Einstimmung:
Innehalten. Der Sonntag unterbricht nicht mehr von alleine die Woche, sei es, weil auch der Alltag jetzt still ist, sei es, weil auch der Alltag jetzt genauso familiengefüllt ist wie sonst nur das Wochenende. Darum: Innehalten. Es ist Sonntag, trotz allem. Wie immer. Wie noch nie.
Musik anmachen zum Hineinfinden in eine Zeit für Gott und die Welt und mich.
Vorschlag: Oceans (Where feet may fail)
Eine Weile das Bild betrachten. Es führt hinein in die Ahnung, dass es unterhalb der Oberfläche dessen, was ich gerade wahrnehme, eine weitere Dimension gibt, so wie unter der Meeresoberfläche auch: Still und weit, unbekannt, undurchdringlich und voller Leben. Das ist: Die viele Not, die sich im Stillen unter der Oberfläche abspielt. Die unabsehbare Dauer dieses Zustands, die wie der Wasserdruck auf die Ohren drückt. Die Kraft des Lebens und die Sehnsucht nach Leichtigkeit. Die Gefährdung eines fragilen Gleichgewichts.
Meine Sorgen müssen nicht draußen bleiben. Ich nehme sie mit in diese Feier. Aber ich halte sie nur locker in der Hand, wie Steine, die dann im Wasser zu Boden sinken, sacht und unaufhaltsam.
Ich nehme mit in diese Feier die Not, um die ich weiß, die Menschen, um die ich mich sorge, und die Menschen, die ich vermisse. Im Gedanken an sie zünde ich meine Kerze an: ein Leuchtfeuer für diesen Tag.
Das Evangelium lesen (aus Johannes, Kapitel 11):
In jener Zeit war ein Mann krank, Lazarus aus Betanien, dem Dorf, in dem er mit seinen Schwestern Maria und Schwester Marta wohnte. Daher sandten die Schwestern Jesus die Nachricht: Herr, dein Freund ist krank. Als er hörte, dass Lazarus krank war, blieb er noch zwei Tage an dem Ort, wo er sich aufhielt. Danach sagte er zu den Jüngern: Lasst uns wieder nach Judäa gehen, denn Bethanien liegt in Judäa, nahe bei Jerusalem. Als Jesus ankam, war Lazarus schon vier Tage tot.
Als Marta hörte, dass Jesus komme, ging sie ihm entgegen, Maria aber blieb im Haus. Marta sagte zu Jesus: Herr, wärst du hier gewesen, dann wäre mein Bruder nicht gestorben. Aber auch jetzt weiß ich: Alles, worum du Gott bittest, wird Gott dir geben.
Jesus sagte zu ihr: Dein Bruder wird auferstehen. Marta sagte zu ihm: Ich weiß, dass er auferstehen wird bei der Auferstehung am Letzten Tag. Jesus erwiderte ihr: Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt, und jeder, der lebt und an mich glaubt, wird auf ewig nicht sterben. Glaubst du das? Marta antwortete ihm: Ja, Herr, ich glaube, dass du der Messias bist, der Sohn Gottes, der in die Welt kommen soll.
Nach diesen Worten ging sie weg, rief heimlich ihre Schwester Maria und sagte zu ihr: Der Meister ist da und lässt dich rufen. Als Maria das hörte, stand sie sofort auf und ging zu ihm. Sie fiel ihm zu Füßen und sagte zu ihm: Herr, wärst du hier gewesen, dann wäre mein Bruder nicht gestorben.
Als Jesus sah, wie sie weinte, da weinte er auch. Dann ging er zum Grab und rief mit lauter Stimme: Lazarus, komm heraus! Da kam der Verstorbene heraus; seine Füße und Hände waren mit Binden umwickelt, und sein Gesicht war mit einem Schweißtuch verhüllt. Jesus sagte zu ihnen: Löst ihm die Binden, und lasst ihn weggehen!
Auslegung:
Wärst du hier gewesen, dann wäre mein Bruder nicht gestorben. Manches geschieht, als ob niemand es ändern könnte, selbst wenn derjenige ganz nah scheint, der doch alles wenden kann, der den Sturm der Angst zum Verstummen bringen und die Isolation der Krankheit in Gemeinschaft verwandeln kann.
