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14. Sonntag im Jahreskreis B // Zum Evangelium

Datum:
Sa. 3. Juli 2021
Von:
Annette Jantzen

Er ging von dort weg und kam in seine Heimatstadt, und seine Jüngerinnen und Jünger folgten ihm nach. An einem Sabbat begann er, in der Synagoge zu lehren. Und viele, die ihn hörten, waren überwältigt und sagten: »Woher hat er das alles? Was ist das für eine Weisheit, die ihm gegeben wurde? Geschehen durch seine Hände derart machtvolle Taten? Ist das nicht der Zimmermann, der Sohn der Maria und Bruder des Jakobus und Joses, des Judas und Simon? Und leben nicht seine Schwestern hier bei uns?« Seinetwegen kamen sie vom Weg der Gerechtigkeit ab. Jesus sagte zu ihnen: »Kein Prophet und keine Prophetin werden in ihrer Heimatstadt, bei den eigenen Verwandten und im eigenen Haus geachtet.« Und Jesus konnte dort keine machtvolle Tat vollbringen. Nur einige wenige Kranke heilte er, indem er ihnen die Hände auflegte. Er war zutiefst verstört über ihren Unglauben. Dann durchstreifte er die umliegenden Dörfer und lehrte.

Evangelium nach Markus, Kapitel 6, Verse 1-6

Für Filme hat der nach der us-amerikanischen Comiczeichnerin Alison Bechdel benannte Bechdel-Test mittlerweile einen recht hohen Bekanntheitswert. Er misst die Darstellung von Frauen nach ein paar einfachen Fragen: Kommen mindestens zwei Frauen vor, die auch einen Namen haben? Reden sie miteinander? Wenn ja, reden sie über ein anderes Thema als über einen Mann?

Insgesamt bestehen von den 73 Büchern der Bibel 4 den Bechdel-Test: das Buch Rut, das Buch Tobit, das Markus- und das Lukasevanglium. In diesem kurzen Abschnitt aber bleiben die Schwestern Jesu namenlos, anders als seine Brüder. Aber es sind mindestens zwei: Mirjam, die Prophetin aus Nazareth, heute "Maria" genannt, war also mindestens siebenfache Mutter. Vielleicht hatte es noch mehr Kinder gegeben, die das Erwachsenenalter nicht erreicht hatten, oder mehr als zwei Schwestern.

Die schnelle Deutung, bei "Brüdern" und "Schwestern" könne es sich auch um alle möglichen Verwandtschaftsverhältnisse handeln, schreibt ihre Mutterschaft aus der Erinnerung heraus. Wie die Schwestern Jesu verschwinden, verschwindet so auch ein wichtiger Teil ihrer Identität. Sie ist nicht die sehr junge Frau geblieben, deren erster Sohn Jeschua von Nazareth war, Zimmermann, Toragelehrter, Messias. Wer das Evangelium verfasst hat, hatte zumindest  diesen Teil der Geschichte erzählenswert gefunden, auch wenn die Schwestern keine Namen erhalten haben. Sie stehen noch mehr als die Brüder, die dann ja in der Apostelgeschichte wieder prominent auftauchen, im Schatten der Erzählung. Von den Schwestern ist nicht einmal der Name geblieben, das letzte Echo eines längst vergangenen Lebens auf dieser Erde.

Der Schatten wurde mit der Zeit noch tiefer. In diesem Schatten sind die Schwestern Jesu, ist die siebenfache Mutterschaft Mariens verschwunden, ebenso wie das Beziehungsgeflecht um Jesus, das nach den Erzählungen deutlich größer war als die Gruppe der zwölf in einer Zeichenhandlung herausgehobenen Schüler.

Richtig traurig wird es, wenn das beim Lesen gar nicht mehr auffällt. Natürlich liegt der Blick hier zuerst auf dem in seiner Heimat verkannten Jesus. Zu dessen Umfeld gehörten aber Frauen wie Männer. Er setzte sich über Gendergrenzen hinweg, weil er an die Einheit im Geist Gottes glaubte. Diese Grenzen sind nach ihm wieder höher geworden, und oftmals ist das so verinnerlicht worden, von Frauen wie von Männern, dass das nicht einmal mehr auffällt, nicht einmal dann, wenn der Text es augenfällig macht. Es ist hohe Zeit für ein Neu-Erzählen der weiblichen Seite des Glaubens. Denn "das Problem ist nicht, dass Jesus ein Mann war. Das Problem ist, dass nicht mehr Männer wie Jesus sind." (Elizabeth A. Johnson, Ich bin die ich bin. Wenn Frauen Gott sagen)

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