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13. Sonntag im Jahreskreis A // zum Ruf vor dem Evangelium

Datum:
Do. 22. Juni 2023
Von:
Annette Jantzen

Am 13. Sonntag ist ein Ruf vor dem Evangelium vorgesehen, bei dem viele Alarmglocken schrillen sollten. Er ist eine gekürzte Fassung eines Zitats aus dem ersten Petrusbrief, Kapitel 2, Vers 9, in der Fassung der Einheitsübersetzung, und lautet:

Halleluja. Halleluja.
Ihr seid ein auserwähltes Geschlecht,
eine königliche Priesterschaft, ein heiliger Stamm.
Verkündet die großen Taten Gottes,
der euch in sein wunderbares Licht gerufen hat.

Übersetzungen sind so wichtig. Hier begegnet eine Übersetzung, die Worte wie "Auserwählung" und "Priesterschaft" Wort für Wort übersetzt, obwohl sie in einem Kontext, der sich weit von ihrer jüdischen Herkunft entfernt hat, andere, toxische Klänge annimmt. Sie trifft auf Hörgewohnheiten, die sehr an Diskriminierung und Klerikalismus gewöhnt sind, die bei "Erwählung" "Berufung" hören und dabei wiederum "Berufung zum Priester- oder wenigstens zum Ordensleben". Sie trifft auf Hörgewohnheiten, in der "heiliger Stamm" ein Verständnis von Kirche aufruft, in dem die Kirche weder irren noch sündigen kann, weswegen in ihr zwar Erstkommunionkinder ihre drei lässlichen Sünden zu beichten gehalten sind, ihre Amtsträger aber kaum Schuld individuell eingestehen und noch weniger Strukturen, die Machtmissbrauch begünstigen, als sündige Strukturen erkennen. Wo Heiligkeit drauf steht, kann massive Unheiligkeit drin kaum erkannt werden. 

Der Ruf trennt in dieser gekürzten Fassung auch noch die Verkündigung der Befreiungstaten Gottes von der Erfahrung der Befreiung. Damit wird aus der dankbaren Antwort aus freiem Herzen eine Pflicht, ein Auftrag, weil man wer ist, nicht weil man etwas erfahren hat. Die Einheitsübersetzung selbst liest hier eine Verbindung, die allerdings doch an einen vorherbestimmten Zweck denken lässt: "Ihr aber seid ein auserwähltes Geschlecht..., ein Volk, das sein besonderes Eigentum wurde, damit ihr die großen Taten dessen verkündet, der euch aus der Finsternis in sein wunderbares Licht gerufen hat."

An dieser Fassung, gekürzt, dadurch eines wichtigen Sinns beraubt und auch noch ohne Sensibilität für die heutige Missverständlichkeit der tradierten Begriffe übersetzt, möchte man einen Warnhinweis anbringen: Nicht von Privilegierten lesen lassen. Denn wenn dieser Ruf vorgetragen wird von Menschen, die mit Leitung nicht sehr demütig umgehen, die Macht über andere ausüben und diese Macht auch noch religiös begründen können, dann verliert das Zitat aus dem neutestamentlichen Brief sein befreiendes Potential. Er ist dann kein Zuspruch mehr an die, die auf der sozialen Stufenleiter ganz unten stehen, die sich durch ihr Leben mühen und denen oft genug weder Respekt noch Wertschätzung entgegengebracht wird. Natürlich ist es noch möglich, es so zu hören, denn auch unter vielen Schichten von entstellenden Hörgewohnheiten kann ein guter Kern noch gehört werden, aber es ist weder einfach noch naheliegend. Einfach und naheliegend ist hingegen, es im Sinne einer Erhebung über andere und auf das männliche Amtspriestertum fokussiert zu hören. Dass frauendiskriminierende Sprachgewohnheiten wie eine männliche Pluralforum für alle Menschen auch in der Übersetzung beibehalten wurden, verstärkt diesen Effekt. Dass auch Gott männlich gegendert wird, ist dann quasi schon zwangsläufig. Für die Normalität von Machtmissbrauch und Klerikalismus, die das Hören dieses Textes beeinträchtigt, kann der Text nichts. Daran, dass die Übersetzung diese Normalität aber wiederum reproduziert und verstärkt, könnte man etwas ändern.

Dass es anders geht, zeigt die "Bibel in gerechter Sprache", die hier anders überträgt:

"Ihr aber seid eine Familie, ausgewählt wie der Ort, an dem der König wohnt, eine Gemeinschaft von Priesterinnen und Priestern, ein heiliges Volk, ein Volk, das Gott selbst gehört. So sollt ihr der Welt verkünden, was Gott getan hat, denn Gott hat euch aus dem Dunklen in das göttliche Licht gerufen."

Zuerst kommt die Erfahrung der Fülle und dann die Verständigung darüber, von dieser Fülle weiterzugeben, sie nicht für sich zu behalten und sich nicht als etwas besseres zu verstehen als die Menschen, die diese Erfahrung noch nicht teilen. Es ist ein Wort von Gemeinschaft, nicht von Hierarchie, und am schönsten klänge es, wenn das im Gottesdienst seinen Ausdruck darin finden würde, dass Leitung hieße, nur den Rahmen zu setzen, damit andere zu Wort kommen können. 

Was auf der sprachlichen Ebene wenig spektakulär klingt, wäre doch ein sehr großer Schritt im Gottesdienst, von der gewissen Verkündigung zu geteilter Erfahrung, von Inanspruchnahme eines Vorrechts zu Staunen und Freude. Es fängt bei der Übersetzung an, aber es hört nicht dabei auf. 

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