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21. Sonntag im Jahreskreis B // zur neutestamentlichen Lesung, wiedergelesen

Datum:
Mi. 21. Aug. 2024
Von:
Annette Jantzen

Ändert endlich die Leseordnung!

Am Sonntag, dem 21. Sonntag im Jahreskreis B, wird aus dem Epheser*innen-Brief gelesen: Brief an die Gemeinde in Ephesus, Kapitel 5, Verse 21-32: "Frauen, ordnet euren Männern wie dem Herrn unter, denn der Mann ist das Haupt der Frau, wie auch Christus das Haupt der Kirche ist... Wie aber die Kirche sich Christus unterordnet, so sollen sich auch die Frauen in allem den Männern unterordnen. Und ihr Männer, liebt eure Frauen, wie auch Christus die Kirche geliebt und sich für sie hingegeben hat..."

Ich stelle mir vor, wie Frauen, die ja nun seit 2021 (!) auch dauerhaft zu Lektorinnen ernannt werden dürfen, diese Lesung vortragen, die von Befreiung nur noch im Modus der Unterordnung spricht. Wie die Gemeinde auf diese Lesung antwortet mit "Dank sei Gott". Wie in der auf das Evangelium folgenden Predigt mit keinem Wort darauf eingegangen wird. Wie das einfach so im Raum stehen bleibt: "Frauen, ordnet euch euren Männern unter", als wäre das Gottes Wille, als könne irgendwer das heute ernsthaft einfach so selbstgewiss für sich in Anspruch nehmen, Gottes Willen zu kennen. Als könnte man diese  Überordnung der Männer und Unterordnung der Frauen einfach als Gottes Willen bezeichnen in einer Welt, in der im genannten Jahr 2021 in Deutschland 113 Frauen von ihren (Ex-)Partnern ermordet wurden und 143.000 Frauen Partnerschaftsgewalt erlebt haben - und das sind nur die erfassten Fälle, die Dunkelziffer ist in diesem Feld besonders hoch. Die Zahlen sind in den Folgejahren nicht gesunken, im Gegenteil. Ich stelle mir vor, wie die Lektor*innen beim Vortragen an ihre Töchter denken, an ihre Patentöchter, Enkelinnen, Nichten. Wie viele Frauen in den Kirchenbänken an erlittene Gewalt denken, an körperliche, sexuelle, verbale, psychische, finanzielle Gewalt, an die täglichen Mikrosexismen, die so mürbe machen können, an verweigerte Chancen hier und offene Unterdrückung weltweit.

Ich höre schon die Einwände, dass solche Gewalt ja nun nicht mit dem Brief an die Gemeinde in Ephesus gerechtfertigt werden könne. Andere Zeiten, eine andere Gesellschaft, und im Zweifelsfall die ultimative Lösung: man müsse das "theologisch verstehen", als wäre dieser Worthülsen-Joker nicht nur die Verbrämung von Reflexionsverweigerung aus Nichtbetroffenheit. 

Dieser Abschnitt aus dem Brief an die Gemeinde in Ephesus, geschrieben zu einer Zeit, in der die patriarchale Gesellschaftsordnung schon tief in die Gemeinden eingedrungen war, eignet sich nicht mehr als Schriftlesung im Gottesdienst. Und bevor es Zensur-Vorwürfe gibt: Auch Gewalttexte aus der Bibel werden in der Regel nicht ohne besondere Einbettung als gottesdienstliche Texte verwendet. Dieser Briefabschnitt ist aus der Perspektive der Geschlechtergerechtigkeit auch ein solcher Terror-Text, weil er bei aller Beschwörung der Liebe Unterdrückung und Zweitrangigkeit ungebrochen sakralisiert und somit nahelegt, diese zu verinnerlichen. Wie soll frau damit ein aufrechter Mensch sein und bleiben können? Also falls Frauen Menschen sind, natürlich. Wenn "Mensch" eigentlich "Mann" meint, stellt sich das Problem ja nur noch für diejenigen, die wirklich solidarisch sind. 

Der angemessene Umgang mit diesem Text wäre, ihn nicht mehr vorzutragen. Nein, das ist keine Zensur eines heiligen Buches. Es sind wir selbst, die dem Buch der Bücher Bedeutung geben oder auch nicht. Und solange ein literarischer Schatz wie das Hohelied der Liebe an keinem einzigen Sonntag der drei Lesejahre vorkommt, kann es mit der Hochschätzung der Vollständigkeit nicht so weit her sein. Soviel vom Ersten Testament kommt nie zu Gehör, schon gar nicht als Text mit einem Eigenrecht, der mehr kann als auf das Zweite Testament hinzuweisen. Dafür aber ein Text wie dieser Abschnitt aus dem Epheserbrief. Wer das festlegt, bleibt unsichtbar und niemandem Rechenschaft schuldig. Unsichtbare Machtausübung macht Menschen nicht nur unfrei, sondern nimmt ihnen auch noch die Möglichkeit, sich ihr entgegenzustellen.

Wenn dieser oder vergleichbare Texte noch vorgetragen werden - und mir fallen eine Menge Lektorinnen ein, die in ihren Gemeinden nur neue Abwertung erfahren, wenn sie das Problem dieser Texte ansprechen -, dann sollte der Vortrag wenigstens nicht mit "Wort des lebendigen Gottes" enden, sondern mit "Gotteswort im Menschenwort". Mehr als das aber wünsche ich mir einen Lektorinnen-Streik. Lest was anderes, Schwestern.  

Beitrag zur gleichen Lesung aus dem Jahr 2021

 

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