltbelange tauchen kaum noch auf.

Für die Textilarbeiterin in Asien oder die Menschen (auch Kinder) in der Rohstoffförderung in Afrika ändert sich zunächst nichts, da die präventive Ausrichtung der Sorgfaltspflicht, die das Gesetz ursprünglich leisten wollte, zurückgenommen wurde und sich die Sorgfaltspflicht nun auf Anlässe bezieht, wenn das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist. Vorbeugendes Handeln jedoch wäre das Gebot der Stunde, weil die weltweiten Hotspots von Menschenrechtsverletzungen schließlich u.a. dank zivilgesellschaftlicher Recherche bekannt sind. Diese Verweigerung ist zutiefst unmoralisch, beweisen doch die Initiativen einzelner Unternehmen, dass die Überprüfung der kompletten Lieferketten möglich ist.   

Trotz dieser Anmerkungen ist festzuhalten, dass durch das Lieferkettengesetz in der bundesdeutschen Geschichte erstmals eine gesetzliche Verpflichtung für Unternehmen, auch Niederlassungen ausländischer Konzerne in Deutschland, geschaffen wurde, Menschenrechte in globalen Wertschöpfungsketten zu schützen. Die Strategie der Samthandschuhe „freiwillige Selbstverpflichtung in der Wirtschaft“ ist wie so häufig gescheitert. Rechtlich vorgesehen sind bei Verstößen Bußgelder und der Ausschluss aus der Vergabe öffentlicher Aufträge – aber eben keine Wiedergutmachung bzw. zivilrechtliche Haftung für die Opfer von Menschenrechtsverletzungen.

Es gilt also weiterhin auf die Karte Zivilgesellschaft als treibende Kraft für Veränderungen zu setzen, die auf Verletzungen der Sorgfaltspflicht hinweist und die Aufsichtsbehörden unter Druck setzt. Ein bundesdeutsches Lieferkettengesetz, das mittelbare Zulieferer einschließt und klare Haftungsregelungen beinhaltet, wäre ein deutliches Signal für Europa gewesen – nun gilt es also eine starke europäische Regelung tatkräftig zu fordern und zu unterstützen, die dies beinhaltet, und damit in die nationale Gesetzgebung einfließen könnte.

Es bleibt also dabei: Es gibt viel zu tun, aber die Richtung stimmt!