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25. Sonntag im Jahreskreis B // Gott und ich

Datum:
Fr. 20. Sept. 2024
Von:
Annette Jantzen

Du machst es uns manchmal echt nicht leicht, sag ich.
Dir auch einen guten Morgen, sagt Gott. Hast du noch einen Kaffee übrig?
Übrig nicht, aber ich mach uns noch einen, sag ich.
Auch gut, sagt Gott.
Gott blättert durch die Zeitung, während ich uns zwei doppelte Espresso mache.
Danke, sagt Gott, als ich mit den Kaffeebechern zum Tisch komme und Gott einen gebe.
Bitte gern, sag ich und hole mir noch ein Stück Würfelzucker.
Oh, Zucker in den Kaffee, sagt Gott. Was ist los?
Ich find die Bibel eigentlich ein tolles Buch, sag ich und rühre den Zucker in meinen Espresso.
Freut mich, sagt Gott.
Aber manchmal sitz ich echt ratlos davor, sag ich. Nichtmal an den schlimmen Stellen, weil Schlimmes gibt es ja in der Welt. Aber dieses Gemecker, echt mal.
Gott guckt.
Ich hab die Texte für den nächsten Sonntag nachgeschaut, sag ich. Aus dem Buch der Weisheit eine Polemik gegen irgendwelche Frevler, im Jakobusbrief Anschuldigungen gegen Leute aus der Gemeinde und im Evanglium so eine vorwürfliche Fangfrage, worüber habt ihr gesprochen, und dann müssen sie zugeben, dass sie ihre Rangordnung diskutiert haben und stehen dann alle als Omegahühner da.
Mo-ment, sagt Gott. Das ist deine Interpretation, dass das eine Fangfrage gewesen sei. Es könnte aber auch echtes Interesse meinerseits gewesen sein, schonmal drüber nachgedacht?
Ich halte inne. Oh, sag ich dann. Ich kenn sowas nur als Frage nach dem, was eigentlich schon klar ist und ich muss es dann noch zugeben.
Das ist ziemlich traurig, sagt Gott.
Ja, irgendwie schon, sag ich. Ich ziehe die Bibel, die noch auf dem Tisch lag, näher an mich heran und suche die Stelle aus dem Buch der Weisheit heraus.
Vielleicht wäre es besser, wenn wir nicht nur diesen kurzen Abschnitt lesen würden, sag ich nach einer Lesepause. Das ist ja nur das Ende von einem ganzen Kapitel, wo es um die Leute geht, die sich ohne dich ein schönes Leben machen.
Sowas aber auch, sagt Gott.
Macht trotzdem ganz schön schlechte Vibes, sag ich. Wie soll ich das denn als Text verkaufen, für den es sich lohnt, zuzuhören.
Immerhin wird er heute noch gelesen, sagt Gott. Das muss man auch erstmal schaffen.
Ja, aber warum?, frag ich. Wenn das der Anfang von nem Werbeflyer wäre, wär der schneller im Altpapier, als er sich drüber beschweren könnte.
Wenn alles nur nice und easy wäre, bräuchtet ihr überhaupt keine Bücher, sagt Gott.
Das mag stimmen, sag ich.
Gott summt leise vor sich hin.
Vielleicht geht es auch darum, wer wir selber sind, sag ich. Und wer wir nicht sein wollen.
Möglich, sagt Gott.
So betrachtet, ist das ja echt krass, wie alt diese Fragen sind, sag ich.
Gott lächelt.
Und das ist eigentlich schon echt ne Ansage, wie die ihre Texte betitelt haben, sag ich. Buch der Weisheit, Hammer. Oder Brief des Jakobus, und der war immerhin dein kleiner Bruder.
Ja, sagt Gott.
Aber mit Zurückhaltung kam man wohl auch nicht unbedingt in das Buch der Bücher rein, sag ich. Das Evangelium nach Maria hat ja auch ziemlich abgeloost in der Hinsicht. Und wer weiß, wie viele Briefe von Phöbe, Junia oder Berenike in der Ablage P gelandet sind.
Ach Herzchen, sagt Gott.
Muss ja mal gesagt werden, echt mal, sag ich.
Ja, sagt Gott.
Also, ich finde das ein bisschen unsympathisch, dass die sich so aufregen über Leute, die einfach andere Prioritäten setzen im Leben, sag ich.
Hm, sagt Gott.
Oder vielleicht geht es gar nicht gegen bestimmte Leute, sondern um Haltungen, und die haben nur ein bisschen übertrieben, um ihren Punkt deutlich zu machen, sag ich.
Ganz gelegentlich machst du das ja auch, sagt Gott.
Ich glaub, ich mag so schlechtgelaunte Sachen trotzdem nicht, sag ich.
Musst du ja auch nicht, sagt Gott.
Nicht?, frag ich.
Nö, sagt Gott.
Du hast mal gesagt, du magst es, wenn wir in der Kirche auf andere Gedanken kommen, sag ich.
Ja, sagt Gott.
Ok, sag ich. Das hat jetzt zumindest schonmal geklappt.
Schön, sagt Gott.
Ich glaub, ich denk nochmal ne Runde drüber nach, warum mich das so angepiekst hat, sag ich.
Ein guter Plan, sagt Gott.
Vielleicht, weil das so klar scheint, wer die Guten und wer die Bösen sind, wenn der Text in der Kirche gelesen wird, aber ganz so klar ist das eigentlich gar nicht, sag ich.
Vielleicht, sagt Gott. Und das mit Gut und Böse ist ohnehin nicht so einfach, kann ich dir sagen.
Das glaub ich, sag ich. Gut, dass wir miteinander gesprochen haben.
Find ich auch, sagt Gott. Danke für den Kaffee.
Bitte gern, sag ich. Hab noch einen schönen Tag.
Du auch, sagt Gott. Bis bald mal wieder, und Amen.

Zu den Lesungen des 25. Sonntags im Jahreskreis B: Buch der Weisheit 2,1.12.17-20, Jakobusbrief 3,16-4,3, Markusevangelium 9,30-37

Beitrag von 2021 zum Evangelium des 25. Sonntags im Jahreskreis B: https://www.bistum-aachen.de/Frauenseelsorge/Frauenseelsorge-Aachen/nachricht/25.-Sonntag-im-Jahreskreis-B----Zum-Evangelium/

 

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