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31. Sonntag im Jahreskreis C // zur ersten Lesung

Datum:
Fr. 28. Okt. 2022
Von:
Annette Jantzen

Wie ein Stäubchen an der Waage ist die ganze Welt vor dir, und wie ein Tautropfen am Morgen, der auf die Erde fällt. Du aber erbarmst dich über alle, weil du alles vermagst, und siehst an den Verfehlungen der Menschen vorbei, damit sie umkehren können. Du liebst nämlich alles, was ist, und verabscheust nichts von dem, was du gemacht hast. Würdest du nämlich etwas hassen, hättest du es nicht bereitet. Wie könnte etwas Bestand haben, wenn du es nicht gewollt hättest, oder wie wäre etwas, das du nicht ins Dasein gerufen hast, bewahrt geblieben? Alles schonst du, weil es dir gehört, du Macht, die das Leben liebt. Deine unvergängliche Geistkraft ist in allen. Darum bestrafst du die, die eine Übertretung begehen, jeweils nur leicht und warnst sie, indem du sie an das erinnerst, wodurch sie sündigen, damit sie sich von der Bosheit abwenden und zum Vertrauen auf dich gelangen, Gott.

(Buch der Weisheit, Kapitel 11, Vers 22, bis Kapitel 12, Vers 2)

Du liebst alles, was ist. Ein großartiger, zauberschöner und abgründiger Satz. Abgründig angesichts der Erfahrungen von Leid, Schmerz und Unheil, die in die Welt eingeschrieben sind, sogar ohne Zutun des Menschen - an diesem Abgrund kommen wir nicht vorbei. Und doch steht hinter aller Unheilserfahrungen eine große Macht, die das Leben liebt. Der Abgrund hat nicht das letzte Wort.

Du liebst alles, was ist. Ein abgründiger, großartiger und zauberschöner Satz. Wer ihn glaubt, kann nicht mehr hingehen und Menschen und das, was sie ausmacht, für "objektiv ungeordnet" erklären. Gott, die alles liebt, was ist, ist nicht objektiv, und so definiert der Satz auch nicht, sondern spricht Gott selbst an - das Staunen löst das Definieren ab. Gott ist nicht objektiv, und die Entstehung des Lebens ist kein Uhrwerk, sondern wild und zufällig, überraschend und unvorhersehbar und doch umfangen und im Dasein gehalten von dieser großen Macht, die das Leben liebt und alles durchwirkt, was lebt. Jede Schublade ist zu klein für diese überschäumende Lebendigkeit, die in allen Facetten leuchtet und funkelt.

Wir sind nur ein Stäubchen in einem riesigen Universum. Und doch hält uns Gott behutsam auf ihrer Handfläche und betrachtet uns von allen Seiten, unsere Zerbrechlichkeit, unsere Dunkelheiten und unsere Lebenssehnsucht. Wir gehören ins leuchtende und funkelnde Licht auf dieser Handfläche und nicht in dunkle und kalte Schubladen, wer wir auch sind und wen wir auch lieben. Stäubchen sind wir, und wie sinnlos und absurd wäre es, uns gegenseitig auszusortieren. Gottes geliebte Stäubchen, fast unsichtbar in einem riesigen Universum und doch gehalten und bewahrt. Wie zauberschön, wie abgründig, wie großartig.

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