Manches kommt zu spät. Sogar Jesus kommt zu spät. Ist das ein Vorwurf - wenn du hier gewesen wärst, wäre er nicht gestorben? Aber letztlich muss man eingestehen: auch auch der sofortige Aufbruch hätte nicht mehr allem abgeholfen. Es war zu spät. Die unerträgliche Trauer wird nicht abgemildert, die Trauer, weil jemand so bitter fehlt, auch wenn man weiterhin alles von Gott erhoffen will: Heilwerden, Leben und Getröstetsein.
Und doch kann Jesus aus den Bindungen des Todes erlösen. Das glauben die Menschen, die diese Geschichte geschrieben haben - im Wissen darum, dass es eine Geschichte ist. Von Heilungen hatten sie schon erzählt - jetzt kommt die Steigerung: Jesus kann eine Gottesnähe vermitteln, die niemand für möglich gehalten hätte. Aber auch Jesus braucht die Vergewisserung: Du kannst das. Ich glaube an dich. Marta ist es, die Jesus so beglaubigt: Du bist der Retter. In nichts steht sie dabei hinter Petrus zurück.
Und dann kann man an Jesus sehen: Es lässt Gott nicht unbewegt, dass Menschen sterben, ohne dass noch etwas zu machen wäre. Der Schmerz darüber ist auch Gottes Schmerz. Gott ist nicht unbeeindruckt irgendwo da draußen. Jesus macht Gott, die Mitfühlende, sichtbar, die sich zuwendet und ruft: Komm heraus. Bitte komm doch, du wirst erwartet.
Auch wenn der Tod bedrohlich nah ist und Hilfe zu spät kommt: Das Leben wartet. Im undurchdringlichen Dunkel tief unten pulsiert das Leben ebenso wie im hellen Licht. Gott, die ins Leben ruft, wird sich als vertrauenswürdig erweisen. Was bei uns aussieht wie ein ewiges Zu-Spät, ist bei Gott erst der Anfang. Das ist ein Geheimnis, an das man sich nur herantasten kann, mit Geschichten mehr als mit Glaubenssätzen: So könnte es sein. So wie mit Jesus und den Geschwistern von Bethanien. So könnte es sein mit Gott und mit uns.
In Verbundenheit beten:
Gott eine Nachricht senden: Komm, dein Freund ist krank. Komm, hier ist so viel Leid. Himmelschreiend an den Grenzen, versteckt in Wohnungen und abgeschirmt in den Krankenhäusern. So viel Nebeneinander von kleinen und großen Sorgen und so wenig, was ich tun kann. Aber ich kann dich rufen und meine Sorgen wie Steine auf den Meeresboden sinken lassen. Ich kann dich rufen und die dabei mitnehmen, an die ich gedacht habe, als ich die Kerze angezündet habe, das Leuchtfeuer gegen die Ohnmacht, und zu dir beten:
Vater unser im Himmel
Geheiligt werde dein Name
Dein Reich komme
Dein Wille geschehe
Wie im Himmel, so auf Erden
Unser tägliches Brot gib uns heute
Und vergib uns unsere Schuld
Wie auch wir vergeben unseren Schuldnern
Und führe uns nicht in Versuchung
Sondern erlöse uns von dem Bösen
Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit
In Ewigkeit. Amen.
Zum Ausklang:
In die Kerze schauen.
Die Hände geöffnet vor sich halten, mit den Handflächen nach oben. Dem Gefühl nachgehen, das sich einstellt: Erwartung und Angewiesensein, Offenheit und Stille.
So lange es gut tut, so verweilen.
Dann diese Gebetshaltung lösen, vielleicht mit den Händen von oben nach unten über die Oberarme und den Körper streichen.
Abschließend beten:
Gott, bleibe bei mir, bleibe bei uns.
Behüte alle, die ich im Herzen trage, und bewahre unser Leben bei dir.
Amen.
Zum Ende:
Nochmal Musik spielen.
Vorschlag: Anders als du denkst
An diesem Wochenende wäre in den Gottesdiensten für das Hilfswerk Misereor gesammelt worden. Misereor setzt sich ein für ein Leben in Würde und Freiheit für alle Menschen, zu dem auch eine ausreichende gesundheitliche Versorgung gehört. Dieser Einsatz ist nun noch wichtiger geworden. Sie können in Verbundenheit mit allen, die diese Hilfe ermöglichen und denen diese Hilfe gilt, online spenden: Misereor Fastenaktion
Bleiben Sie gut behütet. Wenn Sie ein offenes Ohr brauchen, erreichen Sie mich unter 0172-2685162 oder bei facebook: gotteswort, weiblich