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17. Sonntag im Jahreskreis B // zur 2. Lesung

Datum:
Mo. 15. Juli 2024
Von:
Annette Jantzen

Ich, der Gefangene in Christus, bitte euch also, lebt entsprechend der Berufung, mit der ihr berufen seid. Lebt mit aller Bescheidenheit und Freundlichkeit, mit Geduld, als solche, die einander in Liebe ertragen. Und bemüht euch, die Einheit der Geistkraft mit dem Band des Friedens zu bewahren. Es gibt einen Leib und eine Geistkraft. Ebenso seid auch ihr berufen in einer Hoffnung eurer Berufung. Es gibt einen Herrn, einen Glauben, eine Taufe. Gott ist einzig, Mutter und Vater aller. Gott ist über allem, durch alles und in allem.

(Brief an die Gemeinde in Ephesus, Kapitel 4, Verse 1-6)

Was garantiert Einheit? Eine Frage für die Gemeinde im kleinasiatischen Ephesus in der heutigen Türkei im späten ersten Jahrhundert, eine Frage für uns.

Für die Damaligen: eine drängende Frage in einer bedrohlichen Zeit. Noch war die Trennung der Wege nicht abgeschlossen, aus der zwei Religionen hervorgehen sollten, Judentum und Christentum. Es gab diese Alternative noch nicht, es gab die Religion Israels, die mit dem Jerusalemer Tempel gerade ihr geographisches Zentrum verloren hatte. Die Großmacht Rom hatte gesiegt. Was garantiert Einheit, wenn die Gläubigen aus dem Gebiet der Provinz Palästina zerstreut sind und man das Verhältnis der jüdischen (immer weniger) zu den nichtjüdischen (immer mehr) Jesusgläubigen in aller Welt nun neu austarieren muss?

Das entstehende Judentum fand in der Hebräischen Bibel sein Zentrum, ein sprachliches Heiligtum, das alles Verlorene bewahrte und darum auch nicht mehr übersetzt wurde. Unübersetzt wurde es Ausgangspunkt für überaus diverse Auslegungen: Der Text bleibt. Die Praxis bleibt - Beschneidung, Schabbat, Speisegesetze. Alles andere kann variieren.

Das entstehende Christentum fand Einheit in Einklang. Hier bildeten sich neue gegraphische Zentren, in Rom, in Konstantinopel, in Alexandrien. Garant der Einheit wird Jesus Christus, und die Gläubigen bilden seinen Leib in der Gegenwart. Was garantiert Einheit? Noch steht nicht fest, was heilige Schriften der Jesusgläubigen sein werden. Die Praxis ist vielfältig und kennt so diverse Gemeindeformen wie religiöse Praktiken. Der Glaube muss die Einheit garantieren, dafür muss er einheitlich sein und bleiben.

Hier ist der Grund gelegt für eine Auffassung von Einheit in den westlichen Kirchen, die über Einheitlichkeit funktioniert, und für eine Glaubenskontrolle, die die Überzeugungen der Gemeidemitglieder prüfbar machte: rechtgläubig oder irrig. Eine stärkere Betonung der Heiligen Geistkraft hätte dieses Sortieren vielleicht ausgebremst, denn wer kann schon wissen, was sie wirkt? Aber hätte, hätte, Überlieferungskette: So ist es zu uns gekommen. Besonders in der römisch-katholischen Kirche haben wir immer noch Schwierigkeiten mit der Übersetzung des Glaubens in die verschiedenen Lebenswelten unserer Erde. Und so sortieren wir heute noch: rechtgläubig oder irrig, noch katholisch oder schon schismatisch. Und parallel dazu verabschieden sich immer mehr Menschen aus unverständlich gewordenen Wortspielen.

Ein Text wie diese Lesung aus dem Epheserbrief, besonders in der Fassung der Einheitsübersetzung, macht es zusätzlich schwer, zwischen menschlich-männlicher Macht und göttlicher Stimme zu unterscheiden: "...wie ihr auch berufen seid zu einer Hoffnung in eurer Berufung: ein Herr, ein Glaube, eine Taufe, ein Gott und Vater aller..." Besonders wenn "Berufung" heute vorwiegend als für Männer reservierte Berufung zum Priesteramt enggeführt wird, dann bleibt für zu viele Menschen die Frage, wo ihr Platz sein könnte in diesem Einheitsgefüge.

Einheit könnte etwas anderes sein als Einheitlichkeit. Wenn G*tt soviel größer ist als alle unsere Gedanken und Vorstellungen, dann sollte in ihr mehr Platz sein als für eine Auslegung, eine Kirchengestalt, eine Hierarchie, denn eine so große Gottheit kommt wohl mit der Freiheit ihrer Kinder zurecht.

 

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