Jesu Verhalten, die fremde Frau um Wasser zu bitten, irritiert. Damals wie heute. In dem er mit einer Frau spricht, noch dazu einer Nicht-Jüdin, bricht er ein doppeltes Tabu. Und dann wird er auch noch zum Bittsteller. Er, der im wahrsten Sinn des Wortes „an der Quelle sitzt“, bittet die Frau um Wasser. Paradox.
Die Angesprochene musste schier „aus allen Wolken fallen“ und das tut sie auch indem sie seine Bitte zunächst in Frage stellt. Im Laufe des Gesprächs ahnt sie, dass sie es mit einer wichtigen Persönlichkeit zu tun hat. Sie macht dann das, was viele Frauen tun, wenn sie nicht mehr weiter wissen. Anders als die meisten Männer trauen Frauen sich in unsicheren Situationen (etwa in fremder Umgebung) zu fragen. So fasst sich die samaritische Frau ein Herz und fragt Jesus, wer er ist. Sie lässt sich quasi seinen Ausweis zeigen.
Jesu Antwort klingt für sie nicht nur plausibel und vertrauenerweckend, sondern weit mehr als das. Die Begegnung mit Jesus wird für für dienamenlose Frau zum Schlüsselmoment ihres Lebens. Ihr öffnet sich im Gespräch mit Jesus das Geheimnis der Gegenwart Gottes, und sie überzeugt von da an viele weitere Menschen, sich Jesus anzuschließen. Die Erzählung ist für mich ein wichtiges Zeugnis dafür, dass Jesus mit Frauen „auf Augenhöhe“ sprechen konnte. Wie Petrus legt die Samariterin ein Messiasbekenntnis ab.
Der klassischen (meist männlichen) Auslegung dieser Perikope war das wohl nicht ganz geheuer. Wie sonst ist es zu erklären, dass die meisten Exegeten sich an Vers 18 und damit an der Vergangenheit der Frau abarbeiten: „Denn fünf Männer hast du gehabt..“. Darüber übersehen sie, dass es hier nicht um eine moralische Bewertung geht, sondern darum, die Gegenwart Gottes zu erkennen, die so viel größer ist.
Starke Frauen machen eben Angst, und Angst verleitet zur Abwertung und Unterdrückung, doch davon sollten Frauen sich nicht aufhalten lassen!
Zum Evangelium Joh 4,5-42