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13. Sonntag im Jahreskreis A // zum Ruf vor dem Evangelium

Datum:
Do. 30. Juni 2022
Von:
Annette Jantzen

Der Ruf vor dem Evangelium vom 13. Sonntag im Jahreskreis lässt alle Alarmglocken schrillen. Er ist formuliert nach dem ersten Petrusbrief, Kapitel 2, Vers 9 und lautet:

"Halleluja. Halleluja.
Ihr seid ein auserwähltes Geschlecht,
eine königliche Priesterschaft, ein heiliger Stamm.
Verkündet die großen Taten Gottes,
der euch in sein wunderbares Licht gerufen hat."

Übersetzungen sind so wichtig. Übersetzungen können toxische Bilder von Erwählung und Vorherrschaft nähren. Sie können die Einladung zur Verkündigung von der Erfahrung des Gerettetseins trennen. Damit leisten sie dann einem Kirchenverständnis Vorschub, das  Machtmissbrauch und Klerikalismus gedeihen lässt, so wie es dieser Vers in der Fassung der Einheitsübersetzung tut, der gekürzt und kontextlos dem Evangelium vorangestellt wird.

Eine wenig sensible Übersetzung, die von den frühen Christengemeinden als "auserwähltes Geschlecht, königliche Priesterschaft, heiliger Stamm" spricht, trifft im katholischen Gottesdienst auf Hörgewohnheiten, die bei "Erwählung" an "Berufung" denken lassen und bei "Berufung" an "Berufung zum Priester- oder wenigstens zum Ordensleben". Sie trifft auf Hörgewohnheiten, die bei "Priesterschaft" an die heutigen Amtsträger denken lassen und bei "heiliger Stamm" an die Kirche, die weder irren noch sündigen kann und die deswegen zwar Erstkommunionkinder zur Beichte ihrer drei lässlichen Sünden auffordert, die aber mit schwerer Schuld ihrer Amtsträger und eigenen sündigen Strukturen nicht umgehen kann und sich unerträglich schwer tut mit der Übernahme von Verantwortung. 

An so einem Vers als Ruf vor dem Evangelium sollte ein Warnhinweis stehen: Achtung, darf nicht von Privilegierten gelesen werden. Denn diese Zusage könnte so wertvoll sein, weil sie Unterdrückte aufrichtet: Menschen, die am Ende der sozialen Stufenleiter stehen, die sich durch ihr Leben mühen und oft genug weder Respekt noch Anerkennung finden. Aber wenn Menschen, die eine Leitungsposition innehaben, die damit Macht über andere ausüben können, deren Machtausübung gar noch religiös begründet werden kann, so eine Übersetzung vortragen, dann wird es sehr schwierig, darin eine Aufrichtung der Unterdrückten zu hören. Möglich ist es natürlich, denn jedes Wort kann immer auch gegen den Strich gehört werden, aber es ist weder naheligend noch einfach. Dass die Übersetzung bei "Priesterschaft" die rein männliche Form verwendet, verstärkt diesen Effekt, weil darin dann das heutige Amtspriestertum gehört wird und Frauen aus der Präsenz der Kinder Gottes hinausgeschrieben werden. Dass auch Gott männlich gegendert wird, wirkt in diesem Zusammenhang geradezu zwangsläufig. Zudem trennt die Fassung der Leseordnung die vorausgegangene Erfahrung der Würdigung durch Gott von dem aus dieser Erfahrung motivierten Gotteslob im biblischen Text: "Ihr seid ein auserwähltes Geschlecht... ein Volk, das sein besonderes Eigentum wurde, damit ihr die großen Taten dessen verkündet, der euch aus der Finsternis in sein wunderbares Licht gerufen hat"  (Einheitsübersetzung). Die Lutherübersetzung vermeidet hier besser die Verzweckung der göttlichen Zusage, indem sie überträgt "ein Volk zum Eigentum, dass ihr verkündigen sollt die Wohltaten dessen, der euch berufen hat aus der Finsternis in sein wunderbares Licht."

Eine behutsamere Übersetzung wäre so viel bereichernder für den Gottesdienst. Die "Bibel in gerechter Sprache" macht das Gotteslob als Konsequenz aus der Erfahrung, gewürdigt zu werden, noch deutlicher, indem sie hier liest:

"Ihr aber seid eine Familie, ausgewählt wie der Ort, an dem der König wohnt, eine Gemeinschaft von Priesterinnen und Priestern, ein heiliges Volk, ein Volk, das Gott selbst gehört. So sollt ihr der Welt verkünden, was Gott getan hat, denn Gott hat euch aus dem Dunklen in das göttliche Licht gerufen."

Noch schöner wäre es, wenn nicht nur die Sprache, sondern auch die Dramaturgie im Gottesdienst diese befreiende Perspektive transportieren würde. Das wäre zum Beispiel der Fall, wenn "Leitung" im Gottesdienst hieße, den Rahmen zu setzen, damit andere zu Wort kommen. Wie so eine demokratisierte Gottesdienstgestalten könnten auch Übersetzungen, die für strukturelle Diskriminierung sensibel sind, eine wichtige Korrektur im Selbstverständnis der kirchlichen Gemeinde unterstützen: Die Gemeinde der Jesusgläubigen lebt aus einer Erfahrung, nicht daraus, vor Gott besser zu sein als andere. Sie lebt in einem Vertrauensverhältnis, nicht aus Teilhabe an religiöser Macht, aus Freude und Befreiung, nicht aus Selbsterhebung. Daraus ergibt sich dann wiederum, dass auch "Heiligkeit" kein Verdienst und "Würdigung" keine Abwertung anderer ist. Es ist noch viel zu lernen.

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